Montag, 30. November 2009

Am Ende der Biedermeierzeit kam das Wellblech nach Berlin

Im Jahre 1852 wurde in Berlin die Fachwelt darüber informiert, daß inzwischen die Eindeckung der Dächer "mit patentirtem wellenförmigen Eisenblech" möglich ist. Man könne diese Dacheindeckung aus England beziehen. Man erhalte Blechtafeln "von 6 Fuß 3 Zoll Länge" und "2 Fuß 6 Zoll Breite". Seit dem Jahre 1846 sei der "Centner Blech" zu einem festen Preis beziehbar. Der Bezugspreis enthalte "Fracht, Spesen und Fuhrlohn". (1)

Seit dem Ende der Biedermeierzeit war also Wellblech aus England zu erhalten. In welchem Umfang es Anklang fand, ist schwierig zu wissen. Der Aufsatz, der über dieses Wellblech informiert, nennt nur eine Dacheindeckung als Beispiel. Man habe über dem "Königl.Mühlen- und Speichergebäude am Mühlendamm in Berlin" ein Dach mit diesem wellenförmigen Eisenblech eingedeckt.

Es wurden Hinweise gegeben, wie mit Wellblech eingedeckt worden ist.

"Vor der Bearbeitung wurden die Tafeln auf beiden Seiten mit einem Asphaltfirniß überstrichen, um das Rosten zu verhüten; alsdann wurden dieselben 1 Zoll von der Kante entfernt, ringsherum mit den Nietlöchern versehen, wodurch eine gegenseitige Ueberdeckung der Tafeln von 2 Zoll hergestellt wird. Jede Tafel deckt demnach nur eine Fläche von 6 Fuß 1 Zoll Länge und 2 Fuß 4 Zoll Breite." (2)

Zur Dachneigung, die gewählt werden kann, wurde gesagt:

"Die Neigung des Daches beträgt 1/7; jedoch ist eine geringere Neigung sehr wohl zulässig, da das Wasser in den vielen Rinnen des Blechs sehr schnellen Abfluß findet." (3)

In der Biedermeierzeit hatte man einen Dächerkrieg geführt. Dem Steildach wurde das Flachdach als die bessere Alternative gegenübergestellt. Das Wellblech eignete sich folglich für Dächer mit sehr geringer Neigung. Am Rande der gewellten Bleche versah man also die Bleche mit Löchern und verband sie an der höchsten Stelle der Welle mit Nieten. Man fragt sich, wie ein solcher Blechverband als Eindeckung auf der Dachkonstruktion befestigt wurde.

"Das Blech ruht unmittelbar auf den eisernen Trägern des Dachverbandes, welche ohne Sparren und Schalung, grosse Felder bis zu 15 Fuß Länge und 7 Fuß Breite bilden, und ist zu seiner Befestigung an einzelnen Stellen mit den Trägern durch Schrauben verbunden." (3)

Man benötigte also keine Sparren, nur Pfetten. Im angeführten Beispiel wird eine Eisenkonstruktion genannt. Die Wellbleche wurden an den "Trägern" aus Eisen befestigt.

Nachdem das Blech aufgebracht war, hatte man es damals "auf beiden Seiten wiederum mit Asphaltfirniß" überstrichen. Es wurde eine Empfehlung angeführt:

"Dieser Anstrich muß nach 4 bis 5 Jahren, jedoch nur auf der obern Fläche, wiederholt werden." (4)

Neben den gewellten Blechplatten, die anzuliefern waren, wurden "Nieten, Schrauben, Bankeisen, Winkelbänder, Kitt etc." aufgeführt, die vermutlich zum Lieferumfang dazu gehörten. Die Bauteile wurden zur Befestigung und guten Verbindung des Wellbleches gebraucht. Braasch, der darüber berichtete, weist am Schluß darauf hin, daß "selbst der größte Temperaturwechsel beim Zusammenziehen und Ausdehnen des Blechs" keine Schaden an dieser Dacheindeckung anrichte.

Über das frühe Wellblech ist relativ wenig bekannt. Mir sind jedoch schon neben diesem Aufsatz aus dem Jahre 1852 in der Zeitschrift für Bauwesen andere Aufsätze begegnet, in denen über den Einsatz einer anderen Art von Wellblech berichtet wird. (5) So wurde zum Beispiel das Gebäude der Gasanstalt in Perrache mit Wellblech eingedeckt. Auch bei Gebäuden für die Eisenbahnen begegnete mir das frühe Wellblech bereits. Neben dem englischen Wellblech gab es auch gewelltes Blech, das in Frankreich erdacht wurde. Man müßte sich die auffindbaren Hinweise zusammenstellen, um das Wissen systematisch aufbereiten zu können.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1) siehe dazu: Braasch: Ueber die Eindeckung mit patentirtem wellenförmigen Eisenblech. Spalten 82-84 in der Zeitschrift für Bauwesen. Berlin, 1852. Sp.82f.
(2)-(3) zitiert aus: Braasch, wie vor, Sp.83
(4) zitiert aus: Braasch, wie vor, Sp.84
(5) siehe dazu: Karl-Ludwig Diehl: Der gußeiserne Dachstuhl über der Gasanstalt Perrache bei Lyon: Wellblech als Dacheindeckung kommt in Mode. Der Aufsatz wurde
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