Sonntag, 29. November 2009

Innovationen in der Biedermeierzeit: die Maschine des Terrasson Fougère zur Herstellung von Backsteinen


Die vielen Handarbeiten, die bei der Herstellung der Backsteine anfielen, zu reduzieren und Maschinen zum Einsatz zu bringen, welche die Handarbeiten übernehmen, war der Traum vieler Erfinder im 19.Jahrhundert. Bereits in der Biedermeierzeit waren 20 solcher Maschinen erfunden worden, wurde im Jahre 1837 ausformuliert:

"Es sind uns an zwanzig zu diesem Ende seit beinahe 30 Jahren erfundene Maschinen bekannt, aber die von dem Hrn. Terrasson Fougères scheint die einzige zu sein, welche bis jetzt mit Erfolg gearbeitet hat." (1)

Das macht neugierig. Alle anderen haben "weder Vortheile noch Ersparnisse" gebracht, "da sie für die kleine Anzahl Arbeiten, welche sie verrichten, zu viel Aufsicht erfordern."

Auf was war man damals aus? Welche Arbeiten sollten durch Maschinen ersetzt werden? Die Erfinder nahmen sich ganz unterschiedliche Tätigkeitsfelder der Handarbeit vor, die sie durch Maschinen ersetzen wollten, und entwickelten unterschiedliche Grundprinzipien, nach denen diese Maschinen arbeiten:

"Wir versuchen hier, einen Begriff von dem Grundprinzipe zu geben, auf welchem die Konstrukzion der verschiedenen Ziegel-Maschinen beruht, indem wir sie auf folgende Weise eintheilen in:
1) Maschinen, welche das Formen, wie es durch Menschenhände geschieht, nachzuahmen;
2) solche, welche das Formen mittelst einer beständigen rotirenden Bewegung bewerkstelligen;
3) solche, welche das Formen durch ein Model verrichten, das die Erde herausschneidet;
4) Maschinen, welche die Form mittelst einer Ziehplatte hervorbringen, und dann das geformte Stück durch einen Draht oder ein Messer losschneiden." (2)

Es ging also in allen Fällen darum, das Formen der Ziegelrohlinge zu mechanisieren. Für das Kneten der Erde gab es bereits spezielle Trommeln, deren Knetwerk im Innern der Trommel durch ein Göpelwerk in Bewegung gehalten wurde. Zugleich mit dieser Bewegung wurde ein Transportband in Bewegung gehalten, welches die Erde über die oben offene Trommel transportierte und hineinfallen ließ. Durch die Knetbewegung entstand eine formbare Masse, aus denen sich die Ziegelrohlinge mit den angeführten Maschinen formen liessen. Sie wurde unten aus der Knettrommel herausgedrückt.

Glücklicherweise wurde erklärt, wie die Maschinen arbeiteten, die nach diesen vier Grundprinzipien aus der vorgekneteten Erdmasse Ziegelrohlinge herstellten. Das macht uns die Sache anschaulicher.

"Die Maschinen, welche das Formen durch Menschenhände nachahmen, bestehen aus einer gußeisernen Rahme, welcher man durch mehr oder minder sinnreiche mechanische Vorrichtungen eine hin und her gehende Bewegung ertheilt. Im Hingehen füllt sich die Rahme, indem sie unter dem Trichter durchgeht, welcher die Erde enthält, bei dem zweiten Theile ihres Ganges kömmt sie unter einen Hebel, der den nothwendigen Druck ausübt, und gelangt endlich, indem sie die Platte, welche den Boden bildet, ausstößt, unter ein Stoßeisen, welches den geformten Ziegel aus der Form bringt; diese Bewegung wiederholt sich nach Belieben." (3)

Kinsley, im Jahre 1813, Delamosinière, im Jahre 1825, und Thierrion im Jahre 1829, von dem man weiß, daß er in Amiens lebte, haben Maschinen entwickelt, die nach diesem Prinzip arbeiteten. Andere dachten sich etwas Anderes aus.

"Die Maschinen, bei welchen das Formen durch eine fortwährende rotirende Bewegung geschieht, sind ganz analog mit den eben angeführten, nur wendet man, statt eines Models, mehrere an, welche bald auf einer kreisrunden Scheibe, die sich um eine vertikale Axe bewegt, bald auf der Oberfläche eines sich um eine horizontale Axe drehenden Zylinders angebracht sind." (4)

Maschinen, die nach diesem Prinzip arbeiten, wurden im Jahre 1819 von Doolittle in Washington, im Jahre 1826 von Levavasseur-Précour und im Jahre 1830 von den Erfindern Champion, Fabre und Janur-Dubry, die in Besancon lebten, entwickelt.

