Sonntag, 29. November 2009

Die erste öffentliche Badeanstalt in Venedig


Im Jahre 1833 stand erstmals der Allgemeinheit in Venedig eine "Bade- und Schwimmanstalt" zur Verfügung. Der Hinweis darauf liest sich merkwürdig:

"Obgleich Venedig ganz von den Gewässern der See umgeben und damit in tausendfältigen Windungen durchkreuzt ist, so entbehrte doch jene Stadt bis zum Jahre 1833 einer allgemeinen Bade- und Schwimmanstalt." (1)

Die Einrichtung erregte solches Aufsehen, daß der Betreiber dieser Badeanstalt, Dr.Rima, der diese Einrichtung in Auftrag gegeben hatte, "von dem italienischen Institute der Künste und Wissenschaften" ausgezeichnet wurde. Er betrieb offensichtlich mehrere unterschiedliche Badeanstalten in Venedig, denn es

"werden die verschiedenen Anstalten des Herrn Rima, wie sie in Venedig bestehen, in Zeichnungen dargestellt" (2)


(kleinere schwimmende Bäder in Venedig)

Bei Auswertung des Textes vom Jahre 1836 stellte sich heraus, daß die große schwimmende Badeanstalt für Männer, kleinere Barken als Schwimmschulen für Frauen hergerichtet wurden. Es seien zunächst die kleineren Badeanstalten erläutert. Dazu wird gesagt:

"Um auch dem schönen Geschlechte diese Anstalt zugängig zu machen, wurde ein anderer, gleichfalls schwimmender Nebenbau (die Sirene benannt) hinzugefügt, wo die Damen das Schwimmen erlernen, oder darin sich üben können." (3)

Die Trennung der Geschlechter bestimmte hier als die Vorgehensweise bei dem Bau der schwimmenden Bäder.

"Die Sirene /.../ gleicht in der äußern Form einer an ihrem Rücktheile abgestumpften langen Barke. Ihre Basis bilden zwei starke Balken, die an ihrer untern Fläche mittelst Bretern zusammengefügt sind. In einer Verlängerung von 27 Fuß bilden diese Balken den Vordertheil oder Schnabel der Barke, der 7 Fuß lang ist. Unterhalb der erwähnten Balken geht in einer Tiefe von einem Fuß eine Breterwand unter die Wasserfläche, um einerseits die Badenden den Blicken der Neugierigen zu entziehen, und andererseits das Eindringen fremder Körper unmöglich zu machen." (4)

Man hat also die Sirene als kleines Damenbad gebaut, das aus einem Teil einer Barke besteht, die im Boden eine Vertiefung bekam, die als Bassin zum Baden diente. Damit niemand auf die Idee kommen kann, zu den badenden Frauen in das Bassin zu gelangen oder unter Wasser Einblick zu nehmen, wurde dieses Bassins rundum gut verschlossen.

"Der Boden des zum Baden bestimmten Behältnisses liegt etwas über 3 Fuß unter dem Wasserspiegel, ist 8 Fuß breit, steht 6 Fuß von der Decke ab, und ist eigentlich ein von Längen- und Querhölzern geformter Korb." (5)

Auf dem rückwärtigen Deck der Barke war eine Räumlichkeit errichtet worden.

"Ueber dem Gebälke des Rücktheiles erhebt sich ein 7 Fuß hohes Gemach, in das man über eine Gallerie und einen Gang gelangt, welcher zu der Stiege der Badebassins führt. Zur Seite jenes Gemaches befinden sich dann auch zwei Alkoven, die mit Vorhängen versehene Betten enthalten, und zugleich Ankleidezimmer bilden." (6)

Man hatte folglich sehr viel Bequemlichkeit für die badenden Frauen geschaffen. Es fragt sich allerdings, wer sich einen solchen Luxus leisten konnte, denn:

"Der Badeort ist in zwei Drittheilen von einer soliden Decke, oberhalb welcher 4 bis 5 Ruderer bequem arbeiten können, und in dem übrigen Drittheile von einem Tuche überspannt, das in seiner Neigung jener der unter demselben befindlichen Stiege folgt, und zu beiden Seiten befestiget ist." (7)

Das sagt, es war recht viel Personal zum Rudern vorgesehen.

Man hat das Bassin offensichtlich mit einem Zeltdach überdeckt und zugleich mehrere Fenster angeordnet, damit genügend Helligkeit zu dem Schwimmbassin gelangte. Wert gelegt wurde außerdem auf strömendes Wasser:

"Ein von 12 Schaufeln gebildetes, auf dem Schiffsschnabel angebrachtes Rad treibt dem Badeort eine von ihm künstlich geschaffene Strömung zu, falls die gewöhnliche, durch Ebbe und Fluth erzeugte, nicht hinreichend stark sein sollte." (8)

Diese Frauenbadeanstalt lag normalerweise gut vertäut neben der großen schwimmenden Badeanstalt. Sie konnte aber auch losgelöst werden und mit Ruderern und Segeleinsatz zu ausgewählten Stellen verbracht werden.

Für das intime Bad zu zweit standen Gondeln zur Verfügung, in deren Boden ebenfalls Bassins eingelassen waren. Zeltaufbauten schirmten diese Badegäste vor dem Einblick durch die Öffentlichkeit ab.

