Mittwoch, 2. Dezember 2009

Über die verschiedenen Arten des römischen Kalkmörtels in der Biedermeierzeit

Der Architekt G.Engelhard hatte im Jahre 1839 aus Kassel einen Text an die Allgemeine Bauzeitung in Wien geschickt, der sich mit dem Bauwesen in Rom befaßt. Die Redaktion hatte dadurch die Möglichkeit erhalten, ihre Leserschaft über die Zubereitung des Kalkmörtels und den Mauerwerksbau in Italien zu informieren. (1)

Engelhard meint, die Art, wie in Rom Mörtel hergestellt werde, könne man in weiten Teilen Italiens antreffen.

"Die Materialien, welche man in dem größten Theile von Italien zum Bereiten des Mörtels gebraucht, sind in so fern von den unsrigen verschieden, als dort der Kalk ziemlich rein, d.h. mit geringer Beimischung von Thon- und Kieselerde vorkommt, und statt des Sandes die sogenannte Pozzolanerde angewendet wird. Letztere ist ein vulkanisches Produkt, das sich als lockere Masse vom feinsten Staube bis zu Stücken von der Dicke einer Faust findet und gewöhnlich von rothbrauner Farbe ist. Die Güte derselben ist sehr verschieden, und es kommt darauf mehr an, als auf die Güte des Kalkes." (2)

Engelhard beobachtete, daß an der Stelle des Sandes Pozzolanerde dem Kalk beigemischt wurde, um Mörtel zu erhalten. Die Qualität der Pozzolanerde sei sogar entscheidender für den Mörtel als der Kalk.

Während die Puzzolanerde eine lockere Masse von Staub bis hin zu größeren verfestigten Brocken daraus ist, erhalten wir von der Kalkmasse diese Beschreibung, nämlich:

"daß sie von scharfem glasigen Bruche sei (wie Bimsstein), und beim Reiben knirsche, sodann, daß sie Wasser nicht trübe, sondern darin schnell zu Boden falle, und daß sie von recht intensiver feuriger Farbe sei, was ein Zeichen ist, daß sie keine vegetabilischen Substanzen enthalte." (3)

Es wird gesagt, der Mörtel unterstütze die Arbeit den Maurer, sodaß diese nicht unbedingt gezwungen sind, genau zu arbeiten. Der Kalkmörtel sei ihnen deshalb wichtiger als die Mauersteine. Sie würden sehr großen Wert auf die genaue Zubereitung des Mörtels legen. Wie sich Puzzolanerde und Kalk zum Mörtel binden, ist so beschrieben:

"Die Puzzolanerde bildet mit dem Kalk eine an der Luft schnell erhärtende Masse, die sich hernach, selbst unter Wasser, nicht wieder auflöset." (4)

Es handelt sich also um einen hydraulischen Mörtel, dem Wasser nichts mehr anhaben kann. Man wird im deutschsprachigen Kulturraum die Italiener um ihren Kalkmörtel beneidet haben. Wie werden die Mörtel angemischt?

"Das Mischungsverhältniß derselben bestimmt sich nach der Güte der Materialien, gewöhnlich nimmt man 3 bis 3 1/2 mal soviel Pozzoloanerde als gelöschten Kalk (Grössentheile). Auch richtet sich die Mischung nach den verschiedenen Arten von Mauerwerk oder Verputz, wozu der Mörtel gebraucht werden soll; im Allgemeinen aber gilt, daß der Kalk so lange mit Pozzolanerde und Wasser versetzt wird, bis das Gemisch nicht mehr an der Schaufel hängen bleibt." (5)

Es wird deutlich, daß die Baustoffe in unterschiedlicher Qualität vorliegen konnten, worauf bei dem Mischungsverhältnis Rücksicht zu nehmen war. Eine solche Mörtelmischung setzt also Erfahrung voraus, um im Ergebnis eine möglichst gleichbleibende Qualität des Mörtels zu erhalten. Neben der Qualität der Ausgangsstoffe war die Menge der Wasserbeigabe so zu organisieren, daß sich Mörtel ergab, der sich zum Mauern gut eignete. Als Kriterium der Maurer, ob er gute Konsistenz habe, wird im Text gesagt, er habe sie dann, wenn er an der Schaufel nicht mehr kleben bleibt.

Engelhard führt sechs verschiedene Kalkmörtelarten an.

1. Calce da fondamenti

Er bestehe aus dem einfachen Gemisch von gelöschtem Kalk und Pozzolanerde, wobei er zur Pozzolanerde sagt, sie werde im rohen Zustande, also ungesiebt, verwendet.

"Dieser Mörtel wird nur zu Mauerwerk unter der Erde und zu Füll- und Gußwerk in dicken Mauern gebraucht" (6)

Man würde die gröberen Teile der Pozzolanerde, die beim Sieben durch ein Drahtsieb anfalle, in den Calce da fondamenti einmischen, was sagt, daß ein Bestreben bestand, alles angefahrene Baumaterial zu verbrauchen. Man würde diesen Mörtel mager und sehr flüssig anmachen. Der fein ausgesiebte Anteil der Pozzolanerde diente für den qualitativ anspruchvolleren Kalkmörtel.

2. Calce di muratore

Er werde zu allen "reinen Mauern" verwendet und unterscheide sich vom vorherigen Mörtel für die Fundamente nur dadurch, daß ausschließlich fein gesiebte Pozzolanerde dem Mörtel beigemischt werde. Sowohl Backstein- wie Bruchsteinmauerwerk würde mit diesem Kalkmörtel gemauert. Auf gute und genaue Mörtelmischung sei zu achten.

"Der Kalk wird zuerst mit sehr wenig Pozzolanerde gemischt und durchgearbeitet, dann wird etwas mehr Pozzolanerde zugesetzt und von neuem durchgearbeitet, und so fort, bis das gehörige Verhältniß erreicht ist." (7)

Man würde mit diesem Mörtel die Wände bewerfen, um sie roh zu verputzen. Die Bindekraft eines solchen Mörtels sei ungewöhnlich stark, was erfordere, ihn mit Wasser über etliche Tage zu nässen, damit kein zu schnelles Abbinden eintritt und Risse auftauchen. In feuchten Jahreszeiten würde dieser Mörtel am besten zu verwenden sein. Nach etwa 14 Tagen sei er so sehr gehärtet, daß ein Mauerwerksverband nur noch mit dem Meißel auseinander geschlagen werden könne.

3. Calce passata

Diese Mörtelart ist interessant. Man bereitete diesen Mörtel, wenn sehr sorgfältig zu mauern war. Verwendung fand er bei Pfeilern, sehr tragfähigen Mauern, Kaminen. Er würde auch beim Vermauern der Dachziegel genommen. Genauso sei der zweite Anwurf beim Mauerputz aus Calce passata. Woher der Name rührt, wird hierdurch deutlich:

"Calce passata ist Calce di muratore, die noch durch ein großes Sieb geworfen wird, wodurch nicht nur die zu groben Stücke der Pozzolanerde abgesondert werden, sondern auch eine innigere und gleichförmigere Vermischung des Kalkes mit der Pozzolanerde erreicht wird." (8)

Man nahm Drahtsiebe, die 1 Meter breit und 1.25 Meter hoch waren und schräg aufgestellt wurden. Es seien Drahtsiebe gewesen "mit 0,012 Met.großen Maschen". Großer Wert wurde also auf einen Kalkmörtel gelegt, der ein Sieb passierte und dadurch gleichförmigere Konsistenz annahm. Offensichtlich ließ sich damit haltbarer mauern.

4. Calce ripassata

Auch hierfür war der Calce di muratore durch ein Sieb zu geben. Um den Mörtel "fetter" zu machen, wurde er "durch ein Handsieb" gedrückt, damit "alle nicht ganz feinen Theile der Pozzolanerde" im Sieb verblieben. Man nahm dazu ein rundes Drahsieb "mit 0,005 Met. großen Maschen".

"Man braucht ihn besonders bei vielen Ziegelsteinkonstrukzionen, z.B. bei Gewölben, Thür- und Fenstergewänden, Ecken von Gebäuden, Gesimsen, zum Einmauern von irdenen Röhren u.s.w. aber überall nur in sehr dünnen Lagen, da er wegen seiner größeren Fettigkeit leichter reißt als andere Mörtel." (9)

Wenn große Werkstücke vermauert wurden oder "Ziegelsteinmauern von geschliffenen Steinen" herzustellen waren, benötigte man diesen fetten Kalkmörtel. Zum Verputzen durfte man ihn nicht nehmen, da er zu fett war. Im Mauerwerk mit sehr dünnen Fugen war er angebracht.

5. Colla

Colla ist sehr magerer Kalkmörtel. Man beachte, wie er hergestellt wurde. Auch er wurde durch Sieben gewonnen.

"Colla ist Calce ripassata, noch einmal durch ein feines Haarsieb gelassen, und hernach mit eben so fein gesiebter Pozzolanerde gemischt, um den Mörtel wieder mager zu machen, da bei dem mehrmaligen Durchsieben immer weniger Pozzolanerde darin bleibt." (10)

Das Haarsieb wird als Werkzeug grivello genannt, hat runde Form, einen Durchmesser von einem halben Meter und wurde damals aus starken Pferdehaaren geflochten. Es wird gesagt, die Maschen wären vielleicht so eng, daß 25 Pferdehaare "auf 0,01 Quad.Met. zu stehen kommen".

Man habe die Colla "zum Ausputzen der Fugen" beim Ziegelmauerwerk verwendet, wenn darauf verzichtet werden sollte, solche Mauern zu tünchen. Genauso habe man damit Gesimsgliederungen fein verputzt und auch damit die letzten Feinheiten des Wandputzes angebracht. Er sei auch "bei manchen Konstrukzionen, z.B. bei weitgespannten horizontalen Ueberwölbungen aus Ziegelsteinen" (11) in Verwendung gekommen. Dieser Hinweis auf das Wölben dürfte sehr wichtig sein. Die letzte geschilderte Kalkmörtelart ist:

6. Stucco

Er diente in der Biedermeierzeit zum Verputzen. Er wurde, "wie die Colla", einen "Messerrücken" dick aufgetragen. Unbedingt zu nehmen war er zum Glätten feiner Gliederungselemente, bei Ornamenten, usw.

"Stucco ist wie Colla, nur mit dem Unterschiede, daß, statt der feinen Pozzolanerde, feiner Marmorstaub zugesetzt wird, wodurch der Mörtel eine sehr große Festigkeit und ein schönes Ansehen bekommt" (12)

Sowohl die Colla wie der Stucco habe man mit einer sehr schmalen und kleinen Kelle aufgetragen, um den feinen Kalkmörtel "glänzend" zu verstreichen.

Es stellt sich nun die Frage, wie sich in Rom und Italien der Mörtel nach der Biedermeierzeit weiterentwickelte. Durch die Industrialisierung müssen andere Herstellungsverfahren für die Mörtel aufgekommen sein, trotzdem muß diese Tradition der Mörtelzubereitung Nachwirkungen gehabt haben, die dazu führte, daß sich das Mauern nördlich der Alpen und südlich der Alpen anders entwickelte.

Man hat vor und während der Biedermeierzeit sicherlich von der Zubereitung des hydraulischen Mörtels in Italien gelernt. Die italienischen Kalkmörtel dieser Mischung mit Puzzolanerde waren hydraulische, also wasserfeste Mörtel. Man holte sich auf Schiffen die Pozzolanerde nach Nordeuropa, wie aus biedermeierzeitlichen Texten hervorgeht. Ab wann man im nördlichen Europa von den Italienern den hydraulischen Mörtel übernahm, wäre herauszufinden. Die Geschichte der Herstellung und Verwendung von Mörteln ist wohl ein weites Feld, das wissenschaftlich zu erschliessen ist. Was davon schon durch die römischen Besatzer, also vor dem nordeuropäischen Mittelalter, nach Norden gelangte, bildet eine weitere Frage, die auf Antwort wartet.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:

(1) G.Engelhard: Bauarbeiten in Rom. S.188-195 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839
(2)-(5) zitiert aus: G.Engelhard, wie vor, S.188
(6)-(12) zitiert aus: G.Engelhard, wie vor, S.189

Die Geschichte des Mauerziegels in deutschen Landen in einem Text aus der Biedermeierzeit

In einem im Jahre 1839 veröffentlichten Aufsatz wurde der Versuch unternommen, die Geschichte des Mauerziegels nachvollziehbar zu machen. Da sich der Aufsatz an ein deutschsprachiges Publikum richtete, endet die Aufeinanderfolge der geschichtlichen Abriße in Deutschland. Zuvor war nacheinander der Gebrauch des Mauerziegels in der traditionellen Reihenfolge der Kulturentwicklungsräume zur Darstellung gebracht worden. Es begann im Zweistromland, daraufhin folgte Aegypten, das antike Griechenland und Rom. Von den nördlicheren Regionen kamen dann Hinweise zu Britannien, um schließlich mit Deutschland zu enden. Eine solche Darstellung kann uns niemals das Aufkommen des Lehmziegels und Backsteines in seiner historischen Entfaltung wirklich erläutern wollen, sondern uns wird ein ungefährer Hinweis gegeben, wie der Mauerziegel zu uns nördlich der Alpen gelangte. Wir müssen uns mit diesem Text aus der Biedermeierzeit zunächst begnügen, weil er einen frühen Versuch darstellt, die Geschichte des Mauerziegels vor Augen zu führen.