"Bei den Maschinen mit Zylindern haben die Modelle einen mit einem Zahn versehenen Boden, in diesen Zahn greift dann, wenn der Ziegel die tiefste Stelle bei der Drehung erreicht hat, eine mechanische Vorrichtung ein, um den Ziegel aus der Form zu stoßen." (5)

Solche Maschinen liessen sich im Jahre 1826 die Baronin Garedel Geanny, im Jahre 1828 Nandot u. Comp. und im Jahre 1829 Carterean patentieren. Es rotiert also entweder eine Drehscheibe oder es drehen sich Zylinder bei der Herstellung der Erdquader, die dann gebrannt werden konnten.

"Die Maschinen, welche das Formen mittelst eines schneidenden Models bewerkstelligen, unterscheiden sich dadurch von den vorigen, daß die Erde vorläufig in Schichten von der gehörigen Dicke gebracht seyn muß, auf welche Erdschichten nun das Model mit dem gehörigen Drucke fällt, um wie ein Schneideisen zu wirken." (6)

Solche Maschinen haben Cundy im Jahre 1827 in England, die Gebrüder Bosq, Girault mit den Gebrüdern Taxil im Jahre 1828, und im Jahre 1831 Virebent in Toulouse zum Patent angemeldet.

Wenn man die Erde zermalmt und durch eine "Ziehbrett" herauszieht, entsteht entweder ein einzelner Ziegelrohling, oder ein langes Prisma, von dem sich die Ziegelrohlinge mit einem Messer oder Draht abschneiden lassen. Solche Maschinen bestehen

"entweder aus einem Kolben, welcher die Erde in kleinen Quantitäten zusammendrückt, und dergestalt preßt, daß sie durch den Schlitz des Ziehbretes zu gehen und die verlangte Form anzunehmen gezwungen wird, oder aus einem Kolben, der die Erde zu größern Massen zusammendrückt, und sie in Prismen von verlangter Form aus dem Ziehbrete bringt. In beiden Fällen muß man sich eines Messers oder Drahtes bedienen, um die Ziegel einzeln und in der verlangten Dicke loszuschneiden." (7)

Solche Maschinen sind von Hottenberg im Jahre 1807 in Petersburg und von George aus Lyon im Jahre 1828 patentiert worden. Da an die 20 Erfindungen allein aus der Biedermeierzeit bekannt sind, könnte es nützlich sein, sie in einer besseren Zusammenschau zur Diskussion zu bringen. Da allen diesen Maschinen eine Unvollkommenheit nachgesagt wird, könnte es wichtig sein, genauer zu wissen, worin sie bestand und wodurch sich die Ziegelmaschine von Terrasson Fougères auszeichnete. Von dieser Maschine wird gesagt:

"Wir erklären hier beifolgend, daß die des Hern.Terrasson Fougères, welche wir nun beschreiben werden, sich in keine der vorigen Kategorien einreihen läßt." (8)

Und zwar:

"Sie bewerkstelligt das Formen ohne Model, und schneidet 10, 20, 30 bis 40 Ziegel auf ein Mal ohne Messer oder Schneideisen." (9)

Terrasson Fougères hatte offensichtlich an einem Erfinderwettbewerb teilgenommen, den die Société d'encouragement im Jahre 1828 ausgeschrieben hatte. Mit seiner Idee schlug er alle seine Konkurrenten und erhielt die goldene Medaille. Im Jahre 1831 wurde die Erfindung der Maschine durch Patent geschützt. Sie mutet sehr modern an.

Pferde drehen ein Göpelwerk, das ein Endlosband betreibt. Mit ihm wird Erde zu einer oben offenen Trommel transportiert. In diese fällt sie hinein. Das Göpelwerk bewegt eine Achse in dieser Trommel, an der Knetmesser angebracht sind, die einerseits die angefeuchtete Erdmasse durcheinandermengen und sie zugleich nach unten pressen. Dort tritt diese Masse aus einer in der Größe verstellbaren Öffnung heraus und legt sich als langer Strang auf ein Brettstück, das auf einem Endlosband aufgelegt wird. Nahtlos werden diese Bretter aneinandergereiht, nahtlos extrudiert die Knettrommel ihren Erdstrang. An dem Endlosband sind Seitenteile befestigt, die sich zu Seitenwänden aufstellen, sobald diese Abschnitte des Endlosbandes um die äußere Walze herumgeführt sind und wieder nach oben gelangen. Die zum Strang gepreßte Erdmasse erhält durch diese Seitenteile eine erste Formgebung. Der Erdstrang auf dem weiterbewegten Brett gelangt dann unter eine Preßwalze, sodaß der Erdstrang, eingepreßt zwischen der Walze oben, dem Brett unten und den Seitenwänden des Endlosbandes, einen rechteckigen Querschnitt erhält und die Erde dabei zusammengedrückt wird, in dem Maße, wie das für die Ziegelrohlinge getan werden muß, damit sie nach dem Trocknen die richtige Konsistenz haben, um nach dem Brand gute und haltbare Backsteine zu ergeben.