"Die Barke /.../ ist eigentlich ein elliptisch gebildeter, von einer Felze /.../ überwölbter Plattkahn /.../, in dessen Mitte der eiserne, gleichfalls mit einem Boden von Lerchenholz versehene Badebehälter /.../ befestigt ist, und der zwei verschieden tiefe Räume einschließt, damit der Badende nach Gefallen darin aufrecht stehen oder sitzen könne. Von außen ist zu beiden Seiten je ein Schaufelrad /.../ angebracht, mit welchem der Badende selbst die Gondel leiten kann, wodurch er zugleich seinen Körper einer gymnastischen, auf das Muskelsystem wohlthätig einwirkenden Uebung unterwirft." (9)

Fische und aufdringliche Personen wurden auch bei diesen Badegondeln durch eine Abschirmung um die Bassins ferngehalten.

Die große schwimmende Badeanstalt, der Kern der ganzen Unternehmung von Dr.Rima, besteht aus zwei Pontons, die mit Balken verbunden sind. Zwischen sie eingehängt sind die Bade- und Schwimmbassins. Ausreichend große Plattformen erlauben die Bewegung der Badegäste auf der schwimmenden Einrichtung.

Aus Gleichgewichtsgründen sind alle Aufbauten und die weiteren Einrichtungen symmetrisch angelegt worden. Man richte den Blick auf den Grundriß und den Schnitt durch die Badeanstalt.



(Grundriß und Schnitt der großen schwimmenden Badeanstalt)

"Zwischen dem Saale b und der Schwimmschule c liegt eine Kredenz d, in welche man aus beiden Räumen gelangt. Bei e und f sind offene Gallerien angebracht, von welchen man eine freie Aussicht genießen kann, und durch welche auch die Schwimmenden aus c ins Freie blicken können. Die Schwimmschule ist mit 14 kleinen (mit g bezeichneten) Gemächern zum Ent- und Ankleiden umgeben." (10)

Das Bassin der Schwimmschule liegt quer zwischen den Pontons und ist von Gängen umgeben worden. Den Rand dieses abgeteilten Raumes bilden Umkleidekabinen. Zur Rückseite öffnet sich die Anlage und ein Ausblick nach draußen ist ermöglicht worden. Das Wasser zum Baden dringt durch die offenen Gitter des eingetieften Bassins von außerhalb herein.

Quer liegt auch der lange Flur mit den Eingängen zu beiden Seiten der schwimmenden Badeanstalt. An den Eingängen konnten die Gondeln anlegen. Der Badegast bewegte sich durch die Eingänge zur Mitte der Plattform der Badeanstalt, wo sich eine Kredenz vor einem Saal befand, von dessen Rand ein Ausblick möglich war. An diesem breiten Saal entlang waren Baderäume angeordnet worden, mit Badekörben, die unterschiedlich tief in das Wasser abgelassen werden konnten. Man hat diese Gitterkästen aus Lerchenholz gezimmert. Über Rollen liefen Seile, welche die Gitterkästen in der eingestellten Position hielten. Am Ende jeder Reihe der Badekammern wurde ein "Konversazionszimmer" angeordnet, damit die Badegäste auch ihre Zeit mit Plaudern vertreiben konnten. In speziellen Kammern konnten sogar "Dusch-, Dampf- und Kräuterbäder" genommen werden.

"Die ganze Anstalt wird nöthigen Falls bei Nacht beleuchtet. - Zur Winterszeit wird das Gebäude in dem k.k.Arsenal aufbewahrt." (11)

Es war also für vieles Vorsorge getroffen worden. Es wird sogar eine Beheizung des Wassers geschildert:

"Zwei Oefen bei h dienen zur Erwärmung des süßen oder salzigen Wassers, das durch Röhren von Metall in die vier abgesonderten Gemächer (i), wo sich Wannen und Ruhebetten befinden, geleitet wird." (12)

Für Wannenbäder konnte man offensichtlich auch angewärmtes Wasser, süß oder salzig, bestellen.

Zu dieser Zeit, als diese allgemein zugängliche schwimmende Badeanstalt eingerichtet wurde, hatte Österreich das venezianische Gebiet beherrscht. Die Architektur der schwimmenden Badeanstalt läßt sich nur erahnen, da keine Ansichten des Bauwerkes veröffentlicht wurden. Der Schnitt zeigt, daß über den Räumlichkeiten, die überdacht wurden, flache Satteldächer vorgesehen worden waren. Es ist denkbar, daß eine klassizistische Gestaltung der symmetrischen Bauanlage gewählt worden war, um der Badeanstalt ein angenehmes und zeitgemäßes Aussehen zu geben.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1) zitiert aus: o.A.: Dr.Rima's Bade- und Schwimm-Anstalten in Venedig. S.275-276 und Zeichnungen auf Blatt LXIII in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1836. S.275
(2) siehe das Zitat im Zusammenhang mit dem gesamten Text und den Zeichnungen in: o.A., wie vor.
(3)-(4) zitiert aus: o.A., wie vor, S.275
(5)-(9) zitiert aus: o.A., wie vor, S.276
(10)-(12) zitiert aus: o.A., wie vor, S.275

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