"Auch in Deutschland finden sich Spuren von Mauerwerken aus den Zeiten der Römer in hinreichender Menge, um daraus beurtheilen zu können, daß die Form und Verfertigungsweise der Mauerziegel mit der oben beschriebenen vollkommen übereinstimmt, was um so eher vorauszusetzen war, da die Deutschen die Fabrikazionsweise von den Cohorten erlernen mußten, welche bei Gelegenheit der römischen Invasionen dorthin kamen und als Wachposten u. sich dort ansiedelten." (1)

Mit den römischen Besatzungstruppen und was mit ihnen mitzog, um große Teile des nördlichen Europa unter Kultur zu nehmen, soll der Mauerziegel nach "Deutschland" gekommen sein. Die "Deutschen" hätten die "Fabrikazionsweise" der Mauerziegel von den römischen Cohorten erlernen müssen. Das kann natürlich so sein. Mit Lehm Bausteine zu formen, könnte jedoch auch schon älter sein, da Lehm beim Hausbau ein sehr lange verwendetes Material ist. Außerdem hatte das Brennen von Keramik eine sehr lange Tradition. Den Übergang vom luftgetrockneten zum gebrannten Lehmquader zu finden, könnte bereits vor der Zeit der römischen Besatzung stattgefunden haben. Es wird jedoch gemeint, der Backstein sei mit den Römern nach "Deutschland" gekommen. Aber nicht nur der:

"Auch von Terrakotten finden sich aus jener Zeit noch höchst interessante Ueberreste. Namentlich besitzt das, durch den Herrn Präsidenten von Stichauer in Speyer gegründete Antiquarium in dieser Hinsicht sehr schätzbare Gegenstände, indem man bei den Nachgrabungen in Zabern so glücklich gewesen ist, die ganze Werkstatt, nebst dem Brennofen eines römischen Töpfers aufzufinden, in welcher sich nicht allein eine große Menge der verschiedenartigsten Gefäße für die Haushaltung, - gebrannt und ungebrannt, - sondern auch die Formen erhalten haben, in welchen dieselben mit den darauf befindlichen Reliefs und Ornamenten gepreßt worden sind." (2)

Automatisch von der Auffindung eines römischen Töpferofens darauf zu schließen, daß mit solchen das Terrakottabrennen nach "Deutschland" kam, dürfte wenig Sinn machen, da zugleich danach zu suchen ist, ob nicht schon zuvor Terrakotten in den römisch besetzten Gebieten gebrannt wurden. Die Textstelle sagt aber eindringlich, daß es in der Biedermeierzeit in Speyer ein Antiquarium gab und archäologische Ausgrabungen an der Tagesordnung waren. Diese frühe Archäologie kennen zu lernen, dürfte interessant sein, da sie auch viel zur Geschichte der Bautätigkeit beigetragen haben muß.

"In den nördlicheren Theilen Deutschlands finden wir, namentlich an den Gebäuden für den Kultus, ein Ziegelmaterial von der größten Vollkommenheit, dessen Spuren bis in das neunte Jahrhundert hinauf reichen. Die Form der Ziegel, welche sich durch viele Jahrhunderte erhalten hat, ist, mit wenigen Ausnahmen, eine Länge von 12 - 13 Zoll, eine Dicke von 4 Zoll und eine Breite von 6 Zoll, doch finden sich auch hier und da Steine von größeren Dimensionen, und man hat Beispiele von gut gebrannten Ziegelplatten von 18 Zoll im Quadrate, bei einer Dicke von vier Zoll, welche sich in den Umfassungsmauern einer im eilften Jahrhunderte erbaueten Kirche befanden. Zu Gewölben bediente man sich der Ziegel von 8 Zoll im Quadrate und 3 1/2 Zoll Dicke." (3)

Es werden hier Maßangaben von Backsteinen gegeben, ohne darauf deutlich zu verweisen, daß es sich um gebrannte Lehmziegel handelt. Außerdem fehlen die genauen Hinweise darauf, wo sich solche Steine auffanden. Das trifft auch für die Backsteine zu, die für den Gewölbebau genommen wurden. Immerhin lassen sich damit erste Ideen entwickeln davon, was sich vorfand.

"Der Verband, den man zu jenen Zeiten anwendete, war keineswegs musterhaft, und beschränkte sich darauf, daß man z.B. für eine vierfüßige Mauer, die beiden Außenflächen einen Stein stark in einem, unserem jetzigen Blockverbande ähnlichen Verbande aufführte, den Zwischenraum mit Steintrümmern, großen Feldsteinen u. ausfüllte und das Ganze dann mit Kalkmörtel ausgoß." (4)

Als Zeitangaben waren bis jetzt "bis ins neunte Jahrhundert hinauf" und "zu jenen Zeiten" zu lesen. Zuvor war die römische Besatzungszeit als ungefährer Zeitrahmen genannt. Das sind sehr undeutliche Angaben, die zusammen mit den fehlenden Angaben zu den Orten, wo die Ziegel anzutreffen waren, kaum ein gutes Bild zeigen können.

Als Verband des Mauerwerkes mit Backsteinen wird eine Art Blockverband genannt, der als Backsteinmauerwerk einen Zwischenraum aus Steintrümmern umschloß, die mit Kalkmörtel vergossen waren.

"Eine sehr angenehm ins Auge fallende Mosaik bildete man in jenen Zeiten dadurch, daß man eine gewisse Anzahl von Ziegeln im Brande verschiedenfarbig glasirte, und mit der rothen Waare zugleich nach bestimmten Mustern vermauerte. Auch Dachziegel wurden so glasirt, und Ulm hat deren sehr schöne Ueberreste aus dem Mittelalter, namentlich in der Deckung eines alten Thurmes an der Donau." (5)

Der mittelalterliche Backsteingebrauch ist hier für Ulm und irgendwo anders nachgewiesen. Es wird bereits vielfarbig vermauert, um Musterungen an den Fassaden sehen zu können. Glasierungen, die von der Töpferei her bekannt waren, finden Eingang in die Backsteinproduktion. Sie fanden sich schon im frühen Zweistromland in Gebrauch. Was mit den Mauerziegeln gemacht werden konnte, fand Ausweitung auf den gebrannten Dachziegel.

"Der Gebrauch der Terrakotten im südlichen Deutschlande scheint sich in ziemlich frühe Zeiten zurück zu erstrecken, indem vor Kurzem in Wien, als, bei Gelegenheit eines unterirdischen Baues in der Nazionalbank, der Boden auf eine bedeutende Tiefe ausgehoben wurde, ein Sarg gefunden worden ist, der ganz aus diesem Materiale zusammengesetzt war, leider aber durch Unvorsichtigkeit der Arbeiter zu Grunde gegangen ist." (6)

Die Herstellung der Terrakotta scheint bereits früh zu hoher Qualität gelangt zu sein. Hier fragt es sich natürlich, was aus diesen Überresten des Terrakottasarges geworden ist, der aus Trümmern hätte zusammengesetzt werden können. Das Thema liegt jedoch etwas abseits von dem Darstellungsgegenstand Mauerziegel, verweist also nur auf hohe Herstellungstechnik, die bereits vorhanden war.

"Die damaligen Ziegel sind außerordentlich genau geformt und sehr gut durchgebrannt, und Gebäude, wie sich deren sehr viele im Königreiche Preußen, in der Altmark und Mittelmark, finden, bilden Muster, denen gleich zu kommen wir uns heut zu Tage bemühen müssen. Auch geformte Gesimssteine finden sich von großer Nettigkeit." (7)

Der Hinweis "damalig" ist natürlich wieder sehr ungenau. Er bildet mehr einen Anreiz, nach genaueren Angaben zu suchen, als daß er uns weiterhilft. Andererseits haben wir kulturräumliche Angaben, die sich auswerten lassen: Königreich Preußen, Altmark, Mittelmark. Aber auch diese Hinweise bleiben undeutlich. Daß damals eine Hochkulturphase bestanden haben muß, die daraufhin in Verfall geriet, sagt der folgende Textabschnitt:

"Die jetzige Ziegelbereitung in Deutschland ist, wiewohl dieselbe noch vor wenigen Jahrzehenden außerordentlich in Verfall gerathen war, durch die Bemühungen mehrerer Architekten und Fabrikanten bereits wieder so sehr gesteigert worden, daß sie in mehreren Provinzen die besten derartigen Arbeiten früherer Zeiten nicht allein erreicht hat, sondern dieselben theilweise weit hinter sich zurück läßt." (8)

Hier haben wir nun eine Angabe, die sehr deutlich macht, daß durch Architekten und andere eine im Verfall begriffene Backsteinherstellung, usw. wiederbelebt und zu neuer Blüte gebracht wurde. Das sollte Anlaß bieten, dem genauer nachzugehen. Glücklicherweise erhalten wir erste Hinweise.

"So sind z.B. im Königreiche Preußen durch die eben so thätige als geschmackvolle Einwirkung des geheimen Oberbaudirektors, Herrn Schinkel, und des Ofenfabrikanten, Herrn Feilner, eben so wohl vortreffliche Terrakotten und Gesimsziegel, als auch gewöhnliche Ziegelsteine geliefert worden, die nichts zu wünschen übrig lassen. In letzterer Hinsicht zeichnet sich namentlich die Ziegelei des Herrn Wenzel in Wusterhausen aus, über welche die Bauzeitung (1938, s.189 ff.) Nachrichten geliefert hat. Auch in Würtemberg ist für diese Fabrikazion viel gethan worden, und der Ziegel- und Brunnenröhrenfabrikant Herr Bihl in Waiblingen, liefert gebrannte thönerne Brunnenröhren, welche einen Wasserdruck von 300 Fuß aushalten. Die neuesten Arbeiten in München zeigen ebenfalls bedeutende Fortschritte, und die Gesimsziegel, so wie die ordinären Ziegel an den dortigen öffentlichen und Privatgebäuden, geben Zeugniß davon." (9)

Hinweise auf Schinkel, den Ofenfabrikanten Feilner, die Ziegelei des Herrn Wenzel in Wusterhausen, Herrn Bihl in Waiblingen und die Münchner Backsteinherstellung, die damals große Fortschritte machte, sind überaus nützlich. Man muß nach den vielen weiteren Hinweisen suchen, die auf den Entwicklungsgang der Backsteinherstellung verweisen, hier vielleicht übergangen wurden, weil es naheliegt, daß die Allgemeine Bauzeitung nur auf Ziegeleien verweisen will, die durch Annoncen in dieser Bauzeitschrift auf ihre Produkte verweisen. Man müßte das überprüfen. Bezogen sich diese Angaben auf Preußen und andere deutschen Provinzen, so folgen als Abschluß im Text Angaben zu Österreich:

"Nur in Oesterreich, mit Ausnahme von Grätz, ist für diesen Fabrikazionszweig noch nichts Erhebliches geschehen, ungeachtet das vortreffliche Material eine ausgezeichnete Bearbeitung gestatten würde und ohnedem sehr leicht zu gewinnen ist. Namentlich zeichnet sich Wien in dieser Hinsicht aus, trotz dem die große, dort herschende Baulust die Fabrikanten zum Fortschreiten wohl anfeuern dürfte. Es scheint aber, als wenn eben der große Bedarf an Waare, der den Käufern nicht zu wählen erlaubt, den Fabrikanten, die kaum diesem Bedarfe genügen können, weder Zeit noch Lust gönnte, zeit- und kostspielige Versuche zu machen, oder Verbesserungen in der Fabrikazion eintreten zu lassen." (10)

In Graz und Wien hatte man sich in der Biedermeierzeit offensichtlich sehr um eine Qualitätssteigerung in der Backsteinherstellung bemüht. Ansonsten scheint zu dieser Zeit wenig Entwicklungsdynamik auf diesem Industriesektor geherrscht zu haben. Es wird hier im Text gemeint, die große Nachfrage könne dazu führen, den Standard ganz allgemein anzuheben. Andererseits sei es so, daß gerade diese große Nachfrage es den Fabrikanten erlaube, auch alle minderwertige Ware loszuwerden, was sie andererseits davon abhalte, ihre Produktion zu modernisieren. Dies wird dann wohl eine wirtschaftspolitische Maßnahme gewesen sein, da das Land mit der europäischen Entwicklung mithalten mußte. Es ergeben sich also viele offene Frage, um die Geschichte der Backsteinherstellung und -verwendung im deutschen Kulturraum zu verstehen. Immerhin bietet uns der Text aus der Biedermeierzeit einen Einblick in das, auf was man in der Biedermeierzeit aufbauen konnte, um das Bauwesen in seiner Qualität und Quantität zu steigern. Die Backsteinherstellung und -verwendung gewann bereits im frühen 19.Jahrhundert an rasch zunehmender Bedeutung. Man wird sich mit dieser raschen Zunahme intensiv beschäftigen müssen.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(8) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.251
(9) zitiert aus: o.A., wie vor, S.251f.
(10) zitiert aus: o.A., wie vor, S.252

Die frühe Geschichte der Mauerziegel in England in einem Text aus der Biedermeierzeit

In der Traditionslinie der Aufeinanderfolge der kulturgeschichtlichen Entwicklungsschritte wurde in einem biedermeierzeitlichen Text die Geschichte der Mauerziegel abgehandelt. Zweistromland, Aegypten, Griechenland, Römerzeit waren die ersten vier Stationen. Nun folgt die Darlegung der Verwendung der Mauerziegel in den nördlichen europäischen Ländern, wohl um zu suggerieren, daß nun endlich auch im Norden die Schaffung einer hohen Kultur einsetzte.