Das Endlosband transportiert das Brett mit dem Erdprisma weiter. Nun verschwindet das Endlosband mit seinen Seitenteilen über eine Walze nach unten, läuft unter der Vorrichtung zurück und gelangt über die andere Walze wieder nach oben. Dabei richten sich die formgebenden Seitenteile wieder auf, während ein Ziegeleiarbeiter ein Brett nach dem anderen auf das Band legt, sodaß sich darauf der Erdstrang auflagern kann.

Die hintereinander aufgelegten Bretter bewegen derweil den Erdstrang weiter, der nach dem Durchgenag durch die Preßwalze zu einem Regulierzylinder gelangt, der sich sehr präzise einstellen läßt. Hier erhält der Erdstrang seine genaue Höhe aufgewalzt. Da der Strang dadurch etwas breiter wird, durchläuft er kurz darauf links und rechts schräg aufgespannte Schneidedrähte, die dem Erdstrang die richtige Breite geben. Doch damit nicht genug. Der Erdstrang wird nun auf dem Brett zur Glättung durch ein Ziehbrett weitergeschoben, um zugleich durch einen horizontalen Draht einen letzten sauberen Höhenschnitt zu bekommen. Nun läuft das Brett in das Schneidegerät ein und löst zugleich durch eine Kerbe unter dem Brett das Klingeln einer Glocke aus, die dem Mechanisten sagt, daß das Endlosband für den Moment des Schneidens anzuhalten ist.

Von oben wird nun ein Kasten herabgelassen, in dem viele Drähte eingespannt sind. Diese liegen als Schneidedrähte genau in den Abständen der gewünschten Ziegelhöhe. Der Erdstrang wird nun durch diese Drähte in die einzelnen Ziegelrohlinge zerschnitten und der Kasten mit den Schneidedrähten wird wieder nach oben gehoben. Dann setzt der Maschinist der Ziegelei das Endlosband wieder in Bewegung und der nächste Abschnitt des zum rechtwinkligen Prisma geformten Erdstranges rückt nach vorne in den Arbeitsbereich der Schneidemaschine.

Das Brett mit den geschnittenen Ziegelrohlingen wird angehoben und in die Stellagen geschoben, wo die Ziegelrohlinge so lange trocknen, bis sie gefahrlos gebrannt werden können. Dazu gibt es unterschiedlich große Trocknungsschuppen. Bis die Backsteinrohlinge gebrannt werden können, muß sehr viel Feuchtigkeit aus dem feuchten Rohling durch den Trocknungsprozeß entschwunden sein.

Die Drähte der Schneidevorrichtung verlaufen über Rollen, und an einem Ende dieser Drähte hängen genau dosierte Gewichte. Dies soll zu einem günstigen Verlauf des Schnittes führen, ohne daß die Erdmasse durch den Schnitt Verformungen erleidet.

Auf den ersten Blick wirkt eine solche Maschine sehr kompliziert, aber die Arbeitsabläufe sind sehr einfach und sehr intelligent organisiert. Das gesamte Gerät steht auf Rollen und kann zur Reinigung und Wartung bewegt werden.

Wenn die Erdzufuhr in die Knettrommel gut funktioniert, die Knettrommel problemlos läuft, keine Probleme mit dem Endlosband und bei der Auflegung der Bretter auftreten und die Schneidedrähte nicht reißen, dann ist es möglich, relativ viele Backsteinrohlinge pro Arbeitsschicht herzustellen. Sehr viel Handarbeit bei der Formung von Erdquadern, die vor dem Brand zur Trockung einzulagern sind, wurde durch diese Maschine ersetzt und die Produktivität der Ziegelei erhöht. Es ist immer wieder erstaunlich zu lesen, wieviel Innovation die Biedermeierzeit mit sich gebracht hat.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(5) zitiert aus: o.A.: Ueber eine Maschine zur Verfertigung der Ziegel. S.215-218; S.225-226; S.227-230 und Zeichnungen auf den Blättern CXXXIII und CXXXIV in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1837. S.216
(6)-(9) zitiert aus: o.A., wie vor, S.217

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