"Betrachten wir neben den südlichen Ländern auch die nördlichen, so finden wir in keinem der letzteren so viele Ueberreste von Bauwerken, welche den Uebergang aus der Baukunst der Römer in die der neueren Zeit darstellen, als in England" (1)

Es wird also gemeint, England sei das Land, wo sich der Übergang von der Römerzeit zur Kulturzeit danach am besten zur Darstellung bringen lasse. Suggeriert wird, es würden sich dort wie "in keinem" anderen nördlichen europäischen Land so viele Baureste aus der Übergangszeit auffinden lassen. Es verrät sich hier sicherlich die Tatsache, daß die Redaktion in Wien ihren Aufsatz auf dem englischen Text von Turner aufbaute, der als Schriftsteller in England vermutet werden darf. Wir erfahren:

"Hier müssen wir bemerken, daß sowohl die alten Britannier, wie die Gallier, von den Römern, mit welchen sie in mannigfache Berührung kamen, die Kunst der Bereitung, sowohl der Luftsteine, als der gebrannten Ziegel, erlernten, indessen findet man aus den ersten Zeiten der Anwendung derselben keine anderen Mauern aus diesem Materiale, als die wirklich von den Römern aufgeführten." (2)

Man hat also hier zweierlei Kulturräume vor sich, den des Festlandes, wo sich heute Frankreich befindet, als auch den der britischen Inseln, die von den Römern in Teilen besetzt gewesen waren. Es wird behauptet, die Gallier und antiken Briten hätten die Kunst, Lehmziegel und Backsteine herzustellen, von den Römern erlernt. Das liesse sich dadurch aussagen, weil erst ab der Römerzeit Mauern aufzufinden sind, in denen solche Mauerziegel vorkommen. Doch seien die Römer höchst sparsam mit Mauerziegel umgegangen, denn es heißt:

"Selbst bei diesen sind jedoch die Mauersteine sehr sparsam verwendet, und man bediente sich ihrer einerseits nur zum Wölben von Bögen, andererseits um einzelne Bänder durch das ganze Mauerwerk zu ziehen, und so den anderen Baumaterialien eine innigere Verbindung zu schaffen." (3)

Es wurden somit, wohl nur Backsteine, in der britischen Römerzeit zum Wölben von Bögen und zum Mauern von Bändern genutzt. Diese Bänder faßten anderes Mauerwerk stabil zusammen und schufen eine horizontale Ausgleichsschicht. Sie sind, da man die römischen Ruinen oder überlebenden Bauten auswertete, genauer beschrieben:

"Diese Bänder bestanden aus drei und vier Schichten von Steinen, und lagen je drei und vier Fuß von einander entfernt, während der dazwischen liegende Theil der Mauer mit kleinen Steinen, Schiefer u. in Kalk gemauert war." (4)

Man hatte Bestandsaufnahmen gezeichnet und sie dem Text aus der Biedermeierzeit beigegeben. Sie zeigen Beispiele dafür aus Verulam, Colchester, Chesterford und London. Genannt ist auch ein Forscher namens Stowe, der sich dieser Aufgabe der Erforschung des römischen Mauerwerksbaus in England widmete. Man wird dessen Ausarbeitungen genauer durcharbeiten müssen, um zu ersehen, was er zusammentragen konnte.

Die Backsteinbänder wären demnach drei oder vier Backsteinschichten hoch gewesen und zwischen solchen Bändern habe es Natursteinmauerwerk von drei bis vier Fuß Höhe gegeben. Zur Kulturzeit nach der Römerzeit gibt es Hinweise:

"Bei den Sachsen und Normannen finden wir den Gebrauch der Ziegelsteine fortgesetzt, doch ist es ungewiß, ob sie dieselben neu anfertigten, oder ob sie sich nur solcher bedienten, welche sie von römischen Bauwerken hernahmen; denn meistentheils befinden sich die Gebäude aus jener Zeit, bei welchen Ziegelsteine angewendet wurden, in der Nähe von römischen Stazionen." (5)

Es liegt hier nahe, Spolien anzunehmen, die von den Sachsen und Normannen aus den römischen Bauten genommen wurden. Es könnte also sein, daß römische Ziegel bei normannischen und sächsischen Bauten der nachrömischen Zeit aufzufinden sind. Der Autor wird präziser:

"Die beiden Kirchen zu St.Albans sind unbedingt von einem und demselben Materiale aufgeführt, während die eine, die Michaelskirche, von den Sachsen im zehnten, die andere, die Abteikirche, im eilften Jahrhunderte von den Normannen erbaut wurde." (6)

Man hat Belege sowohl für die Wiederverwendung wie für eigenständig hergestellte Backsteine aus der Sachsen- und Normannenzeit. Zur Michaelskirche wird gesagt:

"In letzterer Kirche finden sich jedoch bereits besondere, zu Treppenspindeln und kleinen Säulen rund geformte Steine." (7)

Es wurden bereits Backsteine selbst gebrannt und nicht mehr Spolien entnommen. Dabei griff man zu einem Formengut, das als eigenständig aufzufassen ist.

"Aus dem Allen scheint hervor zu gehen, daß die Normannen die, zu ihren Gebäuden nöthig werdenden Steine, nicht allein noch ganz nach Art der römischen bereiteten, sondern, daß sie auch von letzteren die Kunst mit überkamen, demselben, nach den verschiedenen Zwecken, auch verschiedene Formen zu geben, wie dieß die sich kreuzenden Bögen an der Westfronte der Botolphs Priorei in Colchester aus dem siebenten Jahrhunderte deutlich zeigen." (8)

Aus kam damit in der Kulturzeit nach den Römern zu ganz eigenen Backsteinformen, die genauer bekannt werden müßten, um diese Produktionsphase der Mauerziegel zu verstehen. Gemauert wurde offensichtlich schon sehr kunstvoll mit Backsteinen, da es heißt, es seien sich kreuzende Bögen gemauert worden.

"Wie lange man sich noch der römischen Formen und Abmessungen bediente, läßt sich nicht genau bestimmen, doch finden sich schon aus den Zeiten Heinrichs I. und Edwards II. (1100 - 1307) Steine nach holländischer Art bereitet vor, und man hatte deren in verschiedenen Größen." (9)

Einerseits wurden in der Biedermeierzeit von den Wissenschaftlern römische Formen und Abmessungen der Mauerziegel in der nachrömischen Zeit Englands identifiziert, andererseits glaubte man zu wissen, es seien Steine nach "holländischer Art" vermauert worden. Der betrachtete Zeitraum der Backsteinbaukulturentwicklung umfaßt etwa 200 Jahre. Das würde bedeuten, man sah sich in der Lage, römische, frühe britannische, sächsische und normannische von Ziegeln nach holländischer Art zu unterscheiden.

"Bei der, zu Edwards II. Zeit, um das Jahr 1310 erbauten Priorei von Ely, hatte man Steine von 12 Zoll Länge, 6 Zoll Breite und 3 Zoll Dicke, und andere von 10 Länge, 5 Zoll Breite und 2 Zoll Dicke." (10)

Neben den Abmessungen dieser Backsteine gibt es aber noch einen anderen interessanten Hinweis.

"Damals bauete ein reicher Kaufmann in Hull, Michael de la Pole das erste, ganz aus Ziegelsteinen bestehende Haus." (11)

Hier fragt es sich natürlich, da das Jahr 1310 im Zusammenhang mit dieser Angabe steht, wieso behauptet werden kann, dieses Haus in Hull sei das erste Haus ganz aus Backsteinen gewesen. Wird es so in schriftlichen Quellen genannt, oder hat es sich als solches im Laufe der Zeiten mit dieser Charakterisierung in die erhalten gebliebenen Texte eingeschlichen? Oder beruht dies auf archäologischen Untersuchungen, die ergaben, ein früheres Gebäude ganz aus Backsteinen konnte bislang in England nicht nachgewiesen werden? Der biedermeierzeitliche Text will uns das nicht verraten. Es gibt jedoch bis in die Biedermeierzeit hinreichende Angaben über die Mauerwerksarten, bei denen sich Backsteine auffinden lassen.

"Die in jener Zeit am meisten gebräuchliche Art war die /.../, wo man auf einem Fundamente von Bruchsteinen oder Schiefer, Pfeiler von regelmäßig gelegten Backsteinen aufführte, und die Zwischenräume mit Kieselsteinen oder zerschlagenen schwarzen Feuersteinen auslegte, deren Fugen man rautenförmig anordnete." (12)

Das diagonale Fugenbild der Pfeiler hob sich dabei deutlich von dem übrigen Mauerwerk, das horizontal geschichtet war und aus Natursteinplatten bestand, ab. Warum man in den diagonalen Fugen in die Zwischenräume zerschlagene schwarze Feuersteine einlegte, bleibt unklar. Es könnte dekorative Gründe gehabt haben, falls diese Schwärze zu sehen war. Es muß jedoch beim Mauern auf jeden Fall um eine neue Ästhetik des Anblicks gegangen sein, mit der nach Regelmäßigkeit gestrebt wurde, die als schöner empfunden wurde, denn es heißt:

"Mit einer vollendeteren Konstruktionsart der Gebäude, und mit dem immer allgemeiner werdenden Gebrauche der Mauersteine, verloren auch die letzteren immer mehr ihre ursprüngliche Unregelmäßigkeit, und gegen das Ende der Regierung Heinrichs VII. (1505) und am Beginne der Heinrichs VIII. fingen auch die Landsitze an, allmälig ihr burgähnliches Ansehen zu verändern, während sie jedoch immer noch genug von ihren Eigenthümlichkeiten beibehielten." (13)

Nicht nur der burgähnliche, also wehrhafte und düster wirkende Anblick der Landsitze ging verloren, sondern es wurde auch ein eher heiteres und regelmäßiges Mauerwerk aufgeführt, wird dieser Hinweis aussagen wollen. Der allgemeiner werdende Gebrauch von Mauersteinen soll wohl auf Backsteine hinweisen, oder es sind auch quaderförmig zugehauene Natursteine damit gemeint, was auch sehr viel mehr Regelmäßigkeit bringen würde, wenn das mit Regelmaß geschieht. Man darf jedoch hier seiner Phantasie keinen freien Lauf lassen und orientiert sich besser an den nachgewiesenen Bauten dieser Kulturepoche.

"Layer-Marney-Hall, welches um diese Zeit in der Grafschaft Essex gebaut wurde, gibt hiervon ein vortreffliches Beispiel. Schachbretförmig mit Feuersteinen ausgelegte Felder oder diagonal angeordnete Linien von dunkel gebrannten Backsteinen wurden zwischen den gerade gemauerten Pfeilern jetzt häufig angewendet /.../ und im Jahre 1530 erbaute der Maler Hans Holbein ein Thor von White-Hall, gerade gegenüber von Banqueting-House, in dieser Art, mit schachbretförmig geordneten Backsteinen, Sandstein und schwarzen Feuersteinen, und verzierte dasselbe mit Büsten, welche in Blenden standen. Gebäude von dunkelrothen Backsteinen, Fenstergewände aus Ziegelmasse, und während der Regierung der Königinnen Maria und Elisabeth (1553 - 1558) Ornamente in römischem Style aus demselben Materiale, welche die Fronten der Gebäude und die Kamine zierten, und zur Zeit Jakobs I. (1603) in mannigfache phantastische Schnörkeleien ausarteten, bilden den Charakter jener Zeitperiode, wurden aber kurz nachher ganz wieder bei Seite gelegt." (14)

Man sieht hier allerlei Blendwerk gemauert, das Muster unterschiedlicher Art an der Fassade erzeugte. Sehen wir, was dahintersteckt:

"Im Allgemeinen wurde in jener Zeit schlecht gemauert, und die Wände bestanden meistens nur aus zwei dünnen Schalen von Backsteinmauerwerk, zwischen welchen der Raum mit Schutt und Torf ausgefüllt war." (15)

Das liest sich seltsam. Sollte von niemandem mehr auf gute Qualität geachtet worden sein, nur um außen eine gute Zier sehen zu können? Vermutlich war das nicht so. Ein Gegenbeispiel wird angeführt:

"Inigo Jones führte indessen eine bessere Bauart ein, und Sir Richard Crispe, der Freund König Karls I., soll der Erfinder der jetzt gebräuchlichen sein." (16)

Jetzt gebräuchlich will sagen: in der Biedermeierzeit.

Man mauerte also ab Inigo Jones wieder solider. Der englische Verband ist eingeführt und wird als wohl durchdacht bezeichnet:

"Der in jener Zeit allgemein angewendete Verband der Backsteine, unter dem Namen englischer Verband bekannt, war gewiß wohl durchdacht, wie dieß manche, damals mit Sorgfalt aufgeführte Bauwerke beweisen. Zur Zeit der Regierung König Jakobs aber, und lange hernach noch, wurde man höchst nachlässig in Ausführung der Backsteinmauern, und wenn wir auch zugeben wollen, daß man in den Tagen des Inigo Jones besser mauerte, so wollte man doch die Vortheile der massiven Bauart vor dem damals sehr gebräuchlichen Holzbaue nicht zugeben, und erst zur Zeit Jakobs I. finden wir ein Edikt vom 1.März 1605, worin der Bau aus Sand- und Backstein ausdrücklich für alle neu aufzuführenden Häuser angeordnet wird." (17)

Man muß sich hier ein Zeitgerüst schaffen und die Angaben mit Beispielen genau belegen, um das besser zu verstehen. Da wir uns mit dem Text in der Biedermeierzeit befinden, fragt es sich natürlich, was in späterer Zeit dazu ausformuliert wurde, denn die Gebäudeforschung wird wesentlich mehr erbracht haben müssen. Wir haben also hier nur spärliche biedermeierzeitliche Angaben vor uns.

Deutlich wurde, daß Massivbau und Holzbau miteinander konkurrierten. Mischformen ergaben sich auch. Jedoch werden die Vorschriften darauf aus gewesen sein müssen, Stadtbrände zu verhindern, was sich zugunsten des Mauerwerksbaues auswirkte. Im frühen 17.Jahrhundert kommt es zu Verschärfungen.

"In Folge mehrerer, bei der Sternkammer verhandelter, demselben entgegenstehender Fälle, erschien ein Verschärfungsedikt vom 10.Oktober 1607, und 1614 endlich der strenge Befehl an alle Behörden, auf Befolgung jener Edikte auf das Schärffste zu halten. Doch erst nach der großen Feuersbrunst in London wurde der Massivbau dort allgemein angenommen, und in die Zeit Christopher Wrens und seiner nächsten Nachfolger fällt die Ausführung jener Beispiele von Nettigkeit der Arbeit und des Materiales, welche noch heute eine Zierde vieler Gebäude in der Stadt sind, und bei welchen man den holländischen Verband angewendet sieht." (18)

Stadtbrände führen also zur Akzeptanz des Massivbaues. Die Massivbauten nehmen nun zu, und zwar in rasch wachsenden Zahlen. Im Jahre 1682 sollen nach Stow in London bereits 84.000 massive Häuser vorhanden gewesen sein. Im Jahre 1831 waren es mehr als doppelt so viele.

"Im Jahre 1834 wurden 1180 Millionen Ziegeln versteuert, und im Jahre 1835 betrug der Steuersatz für die verbrauchten Ziegel nicht weniger als 395030 Pfd.Sterl. 7 Schill. 8 1/4 Pence." (19)

Was uns sagt, daß der Massivbau sich durchgesetzt hat, und für den Bau der Gebäude der quaderförmige Backstein das weitaus übliche Material wurde.

Die Bedeutung des Backsteins wuchs also mit großer Geschwindigkeit, wie sich dem Abschnitt entnehmen läßt, der die Entwicklung des Mauerwerksbaus in England seit der Römerzeit zusammenfaßt. Man darf annehmen, daß ab dem 19.Jahrhundert der Umfang des Backsteinmauerwerks in England rapide zunehmen wird. Es schien auf, daß ein Mauerwerksverband aufkam, der als englischer Verband bezeichnet wird. Es ist sicherlich angebracht, alle diese Mauerwerksverbände etwas genauer zu untersuchen, um den englischen Mauerwerksbau in seiner geschichtlichen Entwicklung zu verstehen. Wir erhielten mit diesem Text vom Jahre 1839 nur ungefähre Grundlinien der Entwicklung in England zur Darstellung gebracht, müßten uns also darum bemühen, neuere Literatur auszuwerten, damit sich das Bild abrundet.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(8) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.249
(9)-(18) zitiert aus: o.A., wie vor, S.250
(19) zitiert aus: o.A., wie vor, S.250f.

Hinweise aus der Biedermeierzeit auf den Gebrauch der Mauerziegel im römischen Staat

Der im Jahre 1839 geschriebene Versuch einer Produktions- und Verwendungsgeschichte des "Mauerziegels" läßt sich auswerten, um Anhaltspunkte zu gewinnen, wie zu dieser Zeit die Herkunft des Lehmsteines und Backsteines reflektiert wurde. Der Autor baute in seinem historischen Exkurs die geschichtliche Entwicklung in dieser Reihenfolge auf: er beginnt im Zweistromland und wendet sich nacheinander der Verwendung des Mauerziegels in Aegypten und dem antiken Griechenland zu, um schließlich seine Verwendung im römischen Reich vorzustellen. Zu dieser Zeit galt Pompeji als die umfassendste Quelle, um die Römerzeit vor sich aufleben lassen zu können.

"In der unglücklichen Stadt Pompeji, wo man so vieles in Bezug auf die Baukunst und die Künste im Allgemeinen Bezügliche entdeckte, und welche in der That den Schlußring unserer fortgeschrittenen Kenntnisse von den Sitten der Griechen und Römer bildet, war der Gebrauch der Backsteine durch die dort vorhandenen Baumaterialien als nothwendig und nützlich bedingt, da nicht allein die Natur des Bodens für die Anfertigung derselben vorzüglich geeignet erschien, sondern indem auch die Anwendung der Backsteine in der Konstrukzion ihrer Mauern und Gebäude allgemein und unvermeidlich eingeführt werden mußte." (1)

Pompeji ging bekanntlich im Ascheregen des nahegelegenen Vulkans unter. Hier wird nun gesagt, daß zur Herstellung der Mauerziegel in Pompeji gute Bedingungen herrschten, also bevor der Ascheregen niederging. Die luftgetrockneten Lehmziegel scheinen nicht verbaut worden zu sein, sondern nur der Backstein. Man brauchte sie regelrecht:

"Die gebrannten Steine wurden nämlich erfordert, um mit ihnen einen Verband zwischen den unförmlichen Steinstücken, aus welchen die Bewohner ihre Wände zum großen Theile ausführten, herzustellen, oder sie mußten den Gebäuden, welche von viereckig behauenen, vulkanischen Steinen, Eisenschlacken oder Tuffstein erbaut waren, die nöthige Festigkeit geben." (2)

Dazu will man natürlich mehr wissen. Hingewiesen wird auf ein Mauerwerk aus "unförmlichen Steinstücken", die durch Backsteine zusammengehalten wurden. Wie soll man sich das vorstellen? Der Text sagt dazu noch zu wenig. Andererseits seien Quader aus vulkanischen Steinen in Verwendung gewesen, aber auch bei einem solchen Mauerwerk habe man mit Backsteinen mehr Stabilität erreichen können. Ob das so stimmt, ist die Frage.

"Es sind in der That nur wenige Gebäude jener Stadt, bei welchen man sich der Backsteine nicht bedient hätte, und das Auge des Reisenden, welcher das Forum betritt, wird durch die hohen dunklen Massen der Gebäude angezogen, welche mit den grünenden Bergen hinter denselben und den ringsumher stehenden Gebäuden aus Kalkstein einen wunderbaren Kontrast bilden." (3)

Das sagt nun, es habe einen sehr ausgedehnten Mauerwerksbau mit Backsteinen in Pompeji gegeben. Daß sich dunkle Massen von Gebäuden vor der grünen Vegetation abheben, sagt jedoch nichts darüber, wie die Gebäude zuvor aussahen, bevor der Ascheregen niederging. Es scheinen aber den Betrachter Kalksteinfassaden in Pompeji zu beeindrucken. Da zuvor nur Backsteine, Gesteinsschutt und Quader aus Eisenschlacken und Tuff erwähnt wurden, kommt dieser Hinweis etwas überraschend. Ob diese Kalksteine als Verblender gemauert wurden oder ein Vollmauerwerk bilden, bleibt ungewiß. Doch nun zu den Backsteinen, dem Mörtel und dem Mauerwerksverband:

"Die Backsteine sind hier durch einen Mörtel aus Puzzuolane mit einander verbunden, welcher jedoch bei einigen Gebäuden sehr schlecht ist. Die Dicke der Wände der Gebäude übersteigt selten 18 Zoll, ist aber oft geringer, und oft hat es den Anschein, als dankten diese Wände ihre Erhaltung mehr dem Stucke, mit welchem sie überzogen sind, als dem Mörtel, welcher bei ihrer Erbauung angewendet wurde." (4)

Hier wird nun eine Kuriosität angeführt, nämlich die Vermutung, das Backsteinmauerwerk werde wohl mehr durch den aufgebrachten Stuck zusammengehalten als durch den schlechten Mörtel. Eingangs war jedoch ausformuliert worden, das in Pompeji ausgeführte Mauerwerk habe den Backstein geradezu erfordert, damit stabile Wände zustande kommen konnten. In welchem Verhältnis solides Backsteinmauerwerk zu instabilen Backsteinmauern aufgefunden worden waren, läßt sich dem Text natürlich nicht entnehmen. Es muß jedoch auch sehr kunstvoll mit Backsteinen gemauert worden sein, was hierdurch bezeugt ist:

"Das Dach der Basilika oder des Gerichtshofes, des größten Gebäudes in Pompeji, wurde durch ein Peristyl von 28 jonischen Säulen getragen, welche auf eine höchst merkwürdige Weise aus Backsteinen konstruiert gewesen sind, die so geformt waren, daß sie die Kannelirungen der Säulen bildeten, die dann nur noch einen Ueberzug aus Zement erhielten, der ihnen die vollständige Form gab." (5)

Solche Formziegel herzustellen und kunstvoll zu Säulen zu vermauern, spricht wohl eher für eine hohe Mauerwerkskunst, die in Pompeji angewandt worden war. Man wird folglich davon auszugehen haben, daß bei Gebäuden aus Backsteinmauerwerk der Hierarchie der Gebäudearten in einer Gesellschaft, den unterschiedlichen sozialen Schichten gemäß, und geschieden nach privaten und öffentlichen Gebäuden, eine unterscheidbare Qualität des Mauerwerksbaus anzutreffen war.

Aber auch "Luftsteine" waren in Gebrauch, wie sich schließlich herausstellte, sogar sehr häufig:

"Betrachten wir die Ueberreste der >>goldenen Palläste und der düsteren Thürme<< an der alten Roma, so finden wir dieselben meistens mit jenem Materiale aufgeführt, und sowohl gebrannte Ziegel, als Luftsteine, doch die letzteren häufiger, angewendet." (6)

Was mag wohl diese Formulierung "an der alten Roma" bedeuten?

Im Aufsatz werden nun Hinweise auf die verschiedenen Arten der Ziegel bei den Römern gegeben. Diese Hinweise sind einerseits interessant, andererseits ergeben sie wohl kaum die Möglichkeit, darüber zu erschließen, wie der baugeschichtliche Werdegang der Ziegelherstellung, die Auffaltung der Ziegelformen im Laufe der Kulturentwicklung, und die Arten des Mauerwerksbau historisch aufeinander folgten und wo sie nebeneinander bestanden. Immerhin sind es Hinweise:

"Es waren bei den Römern verschiedene Arten der Ziegel gebräuchlich, deren eine man Bipeda nannte, weil sie zwei römische Fuß lang waren; eine andere Art, Didoron, war 6 Zoll breit und einen Fuß lang. Nach Plinius waren die am meisten angewendeten Steine anderthalb Fuß lang und einen Fuß breit, eine Größe, welche auch mit den Angaben Vitruv's übereinstimmt. Alberti hingegen erzählt, daß er an vielen römischen Gebäuden, namentlich an Brücken, Bögen u., Ziegel gefunden habe, welche 2 Fuß im Quadrate hatten." (7)

Plinius, Vitruv und Alberti wurden also ausgewertet. Dadurch haben wir Angaben aus unterschiedlichen Zeiten, auch aus einer solchen Zeit, als das römische Reich untergegangen war und Bestandsaufnahmen der Ruinen gemacht wurden.

Unterschieden werden Bipeda und Didoron als geformte Ziegelgrößen. Bestandsaufnahmen der Ruinen ergaben eine größere Vielfalt. Man wird darauf zu achten haben, bei welchen Gebäudetypen welche Ziegel zum Einsatz kamen. Von Alberti gibt es weitere Angaben:

"Anderswo fügt er hinzu, daß bei verschiedenen Bauwerken, z.B. an der appischen Straße, man sehr verschiedene Arten von Backsteinen, einige kleiner, andere dicker, angewendet habe, und daß er deren gesehen habe, welche nur 6 Zoll lang, 3 Zoll breit und einen Zoll dick gewesen wären. Diese fanden jedoch nur bei den Fußböden und Fußwegen Anwendung." (8)

Die Variationsbreite der Backsteinformate war also grösser. Gebrannte Ziegel dienten jedoch genauso für den Wegebau und als Fußbodenbelag, wodurch diese Backsteine aus dem Zuordnungssystem "Mauerziegel" herauszunehmen sind, wenn man damit Kunststeine benennt, mit denen Mauern gemauert wurden.

"Uebrigens machten die Römer die Backsteine auch in anderer als viereckiger Form." (9)

Alberti erklärt die dreieckigen Backsteine:

"Alberti gibt die Art an, wie sie bei Verfertigung der dreieckigen Steine zu Werke gingen. Zuerst, sagt er, machten sie einen großen Stein, dessen Seitenflächen einen Fuß lang waren, und dessen Dicke anderthalb Zoll betrug. Sobald derselbe halb trocken war, zogen sie über ihn zwei Schnitte nach den Diagonalen, wodurch jener Stein in vier gleich große Dreiecke getheilt wurde, denen zu Folge nach dem Brande der Stein, durch einen Schlag, in vier kleinere getheilt werden konnte." (10)

Man scheint den Dreiecksformaten angesehen zu haben, wie sie hergestellt und nach dem Brand auseinander geteilt wurden, als Alberti Bestandsaufnahmen unternahm. Alberti meint, solche Dreicksformate brachten Vorteile:

"Einmal kosteten sie weniger Thon, ferner ließen sie sich im Ofen sehr vortheilhaft aufstellen, und waren überhaupt leichter zu handhaben, indem der Arbeiter deren vier in Eins aufnahm und sie erst bei der Arbeit nach Erforderniß theilte. Nach der Vollendung sah die Mauer aus, als hätte man dieselbe durchaus mit fußlangen Steinen ausgeführt. Man sieht viele dieser Steine in Rom angewendet, namentlich bei Gebäuden aus der Zeit des Kaisers Aurelian." (11)

Dreieckige Backsteine waren also Verblender. Da im Text Hinweise gegeben werden, an welchen Bauten sie aufgefunden worden waren, lassen sie sich zeitlich einordnen. Der Autor aus der Biedermeierzeit meint, man habe sehr viele solcher Dreicksformate in der Kaiserzeit Aurelians vermauert.

Ein anderer Autor, Hope, dem nachzugehen ist, stieß auf rautenförmige Backsteine der Römerzeit:

"Hope erzählt auch von rautenförmigen Ziegeln und von solchen, welche zwar regelmäßig geformt, aber noch feucht nach gewissen Krümmungen ausgeschnitten worden wären, so daß dieselben nach der Vermauerung architektonische Ornamente gebildet hätten." (12)

Solche Steine sind Zier an der Außenfläche des Mauerwerks. Dieses Blendwerk fällt als Backstein auch oft unter Terrakotta.

"Diese, in das Gebiet der Terrakottenverfertigung schlagenden Arbeiten, sind jedoch keineswegs damals erst bei den Römern erfunden, sondern die aus dieser Zeit auf uns gekommenen derartigen Ueberreste sind eigentlich schon Zeugnisse von dem Verfalle dieser Kunst, welche bereits Jahrhunderte vorher bei den Griechen in ihrer höchsten Blüte stand, wie die von dort her auf uns gekommenen Denkmäler /.../ zur Genüge beweisen." (13)

Man wundert sich, wieso sich diese Angaben nicht bei der Erörterung des Backsteines im antiken Griechenland auffinden lassen und erst hier gegeben werden. Wichtig ist im biedermeierzeitlichen Text der Hinweis, daß schon in der Römerzeit Hohlräume in die Ziegel gemacht wurden.

"In den Steinen von größeren Abmessungen findet man Aushölungen, welche angebracht wurden, um eine bessere Austrocknung und Durchbrennung des Steines möglich zu machen." (14)

Vieles mutet so an, wie wir es auch in unseren Zeiten noch erleben. Andererseits muß diese Art, wie in der Antike die Backsteine hergestellt, gebrannt und vermauert wurden, auf die Jahrhunderte danach Einfluß gehabt haben. Man fragt sich, wo ganz direkte Übernahmen stattfanden, denn sowohl die antiken schriftlichen Zeugnisse wie die Bestandsaufnahmen antiker Ruinen hatten Einfluß auf das spätere, über Jahrhunderte entwickelte, Bauwesen. Wie das im biedermeierzeitlichen Text ausgebreitet wird, muß sich zeigen.

Die Angaben zu den gemauerten Wänden in Rom wirken auf den Leser eigenartig. Der Aufsatzschreiber schrieb:

"Die Höhe und Dicke der Wände in Rom war seit ältester Zeit bestimmt, und alle wurden nach gesetzlich festgestelltem Maße erbaut. Vitruv sagt, daß keine Mauer, welche nach der Straße zu stand, stärker als anderthalb Fuß gewesen sei, und Julius Cäsar befahl, in der Folge der vielen, durch nachlässige Fundamentirung herbeigeführten, Unglücksfälle, daß kein Haus mehr als ein Geschoß erhalten solle. Augustus betrachtete es als einen Lobspruch, den man seiner Regierung zollen müsse, daß er ein Rom von Ziegelsteinen gefunden habe, und dasselbe von Marmor hinterließ." (15)

Solche Angaben wirken wie Strohhalme, die der Autor ergriff, um mit solchen Angaben etwas zu wuchern. Sie geben nur Angaben, die hier und dort zutreffen, und für einen gewissen Zeitraum und für bestimmte Orte gelten können.

Man steht also als Leser vor einem großen Problem. Die Marginalien zum "Mauerziegel" schaffen einige Assoziationsfelder zum Lehmziegel und Backstein. Zugleich lassen sie erahnen, daß uns heute, genauso wie in der Biedermeierzeit, ein guter Einblick in die Geschichte des Mauerziegels fehlen wird. Stichprobenartig wurde in der Biedermeierzeit das herausgepickt, was uns etwas über den Lehmziegel und Backstein sagen kann. Wir erfahren dürftige Hinweise auf den Mörtel und den Mauerwerksbau. Hier und da eingestreut sind Hinweise auf die Herstellung der Mauerziegel. Damals, wie heute, wird man sich bessere Hinweise auf die Arten der Mauerziegel gewünscht haben, und auch darauf, was mit ihnen gemauert wurde.

Bei dem Mauerziegel handelt es sich in der Regel um einen Kunststein im Quaderformat. Das Wort Ziegel selbst verweist eigentlich auf eine Dacheindeckungsplatte. Man übernahm das Wort auch in den Mauerwerksbau, um die kleinen und in der Regel quaderförmigen Kunststeine damit zu bezeichnen. Deswegen wurde vom Mauerziegel gesprochen. Lange Zeit mag die Bezeichnung sowohl für die luftgetrockneten Lehmziegel wie die Backsteine gegolten haben. Man ging jedoch hin und stellte auch Tuffsteine im Quaderformat der Backsteine her, weil dieses Format für den Mauerwerksbau sehr handlich und gut im Verband zu vermauern war. In Korea und anderswo wurde auch anderer Naturstein im Backsteinformat vermauert. Das Backsteinformat diente auch dazu Betonsteine, Bimssteine und andere Kunststeine herzustellen. Auch auf solche backsteinformatigen Kunststeine wurde die Bezeichnung Mauerziegel anwendbar. Ab wann solche Benennungen auftauchen, müßte herausgefunden werden. Es könnte sein, daß dieser Benennungsvorgang erst nach dem Erscheinungsdatum dieses biedermeierzeitlichen Aufsatzes einsetzte. Aber dies bleibt ungewiß, da bereits in der Biedermeierzeit und wahrscheinlich auch davor mit backsteinformatigen Kunststeinen aus anderen Baustoffen experimetiert wurde. Man wird also der Benennungsgeschichte dieser kleinen Kunststeine nachzugehen haben, um das Thema "Mauerziegel" etwas besser abrunden zu können.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(5) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.245
(6)-(13) zitiert aus: o.A., wie vor, S.246
(14)-(15) zitiert aus: o.A., wie vor, S.249

Hinweise auf den Mauerziegel im antiken Griechenland in einem Text aus der Biedermeierzeit

Dem antiken Griechenland wird nachgesagt, eine sehr hochstehende Baukunst hervorgebracht zu haben. Widmet man sich den Baustoffen, mit denen aufgebaut wurde, stößt man natürlich auch auf den Mauerziegel, der in Form des an der Luft getrockneten Lehmsteines oder als Backstein in der Antike Verwendung fand. Was in der Biedermeierzeit über die Verwendung dieses Mauerziegels im antiken Griechenland bekannt war, läßt sich in etwa aus einem Text erschließen, der einen biedermeierzeitlichen Versuch darstellt, die Geschichte des Mauerziegels abzuhandeln. Es findet sich darin folgender Exkurs:

"Verfolgen wir unseren Gegenstand auf klassischerem Boden, nach Griechenland, wo, wie der Dichter singt, die Götter selbst erschienen, so finden wir, daß dieses Land ein Baumaterial hervorbringt, welches die baulichen Zwecke mit einer so großen Masse von Aushilfen unterstützt, daß man fast nur aus Sandstein oder Marmor bauete. Nichts desto weniger war das Ziegelmaterial dennoch bei den griechischen Gebäuden nicht ganz ausgeschlossen." (1)

Sandstein und Marmor seien vorrangig in Verwendung gewesen, sagt uns diese Textstelle, die umso fragwürdiger ist, weil vermutlich niemals eine Bestandsaufnahme der antiken Siedlungsareale unternommen wurde, um damit eine statistische Auswertung zu verbinden, welche hätte Hinweise geben können, in welchem Umfang die jeweiligen Baustoffe wirklich verwendet wurden. Vermutlich ließ man sich von den vorrangig untersuchten Gebäuden hoher Baukunst leiten und schloß leichtsinnig auf das Ganze. Dem Ziegel, wenn er bei solchen Bauten angetroffen wurde, kam offensichtlich die Funktion des Hintermauerwerkes zu, denn es heißt:

"Hier aber finden wir, daß man die Mauersteine nicht so anwendete, daß sie dem Auge einen wohltuenden Anblick gewähren sollten, sondern daß sie nur als Hilfsmaterial zu Hervorbringung eines besseren Verbandes verwendet wurden." (2)

Dies ließ sich wohl in den Bauruinen hochstehender Bauten ersehen. Man konnte jedoch auch auf schriftliche Zeugnisse der Antike zurückgreifen, die uns andererseits nur ausschnitthaft und vielleicht sehr einseitig oder sogar ganz falsch das Bauwesen der Vergangenheit erklären.

"Vitruv erzählt uns, daß die Griechen drei Arten von Backsteinen hatten, von denen jedoch nur zwei zu öffentlichen Bauten benutzt wurden. Jede Art hatte auch halbe Steine, und bei der Verwendung wurden die Steine so gelegt, daß man an den äußeren Seiten nur die ganzen Längen der Steine sah, wobei die obere Schicht allemal die untere überband." (3)

Diese Textstelle will uns auf Mauerwerksverbände und die dazu nötigen Mauerziegel hinweisen, ohne daß dadurch genauer klar würde, wodurch sie sich unterschieden. Zusätzlich findet sich im Text noch ein Hinweis auf die Qualitätsprüfung der Mauersteine, die jedoch etwas seltsam anmutet:

"Uebrigens waren die Griechen so sehr darauf bedacht, vollkommen erprobtes Baumaterial zu haben, daß, nach dem Zeugnisse Vitruv's, die Einwohner von Utica zu ihren Gebäuden keine anderen Steine verwendeten, als solche, welche mindestens fünf Jahre alt und durch eine obrigkeitliche Person als gut erkannt worden waren. Ein Beispiel der Anwendung derselben gibt er in der Stadtmauer von Athen, welche gegen den Hymettus und Penthelicus hin liegt, und in den Tempeln des Jupiter und Herkules, deren Zella von Mauersteinen aufgeführt war." (4)

Man fragt sich beim Lesen dieser Zeilen, wie glaubhaft das sein kann. Es kommen große Zweifel. Andererseits sagt uns das Wort "Mauerstein" nichts über den genauen Baustoff und in welcher Form er vorlag. Man wird sich hier an die genannten gemauerten Objekte selbst halten müssen, die im Text erwähnt werden.

Kritik kommt nun vom biedermeierzeitlichen Autor selbst. Es wurde ihm immer deutlicher bewußt, auf wie schwachen Füßen eine Geschichte des Mauerziegels stehen muß, da die Angaben viel zu gering sind, mit denen gearbeitet werden muß:

"Der Ueberreste von Mauern und ganzen Gebäuden in Griechenland, welche auf diese Art mit künstlichen Steinen erbaut wurden, sind heut zu Tage so wenige, und die Gelehrten, welche dieselben sahen, haben sie so oberflächlich beschrieben, daß es immer noch zweifelhaft ist, ob die dazu verwendeten Steine nur getrocknet, ob sie im Ofen gebrannt waren, oder ob man sich beider Arten gleichzeitig, wie man dieß in Persien, Aegypten und anderen Ländern that, bediente." (5)

Hier wird uns nun überdeutlich, was es bedeutete, wenn in der Biedermeierzeit eine Geschichte der Mauerziegel gewagt wurde. Die sogenannten Gelehrten haben bei ihren Forschungen eine so große Oberflächlichkeit der Untersuchungen an den Tag gelegt, daß eine Auswertung des Materials fast wertlos erscheint. Da nützt auch die Auswertung schriftlicher Quellen aus der Antike wenig, weil diese Angaben offensichtlich noch nicht vor Ort geprüft wurden. Man wird den Arten der Mauerziegel und den Mauerziegelverbänden genauer nachgehen müssen. Im Text steht:

"Vitruv sagt in dem Kapitel, wo er von diesem Baumaterial spricht, zwar nicht ausdrücklich, daß die Steine gebrannt worden wären, indessen müssen wir es aus seinen Wendungen schließen." (6)

Eine solche Textstelle ist umwerfend komisch. Vitruv, der für viele als schriftliche Quelle dienen muß, weil sonst kaum irgendwelche da zu sein scheinen, differenziert nicht, ob mit gebrannten oder ungebrannten Mauerziegeln gebaut wurde. Nun meint der Geschichtsschreiber des Mauerziegels aus der Biedermeierzeit, man könne trotzdem aus dem Vitruvschen Text sowohl auf gebrannte wie nicht gebrannte Lehmziegel schließen. Dazu der weitere Text:

"In der unglücklichen Stadt Pompeji, wo man so vieles in Bezug auf die Baukunst und die Künste im Allgemeinen Bezügliche entdeckte, /.../, war der Gebrauch der Backsteine durch die dort vorhandenen Baumaterialien als nothwendig und nützlich bedingt" (7)

Ohne irgendeinen Übergang verläßt der Autor den Kulturraum des antiken Griechenlandes und wendet sich dem des alten Römertums zu. Die Stadt Pompeji liegt unterhalb eines Vulkans auf der italienischen Halbinsel und wurde bei einem Vulkanausbruch unter Vulkanasche begraben. Von den Überresten dieser Stadt auf die Art des Mauerwerksbaus im antiken Griechenland zu schließen, wird dem Leser des biedermeierzeitlichen Textes überlassen. Er bekommt in den darauffolgenden Zeilen keinen weiteren Aufschluß über die altgriechische Art der Mauerziegel und wie und in welchem Zusammenhang sie vermauert wurden.

Eine solche Vorgehensweise mutet mehr als seltsam an. Wer den Text flott durchliest und sich an den Angaben erfreut, weil sie in etwa Hinweise auf den Mauerziegel im Verlaufe der menschlichen Kulturentwicklung geben, wird vielleicht gerne überlesen, auf welch schwacher Grundlage abgehandelt wird. Froh darüber, wenigstens etwas zu wissen, verbleibt er genaugenommen in großer Unwissenheit. Liest er genauer, kommt ihm eine solche Basis der Geschichtsschreibung nur noch grotesk vor. In der Biedermeierzeit gab es dann nur noch zwei Möglichkeiten: man beließ es dabei und gab sich verwundert, oder man forderte eine bessere Erforschung ein. Doch bei wem sollte ein solches Thema Gehör finden, bei dem es um genaueren Aufschluß über die Art des antiken Mauerwerksbaues mit den verschiedenen Mauerziegeln ging? Man benötigte auch schon in dieser Zeit Forschungsgelder, um die nachhaltig gestritten wurde. Da kann das Thema Mauerziegel rasch an den Rand des Themenfeldes gerückt worden sein, das vorrangig zu erforschen war. Um das besser zu verstehen, müßte man der Geschichte der Finanzierung von Forschungen nachgehen wollen.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.244
(2) zitiert aus: o.A., wie vor, S.244f.
(3)-(7) zitiert aus: o.A., wie vor, S.245

Hinweise auf Aegypten in einem Text zur Geschichte des Mauerziegels aus der Biedermeierzeit

Nachdem deutlich gemacht wurde, daß im Zweistromland sowohl "Luftsteine", das sind an der Luft getrocknete Lehmziegel, als auch in Öfen gebrannte Lehmziegel als Mauerziegel hergestellt wurden, wendet sich der Autor dem Landschaftsraum Aegypten zu:

"In Aegypten konnten, namentlich in den Theilen, welche den Nilüberschwemmungen ausgesetzt waren, die Gebäude nicht anders als auf künstlichen Substrukzionen gegründet werden, welche in dem Niveau des höchsten Wasserstandes lagen" (1)

Die wechselnden Grundwasserstände, zugleich der zeitweise ansteigende Wasserspiegel des Nil, erforderten ein Bauwesen, das Vorsorge schuf. Eine Möglichkeit wurde darin gesehen, solche Fundamente für die Gebäude zu schaffen, die dem Einfluß des Wassers standhielten. Dazu schrieb offensichtlich Herodot:

"und Herodot erzählt, daß die Ethiopier, als sie Aegypten einnahmen, keinen der Besiegten tödteten, sondern daß dieselben Erdarbeiten zu diesen Substrukzionen vollbringen mußten, von welchen Sir Drummond bemerkt, daß dieselben aus Schutt bestanden hätten, welcher ringsum mit einer Einschließung von Backsteinmauerwerk versehen gewesen wäre." (2)

Herodot, ein Schriftsteller der Antike, bot also dem Sir Drummond in der Biedermeierzeit den anlaß, darauf zu achten, wie diese Fundamente im Aegypten in der Zeit des Herodot aussahen. Es sei Gesteinsschutt gewesen, daß mit gebrannten Mauerziegel ummauert worden sei, vermutlich um dem Schutt mehr Festigkeit zu geben. Wir erfahren außerdem:

"Plinius gibt uns das Zeugniß einiger alten Schriftsteller, daß man, bei Erbauung der Pyramiden, Kunststraßen von Steinen aus getrocknetem Schlamme gemacht habe, welche nach vollendetem Baue zu Privathäusern verwendet worden wären." (3)

Diese Erwähnung beschreibt Recycling. Aus den "Luftziegeln", wie man die Lehmziegel in der Biedermeierzeit auch nennen konnte, wurden, nach der Verwendung im Baustellenstraßenbau, Lehmziegel für den Bau von Wohngebäuden, also Baustoffe "von Steinen aus getrocknetem Schlamme", gemacht.

"Uebrigens scheint es, als wenn die Aegyptier jenes Material nicht bloß als Hilfsmaterial bei Errichtung ihrer enormen Bauwerke angewendet, sondern einige derselben ganz aus diesem Materiale erbaut hätten, und Pococke beschreibt eines davon mit folgenden Worten: >>Etwa zwei Meilen östlich von der letzten großen Pyramide (zu Saccarah), etwas unterhalb, nahe dem östlichen Ende des Berges, befindet sich eine Pyramide von Luftsteinen /.../<<." (4)

Es fällt auf, daß wir bei all diesen Angaben keinen Hinweis erhalten, wann diese Bauten errichtet wurden. Wir bekommen auch keine Information dazu, seit wann diese Substruktionen mit Backsteinen auftauchen, oder seit wann Lehmziegel zum Bau der Pyramiden genommen wurden. Man wird es nicht gewußt haben und war noch auf der Suche nach Anhaltspunkten. Wie heute auch, verglichen die damaligen Reisenden, die sich um ein Verständnis der Baugeschichte dieser Erdgebiete bemühten, die archäologischen Befunde mit den Praktiken in der damaligen Biedermeierzeit.

"Nach dem Urtheile der neuesten Reisenden hat die Fabrikazion der Ziegel in jenen Gegenden eben noch keine Verbesserung erfahren, indem, namentlich in den östlichen Theilen jenes Landes, dieselbe noch in ihrer ersten Unvollkommenheit bewerkstelligt wird, und die meisten Häuser mit Luftsteinen, welche aus Lehm und gehacktem Stroh geformt und an der Sonne getrocknet wurden, aufgeführt werden." (5)

Bis in die Biedermeierzeit hatte sich also die Herstellung der "Luftsteine", das sind die Lehmziegel, erhalten. Es werden Landstriche genannt, wo dies beobachtet wurde. Man müßte diesen Berichten, die damals zur Verfügung standen, nachgehen, da sie sicherlich mit Reiserouten versehen sind, was dann genauer auf die besichtigte Region verweist.

Der Backstein, also der gebrannte Lehmziegel, begegnet uns in Aegypten bislang nur bei den gemauerten Fundamenten. Mit ihnen wurde Gesteinsschutt ummauert, wodurch ein ausreichend festes Fundamentmauerwerk entstehen sollte, das problemlos im Wasser stehen bleiben konnte, wenn das Nilhochwasser und der ansteigende Grundwasserspiegel es durchfeuchteten. Es könnte sein, daß dieser ummauerte Schutt ein Aufsteigen der Feuchtigkeit behinderte und später, wenn der Wasserspiegel sank, schneller austrocknete als eine anders geartete "Substrukzion". Soviel zum Thema Ägypten im biedermeierzeitlichen Text. Man wird weiterhin verfolgen müssen, was noch zur Darstellung gelangt, um eine Baugeschichtsschreibung des Mauerziegels einzuleiten. Es fällt eine baugeschichtliche Ordnung der Aufeinanderfolge auf, die uns sagt, zunächst war die Sintflut, dann gab es eine Phase des Lebens in Zelten und Hütten, daraufhin entstanden im Zweistromland Städte aus Lehmziegel und ab und an mit Backsteinen. Im evolutionären Schritt der technologischen Entwicklung ist nun das antike Aegypten angeführt, in dem Pyramiden aus Lehmziegel aufgebaut wurden und Gebäudefundamente aus Gesteinsschutt mit Backsteinummauerung eine Rolle spielen, die sich offensichtlich bei ansteigendem Grundwasser und bei den Nilüberschwemmungen bewährt hatten. Als nächstes wird im biedermeierzeitlichen Text das antike Griechenland angeführt. Diese Aufeinanderfolge der Kulturentwicklung scheint zu dieser Zeit bereits sehr festgelegt zu sein. Nicht in die Betrachtung sind andere Kulturräume auf der Erdoberfläche einbezogen, z.B. nicht das antike China, dem eine sehr lange und hohe Kulturentwicklung nachgesagt wird. Zu vielen außereuropäischen Kulturen scheint noch wenig Wissen zu existieren.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(5) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.244

Der Versuch einer Geschichtsschreibung des Mauerziegels in der Biedermeierzeit

Es scheint so, als sei der Engländer Turner in der Biedermeierzeit das Wagnis eingegangen, eine Geschichte des Mauerziegels zu verfassen, denn in der Allgemeinen Bauzeitung vom Jahre 1839 findet sich eine Abhandlung über den Mauerziegel, von der es heißt, sie sei

"Nach dem Englischen des Turner." (1)

Wer dieser Turner war, geht aus dem Aufsatz nicht hervor. Es fehlen weitere Hinweise. Liest man den Aufsatz, den sicherlich die Redaktion dieser Fachzeitung verfaßt hat, die in Wien erschien, wirkt das Thema so, als sei es an einen Text von Turner angelehnt, aus dem viel entnommen wurde. Man wird dem noch nachgehen müssen. Zur Zeit interessiert nur eine Auswertung dieses Textes "Ueber die Mauerziegel", der in Wien erschien. Er beginnt mit einem Hinweis auf Vitruv:

">>Die Architektur<<, sagt Vitruv, unser großer Meister,
>>ist eine Wissenschaft, welche aus dem Komplex vieler

anderer Wissenschaften entsteht.<< Und in der That, die Zahl dieser Wissenschaften ist so groß, das Studium der verschiedenen Künste, welche mit der Architektur verbunden sind, ist so interessant, und die Erforschung jedes, auch des kleinsten Zweiges derselben so nothwendig, daß eine genauere Untersuchung des oben benannten Gegenstandes gewiß nicht als unnütz angesehen werden kann." (2)

Vitruv hat also gemeint, die Architektur sei eine Wissenschaft, welche aus dem Komplex vieler anderer Wissenschaften entstanden ist. Das wird wohl so sein. Da es hier um den Mauerziegel geht und seine Geschichte, wird man sehr darauf zu achten haben, welches das Gebiet ist, das für diese Untersuchung abgegrenzt wurde, denn es liegt der Verdacht nahe, eine bestimmte Traditionslinie der Baugeschichtsschreibung werde verfolgt, und zwar unter Auslassung weiter Gebiete der Erdoberfläche, wo ja auch seit Urzeiten aus Baustoffen Bauteile hergestellt wurden, die zum Baukörper zusammengefügt worden sind. Es liegt nahe, auch in diesen Gebieten das Aufkommen von Mauerziegeln zu vermuten. Wir wissen aber noch nicht, was mit dem Wort "Mauerziegel" benannt wird.

Neben dem Gebiet, über das historisch abgehandelt wird, interessiert natürlich der Terminus "Mauerziegel", der ja auf irgendeine Weise festgelegt sein muß, wenn darüber eine Abhandlung erfolgt, die den Werdegang und die Herausbildung unterschiedlicher Mauerziegel erläutern will. Jedoch gibt der Text dazu zunächst keinen Anhaltspunkt. Der Autor des Aufsatzes scheint vorauszusetzen, jeder wisse, was mit einem "Mauerziegel" gemeint ist. Das kann zu Problemen führen, da es ganz unterschiedliche Auffassungen dazu geben kann.

Die Biedermeierzeit scheint eine Zeit gewesen zu sein, in der vermehrt Mauerziegel hergestellt und zum Mauerwerk vermauert wurden, denn es heißt:

"Der jetzt stattfindende, allgemeine Gebrauch der Mauerziegel als Baumaterial, zeugt von ihrer großen Anwendbarkeit, und der wundersame Widerstand, welchen dieselben den Verheerungen der Zeit entgegengesetzt haben, war die Ursache, daß wir einige Forschungen über ihr Alter, über das Material, dessen man sich in den frühesten Zeiten zu ihrer Anfertigung bediente, und über die Art, wie man mit denselben in den verschiedenen Ländern gebauet hat, unternommen haben." (3)

Man unternahm also in der Biedermeierzeit Baugeschichtsforschungen zum Baustoff oder kleinem Bauteil "Mauerziegel". Der "wundersame Widerstand", mit dem er den Zeiten trotze, sagt als Satzteil, es sei ein Bauelement, dem eine lobenswerte Haltbarkeit zukomme. Ein solches Material herzustellen, sei schon relativ früh erfolgt. Wie im Text diese historische Einordnung vorgenommen wird, mutet uns heute sehr verstiegen an:

"Es scheint so, als wenn unmittelbar nach der Sündflut und vor der Zeit des Nimrod, die Einwohner von Assyrien fast ausschließlich in Zelten und Höhlen gewohnt hätten. Nimrod, dieser große Fürst, vereinigte seine Unterthanen zuerst in Städten, und die erste, historisch bekannte, dieser Städte war Babel, in welcher ungeheure Gebäude aufgeführt wurden, zu denen man sich der Luftsteine bediente, obgleich Andere behaupten, Semiramis, die Gemahlin des Ninus, habe die Stadt erbaut, und Nimrod nur den berüchtigten Thurm, von welchem die Ueberreste in Birs Nimrod auf uns gekommen sein sollen." (4)

Das alte Weltbild einer Sintflut wird hier als Tatsache vorgeführt. Kurz nach ihr wäre dann Nimrod hingegangen und habe die Menschen in Städten zusammengeführt, die aus "Luftsteinen" errichtet wurden. Dieser Luftstein ist hier also als "Mauerziegel" aufgefaßt. Er gilt als erste Form des Mauerziegels. Man wird sich mit ihm noch zu beschäftigen haben.

Birs Nimrod, in welchem der berüchtigte Turm zu Babel vermutet wurde, zeigte den damaligen Forschern "einige Massen von braunem und schwarzem Mauerwerke", von dem gesagt wurde, daß es sich "mehr oder weniger in verglastem Zustande befindet".

"Die verglasten Steine jedoch finden sich nur auf dem Gipfel des Mauerwerkes, und sind unbedingt Folgen der ungeheuren Feuer, da man auf jenen heiligen Bauwerken bedeutende Mengen von Holz bei Gelegenheit der Feuerverehrung verbrannte." (5)

Solche Bauwerke werden uns im Text so geschildert, als seien sie so hoch wie die umliegenden Berge. Man hätte von ungeheurer Entfernung diese heiligen Feuer oben auf den Bauwerken sehen können. Absurderweise wird behauptet, "daß der Ort selbst mehrere Tage unzugängig war", weil die Hitze des Feuers diese Wirkung gehabt hätte.

Nun gibt es eine große Merkwürdigkeit im Text. Einerseits sind die "Luftsteine" erwähnt, andererseits wird darauf abgehoben, das heilige Feuer habe zur Verglasung der "Luftsteine" geführt. Und dann geht der Autor hin und erwähnt plötzlich ohne Übergang "Öfen", in denen die Luftsteine gebrannt worden seien. Es folgt also unmittelbar auf die Erwähnung des heiligen Feuers und die durch die Hitze verglasten Luftsteine dieser Textabschnitt:

"Man findet zwei Arten von babylonischen Ziegeln, die Einen sind an der Sonne getrocknet, die Anderen im Ofen gebrannt." (6)

Was das eine, also das heilige Feuer, mit dem anderen, es habe Ziegelöfen zum Brennen der "Luftsteine" gegeben, zu tun hat, kann eventuell nur so verstanden werden, als habe man beim Abbrennen der heiligen Feuer erkannt, daß sich Luftsteine brennen lassen und dadurch haltbarer werden. Diese Erläuterung wird jedoch so nicht gegeben, sondern es werden solche Aussagen einfach hintereinander gereiht, was ein völlig abwegiges Verständnis von einem Hervorgehen des Backsteins aus dem Luftstein erzeugen kann. Es liegt nahe, daß hier Glauben gemacht werden soll, dieses heilige Feuer und das Aufkommen des Backsteins haben unmittelbar miteinander zu tun. Aber es ist nicht nachvollziehbar. Es wird nur zur Suggestion. Schlicht und einfach gesagt, wir wissen nicht, wie es zum Backstein kam. Es fehlen die schriftlichen Quellen.

Doch bleiben wir zunächst beim Luftstein. Das Wort meint nur, ein Kunststein sei durch einen Trocknungsvorgang zustande gekommen. Der Mensch hat also Steinformate aus einer "erdigen" Masse geformt und trocknen lassen.

"In den Gegenden, wo die Sonne stark einwirkt, und wo es selten regnet, wie z.B. in Chaldäa, wo oft in acht Monaten, bisweilen in drittehalb Jahren, kein Regen fällt, reichen die an der Sonne getrockneten oder Luftsteine für die meisten Zwecke hin." (7)

Die "Luftsteine" sind also die nicht gebrannten Mauerziegel, und man kannte in Babylon den gebrannten "Luftstein", den wir meist als Backstein bezeichnen, aber auch als Ziegel oder Mauerziegel.

"Die ersten Mauern von Mantinea bestanden allein aus Luftsteinen, und haben den Kriegsmaschinen besseren Widerstand als solche von Bruchsteinen geleistet." (8)

Endlich wird der Herstellungsprozeß des Luftsteins im Text erklärt:

"Die Luftsteine aus dem Alterthume, welche man noch gefunden hat, bestehen aus reinem Thone, und obgleich sie nur an der Sonne getrocknet wurden, sind sie doch so hart, daß sie beim Anschlagen klingen. Sie scheinen in Formen von Holz gepreßt zu sein, und tragen Figuren und Inschriften. Man mengte etwas Stroh oder kleines Reisig darunter, um ihnen mehr Zusammenhang zu geben, und legte sie beim Bauen auf Schichten von Mörtel und Schilf." (9)

Daß diese Luftsteine "aus reinem Thone" geformt wurden, mutet einzigartig an, denn reiner Ton könnte sich eher selten auffinden lassen. Auch müßte geklärt sein, was das ist, das hier "reiner Thon" genannt wird. Zu den im Ofen gebrannten Luftsteinen ist gesagt:

"Die gebrannten Ziegelsteine hatten eine viel bedeutendere Härte und Dauerhaftigkeit; so sind z.B. die Pfeiler und Bögen einer Brücke, welche jetzt noch stehen, und deren schon der Prophet Baruch erwähnt, von solchen Steinen." (10)

Es wird hier zwar darauf hingewiesen, daß diese Steine durch den Brand sehr hart wurden, aber eine Aussage zur Form des Ziegelsteins bleibt diffus, der zum Mauern benutzt wurde.

Man muß einige Zeilen zurückgehen, um diese Konfusion, die hier angerichtet wird, zu verstehen. Es werden Inschriften auf Ziegeln beschrieben. Bei diesen Gegenständen hat man jedoch den Eindruck, es könne sich nicht um "Mauerziegel" handeln:

"Es war gebräuchlich, astronomische Bemerkungen auf Steine oder Säulen zu schreiben, und wahrscheinlich hatten diese Inschriften einen talismanischen Charakter, denn man findet dieselben allemal so gelegt, daß sie nach unten hin standen und nicht gesehen oder gelesen werden konnten. Oefters waren beide Seiten und auch die Ansicht beschrieben, oft nur die Ansicht allein, und diese letzteren Ziegel sind die seltensten und geschätztesten. Manche derselben enthalten bei zehn Zeilen Schrift in gerader Linie über einander, bei anderen gehen die Schriften nach der Diagonale der Fläche." (11)

Wenn man keine Ergebnisse von modernen Forschungen zu diesen Funden und Bauten hinzuzieht, sondern nur den Zeilen nachgeht, die in der Biedermeierzeit formuliert wurden, wirkt es recht merkwürdig, wieso hier Inschriftentafeln als Baustoffe gedient haben sollen. Es wiederholt sich im Text das schon gebräuchliche Muster der Aneinanderreihung von Beschreibungen von Gegenständen, die nur ein Assoziationsfeld erzeugen, aber der genaue Zusammenhang dieser Gegenstände bleibt verborgen. Es scheint nur die Idee auf, sie könnten miteinander zu tun haben. Schnell stellt sich beim Lesen die Idee ein, bei alledem handele es sich um Mauerziegel. Eine systematische Bestandsaufnahme, aus der Formate und Fundzusammenhänge der Gegenstände hervorgehen, wird nicht geleistet. Wir werden mit vielen Fragen alleine gelassen.

Später erhalten wir endlich zu bestimmten Mauersteinen mehr Aufschluß.

"Die Farbe dieser Ziegel ist ein brennendes Roth oder ein mattes Gelb, bei den ungebrannten eine Steinfarbe. Ihre Größe schwankt zwischen 12 und 13 Zoll Länge, und 3 - 4 Zoll Dicke. Der größte bekannte Stein jedoch hat 19 3/4 Zoll im Quadrate und 3 1/2 Zoll Dicke, und ist an den Seiten mit Charakteren beschrieben." (12)

In dieser Beschreibung gibt es endlich Angaben, die auf Mauerziegel schließen lassen. Es handelt sich um Quaderformate gebrannter und ungebrannter Ziegel. Mit solchen Quadern zu mauern, macht Sinn. Wozu andere aus Erde geformte und wohl manchmal auch gebrannte Tafeln oder Steine, Platten, Zylinder dienten bleibt unklar. Man muß sich im Text zusätzliche Erklärungen suchen.

Zu den Mauersteinen einer Brücke wird gesagt:

"Einige dieser Steine waren mit einer Art Firniß überzogen und mit Figuren verziert." (13)

Das wären dann Schmuckziegel, also Verblender. Dazu präziser:

"Auch wurden sie mosaikähnlich gelegt, und man findet darauf Figuren verschiedener Art, z.B. eine Kuh, die Sonne, den Mond u.a.m." (14)

Hier besteht nun das Problem, vor welcher Mauer sie wie befestigt waren, wenn man Blendwerk annimmt. Denn den Schmuck wird es nur zu einer Seite geben, nämlich an der, die an der Wand gezeigt wurde, falls es sich um Mauersteine handelt. Der Hinweis auf eine mosaikähnliche Verlegung sagt nichts über das Format dieser Steine und wie man sich die Verbindung zwischen Blendwerk und Hintermauerwerk vorzustellen habe. Noch schwieriger nachvollziehbar sind diese Angaben, die Rätsel aufgeben, ob es sich überhaupt um Mauerziegel handeln kann:

"Auch in zylindrischer Form hat man diese Ziegel gefunden, wo sie dann eine kleine Entasis hatten, vom feinsten im Ofen gebrannten Thone gemacht und mit kleiner Schreibschrift bedeckt waren." (15)

Hier werden durch den Autor des Aufsatzes selbst Zweifel ausformuliert, ob es sich überhaupt um Mauerziegel handeln wird:

"Da man mehrere derselben an einem Ende durchbohrt gefunden hat, glaubt man auch, daß es Amulete oder Talismane gewesen seien." (16)

Diese Anhäufung von Hinweisen auf Baustoffe, die sozusagen für die ältesten Mauerziegel, die es gibt, angeführt wurden, erzeugen in uns einerseits ein sehr ungeklärtes Bild von den frühesten Mauerziegeln, zugleich treffen wir auf Angaben, die eigentlich Hinweise auf eine schon hochstehende Brenntechnik geben, da Schmuckziegel erwähnt sind. Auch bestünde ein Formenreichtum, wenn alle diese Objekte zu den Mauerziegeln zu zählen wären, der eigentlich kaum auf die Anfänge der Mauerziegelherstellung verweisen kann. Man könnte natürlich in dieser Region sehr früh mit der Herstellung von Mauerziegeln begonnen haben, um dann nach langen Entwicklungsvorgängen zu dieser Blüte des Mauerwerksbaues gekommen zu sein. Jedoch ist das im Text nicht erklärt. Man wird abwarten müssen, wie sich der Text weiter entfaltet.

Damit das damalige Mauern überhaupt begreifbar wird, finden sich nun im Text Schilderungen zum Bindemittel, mit denen die Mauersteine verbunden wurden. Zum einen wird Kalk genannt:

"Was das Bindemittel, dessen man sich bediente, anbetrifft, so glaubt man, daß die Alten sich dazu, namentlich in den oberen Theilen, des Kalkes bedient hätten. Kapitän Mignan sagt, wo er von Birs Nimrod spricht: die Ziegel sind 13 Zoll lang, 4 1/4 Zoll dick und mit einander durch eine fortlaufende, einen Zoll dicke Schicht von Kalk verbunden. Die Steinlagen liegen nicht waagerecht, sondern haben einen allmäligen Fall, nach Osten zu an der Nordfronte, und an der Ostfronte nach Süden hin." (17)

Es sieht so aus, als sei nach Augenschein identifiziert worden, um was für Bindemittel es sich handelt. Ausgewertet wurde offensichtlich ein Text von "Kapitän Mignan", der erst noch identifiziert werden müßte. Es wird bei den Lagen der Mauerziegel von einem "allmäligen Fall" gesprochen. Wie man sich das vorzustellen hat, müßte ermittelt werden.

Auch Bitumen wird angeführt:

"Bitumen findet man an der Basis der am meisten zerstörten Mauern; auch an Pfeilern kann man es unterscheiden, nie aber hat man sich dessen in den oberen Theilen bedient." (18)

Man muß hier genau wissen, was damals für Bitumen gehalten wurde, denn das Wort als Bezeichnung eines Stoffes kann unterschiedliche Bandbreiten dessen haben, was damit bezeichnet wurde. Man wird sich also mit diesem hier erwähnten Bindemittel "Bitumen" noch etwas genauer auseinander zu setzen haben.

Aber es gibt zusätzliche Hinweise. Denn es wurde auch mit Lehm als Bindemittel gearbeitet:

"In manchen Fällen wurde weder Kalk, noch Bitumen angewendet, sondern man bediente sich allein des Lehmes. Was die Schilflagen anbetrifft, so sagt Herodot, daß man dieselben nach jeder dreißigsten Schicht angewendet habe; neuere Reisende aber haben dieselbe bereits, und zwar in Agar Kouff, nach jeder sechsten, siebenten oder achten Schicht gefunden, und in einigen Gebäuden Babylons liegt zwischen zwei Schichten Steinen allemal eine Schicht Rohr." (19)

In den Lehmmörtel hatte man also Schilfstengel eingebettet. In Babylon lag alle zwei Steinschichten im Lehmmörtel Schilfrohr, in Agar Kouff, das in seiner geographischen Lage noch herausgesucht werden muß, sei nach jeder sechsten, siebenten oder achten Schicht" im Lehmmörtel das Schilfrohr angetroffen worden. In Schriften von Herodot fand sich offensichtlich eine Textstelle, die aussagt, "nach jeder dreißigsten Schicht" sei Schilfrohr eingelegt worden.

Im Text "Ueber den Mauerziegel" findet sich also ein historischer Exkurs, der uns zunächst in die Herstellung und Verwendung der Mauerziegel im Zweistromland, das Gebiet des heutigen Irak, einführt. Da dieser spezielle Exkurs ganz an den Anfang gerückt wurde, darf man annehmen, es sei damals geglaubt worden, hier seien die ersten Mauerziegel geformt und bald gebrannt worden. Diese frühen Kunststeine werden "Luftsteine" und "gebrannte Ziegel" genannt. Es handelt sich um Lehmziegel und Backsteine. Beide werden als "Mauerziegel" bezeichnet, die Quaderformat haben. Auch mit Schrift und Abbildungen versehene Backsteine als Schmuckziegel mit farblichem Überzug in unterschiedlichen Formen werden erwähnt, was auf eine lange Entwicklung des "Mauerziegels" schließen läßt. Es gab anscheinend einige Besonderheiten, wie beim Mauern vorgegangen wurde. All dem ist genauer nachzugehen, und zwar in dem, was ältere und jüngere Schriften dazu aussagen, und durch das, was die Bauforschung an den frühen Bauten oder Resten von Bauten auffinden konnte. Bisher fiel auf, daß keine Datierungen im Text aufzufinden waren. Ausschließlich die Zeit nach der Sintflut als Zeitangabe wurde zur Datierung genutzt.

Später sind die übrigen Teile des Textes "Ueber den Mauerziegel", der in der Biedermeierzeit erschien, noch genauer auszuwerten. Da neuere Texte auf solche frühen Texte, wie den vorliegenden, aufbauen, lohnt eine genaue Textauswertung, um zu verstehen, was in die spätere Geschichtsschreibung vom Mauerziegel hineingewandert ist. Die wortwörtlichen Anführungen der relevanten Textstellen machen also sehr viel Sinn, weil durch sie Vergleichsmaterial entsteht.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1) Der Untertitel der Titelzeile des Aufsatzes zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.243
(2)-(9) zitiert aus: o.A., wie vor, S.243
(10) zitiert aus: o.A., wie vor, S.244
(11) zitiert aus: o.A., wie vor, S.243
(12)-(19) zitiert aus: o.A., wie vor, S.244

Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert errichteten Bauwerken: das Theater in Gent


Da Gent einen Eisenbahnanschluß erhielt, und man sich zusätzliche Theaterbesucher in der Stadt erhoffen konnte, wurde das alte Theater, das 1175 Zuschauer fassen konnte, abgerissen. Ein moderner Neubau, der schon lange gewünscht war, kam zur Bauausführung. Als im Jahre 1838 in der Allgemeinen Bauzeitung in Wien darüber berichtet wurde, befand sich das Gebäude noch in der Bauphase.

"Es sind mit diesem Theater das Postamt, ein Konzertsaal und andere Säle, ein Kaffeehaus und eine Restaurazion vereinigt." (1)

Die Planung dieses multifunktionalen Bauwerkes, von dem jedoch nur der Theaterbereich in Form von Zeichnungen in dem Aufsatz aus der Biedermeierzeit zur Darstellung gebracht wurde, hatte der Architekt Roelandt übernommen. Er leitete auch das Bauvorhaben, dessen Bau durch die Regierung genehmigt werden mußte. Vermutlich schoß der Staat Geld hinzu. Es heißt zu diesem Bauwerk:

"Die Fasade des Theaters, welche sich in einer Länge von 90 Metres in der Theatergasse ausdehnt, ist eine der schönsten, die in den Niederlanden zu finden sind; sie liegt in einer Straße, die so eben beträchtlich erweitert, verschönert und durch den prachtvollen, von dem nämlichen Architekten neu ausgeführten Justizpalast geschmückt wird." (2)

Das Bauwerk scheint neu an alter Stelle errichtet worden zu sein, wenn als Bauplatz die Theaterstraße genannt ist. Diese Straße selbst wurde offensichtlich von demselben Architekten "erweitert, verschönert", und mit einem neuen Justizpalastgebäude aufgewertet. Somit dürfte das neue Theater als Teil einer städtebaulichen Gesamtplanung anzusehen sein, was für ein Projekt spricht, das typisch für die Biedermeierzeit gewesen ist, weil sich die Städte endlich ausdehnen konnten, und sich die Menschen nach gesunder und frischer Luft, sowie Sonne und großzügigem Städtebau sehnten. Man wollten aus den Beengtheiten des mittelalterlichen Städtebaus endlich herauskommen.

Die Beschreibung des Theaterneubaus sollte mit den Zeichnungen verglichen werden.

"Der mittlere Theil des Gebäudes, welcher das Drittel der ganzen Fronte beträgt, hat ein Risalit mit drei großen Thoren in elliptischer Form, die in eine Halle führen, wo die Abfahrenden sowohl, als die Ankommenden auf- und absteigen können. Der ausgebogene Vorsprung ist so gering, daß durch denselben das Trottoir, welches mit Plattsteinen zu belegen angetragen ist, nicht unterbrochen wird, und dennoch bietet das Vestibul noch Raum genug, daß drei Wagen zugleich vorfahren können." (3)

Es wurde also eine Kutschenein- und ausfahrt in eine elliptische Halle in der Mitte des Gebäudes vorgesehen. Dort konnten die Theaterbesucher ihre Kutsche verlassen und der Wagen fuhr wieder aus der Halle durch eines der Tore hinaus. In der Ansichtszeichnung ist dieser Mittelrisalit gut zu erkennen, denn seine Prachtfassade hebt sich deutlich von der langgestreckten Theaterfassade ab.

Leider ist nur ein Grundriß einer Etage veröffentlicht worden, was die Auswertung erschwert. Man muß sich also an den Text halten.

"Die Eingänge liegen ebensöllig mit dem Straßenpflaster und führen in das Parterre, das Parquet, die Logen, das Paradies oder die oberste und letzte Gallerie, zur Bühne und den übrigen Theaterräumen, wodurch bei zahlreichen Versammlungen jeder Unordnung und dem lästigen Gedränge vorgebeugt wird." (4)

Es darf angenommen werden, daß sehr prachtvolle Innenarchitekturen eingebaut wurden, sodaß es ein Vergnügen bereitete, durch diese Vorhallen und über diese Treppenanlagen in den Theaterraum zu gehen.

"Sechs verschiedene Treppen, vom Tageslicht, wie Abends von Gas erleuchtet, unterstützen die Verbindung der Räume." (5)

Da Vorsorge zu treffen war, damit bei Regen Hunderte von Personen problemlos schnell in den Theatervorraum eilen konnten, um sich zu schützen, schuf man dafür Raum. Hier konnten die Theaterbesucher die Wartezeit verbringen, bis der Einlaß in die Theaterräume gewährt wurde. Unweit wurde "eine Restaurazion und ein Kaffeehaus angelegt". Wer prominierte und etwas zu sich nehmen wollte, konnte sich hierhin wenden.

"Im ersten Stockwerke liegt der Wärme- oder Konversazionssaal (Foyer), dessen Geräumigkeit aus der Zeichnung ersichtlich ist, und der große eirunde Saal dient sowohl dem Foyer, als dem Konzert- und Redoutensaale als Vorplatz." (6)

Diese Angaben lassen sich mit der Grundrißzeichnung des Obergeschoßes in Verbindung bringen. In der Mitte des langgestreckten Bauwerkes liegt ein "eirunder" Vorsaal, der sowohl von den Theatergästen als auch den Konzertbesuchern genutzt werden konnte. Der Konzertsaal liegt im Obergeschoß ganz rechts neben dem eirunden Vorsaal. Das große Foyer wiederum liegt links von dem eirunden Saal, ebenfalls im Obergeschoß. Darunter wird sich das erwähnte Kaffeehaus befinden. Der Theatersaal schließt sich rückwärts an dieses Foyer im Obergeschoß an. Über im Halbkreis gebogene Gänge gelangt man vom Foyer aus zu den Logen, sodaß angenommen werden kann, daß über die Vorräume im Erdgeschoß die Sitzreihen im Theatersaal erreichbar gemacht worden waren. Noch weiter rückwärts, im Anschluß an den Zuschauerraum, erhebt sich das Bühnengebäude. Im Vergleich zum alten Gebäude mit seinen 1175 Zuschauerplätzen bietet das neue Gebäude wesentlich mehr Besuchern Platz.

"Außer dem Orchester, Parquet und Parterre wird der Schauplatz vier Reihen Logen enthalten, ferner eine oberste Gallerie (Paradies) für 600 Menschen, auf welche Art das ganze Theater bequem 1800 und bei einiger Unbequemlichkeit auch 2000 Menschen fassen kann." (7)

Da in den Räumlichkeiten auch größere Feierlichkeiten begangen werden sollten, war das Gebäude so konzipiert worden, daß sich die Foyers und andere Säle zusammenschließen liessen.

"Bei größeren Feierlichkeiten werden diese unter sich verbundenen Säle, die nach Gefallen auch mit dem Theatersaale und selbst mit der Bühne erweitert werden können, sämmtlich geöffnet und erleuchtet, wie es zur Ballzeit ebenfalls geschieht; sie geben ohne der Bühne einer Versammlung von beiläufig 6000 Personen hinreichend Raum." (8)

Das sagt nun, die Versammlung so vieler Personen zu sehr großen Anlässen spiegelt den Wunsch wieder, einem möglichst großen Teil der Bewohner der Stadt und sehr vielen Gästen der Stadt einen würdigen Empfang bereiten zu können. Es ist sicherlich nicht unwichtig, genauer zu wissen, aus welchen Gründen solche großen Empfänge abgehalten wurden.

Zu dem Bühnengebäude mit seinen Nebenräumen fanden sich Aussagen im Text. Es wurde in Gent die Größe der Bühnen von Brüssel und Antwerpen angestrebt, was auch verwirklicht wurde. Da der Staat das Projekt genehmigte, werden die Genter sehr stolz auf ihr Theater gewesen sein, da es nun ebenbürdig war.

"An den Seiten der Bühne befinden sich die Ankleidezimmer des Theaterpersonales, und über denselben 32 Garderobenzimmer nebst zwei großen Magazinen für die Dekorazionsstücke. Endlich sind noch zu ebener Erde die Werkstätten der Dekorateurs, Maler, Zimmerleute, und andere kleinere Lokalitäten vorhanden." (9)

Zum Teil lassen sich diese Räumlichkeiten im Obergeschoßplan auffinden. Das meiste ist jedoch nur der biedermeierzeitlichen Beschreibung zu entnehmen. Wichtig ist auch ein Hinweis auf die Heizung, mit der die Theaterräume dann bei kalter Witterung beheizt wurden. Es handelt sich um eine Dampfheizung:

"Die Heizung des Gebäudes geschieht mittelst eines, unter einem festen, gut versicherten Gewölbe angebrachten Dampfapparates, der zugleich mehre, zum Luftwechsel im Theaterraume befindliche Ventile, und nöthigen Falls auch die zur Löschung eines Brandes allenthalben eingerichteten Wasserpumpen in Bewegung setzt." (10)

Die Formulierung, der Dampfapparat sei in einem "festen, gut versicherten Gewölbe" untergebracht, läßt darauf schließen, daß man sich bewußt war, daß diese Technik noch in den Anfängen steckte und durchaus gefährlich sein konnte. Umgekehrt konnte diese Dampfheizung auch dazu genutzt werden, um Wasserpumpen in Bewegung zu versetzen, durch die Wasser zur Löschung von Bränden rasch im Theater zur Verfügung stand. Die Heizungsarten, die in der Biedermeierzeit zur Verfügung standen, sollten unbedingt als Thema genauer bearbeitet werden. Auch der Fortschritt im Brandschutz und in der Bekämpfung von Bränden ist ein lohnendes Thema, weil Ausarbeitungen zulassen, die Entwicklungen im 20.Jahrhundert besser zu verstehen.

Betrachtet man die Hauptfassade des neuen Theaters im Gent der Biedermeierzeit, so hat man einen zweigeschossigen Bau vor sich, der im Erdgeschoß eine Rustikafassade zeigt und darüber ein Obergeschoß mit Türfenstern und Wandöffnungen, die an Palladio und Serlio denken lassen. Die Architektur der Renaissance war also Vorbild für dieses Bauwerk. Eher ungewöhnlich ist der Mittelrisalit, der "eirunde" Säle enthält. Zu ebener Erde konnte man durch Tordurchlässe mit Kutschen einfahren. Oben deutete der Architekt durch hohe Wandöffnungen mit Rundbögen an, daß sich dahinter stattliche Festsäle befinden. Die Rundbögen liegen auf Architraven auf, die unter sich hochrechteckige Wandöffnungen haben. Die Architrave wiederum werden von Säulenpaaren getragen. Darunter liegen im Erdgeschoß die Durchfahrten, die jedoch nicht mit Rundbögen überdeckt wurden, sondern weite horizontale Tragebalken haben. Die Wandöffnungen oben und unten sind zueinander in einen Bezug gesetzt, was die monumentale Wirkung dieser Anordnung noch steigert. Ähnlich wurde der Mittelteil der seitlichen Fassadenabschnitte links und rechts neben dem Mittelrisalit behandelt. Hier liegen zwei große Wandöffnungen übereinander, die obere hat ebenfalls einen Rundbogen über sich. Begleitet werden diese weiten Türfenster von kleineren hochrechteckigen Türfenstern, was zusammen das sogenannte Palladio-Motiv ergibt, das Palladio an der Fassade der Basilika von Vicenza realisierte, und welches von den Architektengenerationen danach sehr bewundert wurde. Vor Palladio hatte bereits Serlio solche Fensterkombinationen angewandt, Palladio hatte sie jedoch meisterhaft weiterentwickelt.

Betrachtet man die horizontale Gliederung der Fassade, so befindet sich unter der Sockelstreifen, der zugleich mit einem Gesimsband abschließt, das bei den Fenstern als Fensterband dienen kann. Darüber liegt das hohe Rustikaband, in das hochrechteckige Tür- und Fensteröffnungen eingelassen sind. Nur im Mittelrisalit und in der Mitte der seitlichen Fassaden befinden sich die anderen Tür- und Fensteröffnungen. Über der Rustikafassade verlaufen Gesimsbänder, welche zum einen die Rustikafassade abschliessen, zum anderen ein Brüstungsband ergeben, das unter den hochrechteckigen Türfenstern der Obergeschoßfassade verläuft. Auch hier ergeben sich die Fensterbänke durch den obersten Teil des Gesimsbandes. Über der glatten Putzfassade des Obergeschoßes verläuft ein Abschlußgesims, über dem sich das Fassadenband hinzieht, in das kreisrunde Fenster eingelassen wurden, die als Oberlicht der Vorsäle und Foyers dienen könnten. Erst darüber verlaufen die Abschlußgesimsstreifen der Fassade insgesamt, und darüber erhebt sich die Attika vor dem langgestreckten Walmdach des Theaters und des Konzertsaales dieses multifunktionalen Gebäudes. Über dem eirunden Bauwerk des Mittelrisaliten erhebt sich ein Dach, das die Form dieses rundigen Saalgebäudes aufnimmt und nach oben strebt, ohne daß die Neigung dieses Daches die Höhe des langgestreckten Walmdaches übersteigt.

Vertikal wurde diese Prachtfassade durch Ecklisenen gegliedert, die als Rustikawandpfeiler ansteigen und dann zu anders gearteten schlankeren Wandpfeilern werden. Bei genauer Betrachtung fällt auf, daß die mittleren Abschnitte der seitlichen Fassaden links und rechts des Mittelrisaliten als Palladio-Motiv ebenfalls etwas vor die übrige Fassadenfläche treten, also ebenfalls Risalite darstellen, an deren Ecken Ecklisenen aufsteigen. Die Fenster und Türen bilden zusammen Dreiergruppen, wenn sie zwischen diesen drei Risaliten oder seitlich davon liegen.

Die gesamte Hauptfassade ist überaus symmetrisch gestaltet worden, was auf einen Klassizismus schließen läßt, der zwar seine Ursprünge in der Antike und in der Renaissance hat, aber zugleich eine biedermeierzeitliche Moderne zum Ausdruck bringen soll. Es dürfte angebracht sein, die Bauwerke, die der Architekt Roelandt zeichnete und ausführte, in einen Vergleich zu bringen, um die Architektur dieser Epoche in Gent und anderswo, wo er gebaut hat, besser zu verstehen. Da der Wert dieser Architektur sicher als hochwertig angesehen wurde, dürften sich viele Archivalien zu den Gebäuden erhalten haben, die durchgearbeitet werden können. Gent erhielt also in der Biedermeierzeit ein sehr eindrucksvolles Theater und gehörte zu dieser Zeit zu den Niederlanden.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(9) zitiert aus: o.A.: Ueber den Plan der neuen Schauburg in Gent. S.21-22 und Zeichnungen auf einem Blatt zur S.22 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1838. S.21
(10) zitiert aus: o.A., wie vor, S.22