Sonntag, 29. November 2009

Eine Innovation der Biedermeierzeit: der ausgebauchte Zylinder der Haspel eines Baukrans und andere Neuerungen


Von Koblenz aus hatte der Bauinspektor Lassaulx einen Beitrag an die Allgemeine Bauzeitung nach Wien geschickt, in dem er über eine Verbesserung an Seilwinden an Baukränen berichtet. Ihm war aufgefallen, daß

"beim Beginnen des Aufwindens, wo das Seilstück an einem Ende der Welle, z.B. bei F befestigt ist, die Schläge sich nicht dicht aneinander legen, sondern auseinander laufen, bis das Seil die Mitte G erreicht, von wo an nun im Gegentheil die Ringe bis zu H hin sich immer dichter aneinander, ja oft aufeinander legen, wodurch das Seil nothwendig eine starke Reibung erleidet, daher weit früher zu Grunde geht, auch der Widerstand stärker wird, als sonst geschehen würde." (1)

Er kam darauf, daß sich dieser negative Effekt beim Aufwinden des Seiles auf einer Haspelwelle dadurch verhindern ließ, wenn man dem Zylinder eine andere Form gab.

"Anstatt nämlich die Haspelwelle D wie gewöhnlich zylindrisch zu machen, gab ich ihr die durch eine Linie FGH verzeichnete Ausbauchung, welche durch eine Kreislinie bestimmt wird, deren Mittelpunkt in E liegt. Hierdurch bleibt die Richtung des Seils fortwährend senkrecht auf die Welle, statt daß sie dieß sonst einzig in der Mitte der Welle bei G, auf jeder andern Stelle aber mehr oder weniger schief war; die Seilringe legen sich ruhig nebeneinander, und jenes so nachtheilige Aneinanderreiben kann nicht Statt finden." (2)

Mit einer sehr einfachen Maßnahme wurde also ein sauberes Aufwinden des Seiles erreicht, was außerdem noch dazu führte, daß sich das Seil weniger abrieb und länger hielt. Man fragt sich sofort, ob in den Jahrhunderten zuvor wirklich niemand vor ihm darauf gekommen war.

Lassaulx dachte außerdem über weitere Verbesserungen an Baukränen nach. Bei schweren Lasten, die anzuheben waren, konnte der Standbaum eines Kranes rasch über-
fordert sein und brechen. Ausreichend dicke und gerade gewachsene Baumstämme für einen solchen Standbaum zu finden, der sich für extreme Lasten eignete, war ein
sehr schwieriges Unterfangen. Lassaulx löste das Problem, indem er vier Baumstämme so zuschnitt, daß sie aneinandergelegt und dann außen den Umriß eines einzigen Baumstammes annahmen, sich also im Durchschnitt eine Kreisform ergab. Außerdem wählte er den Schnitt so, daß jeder dieser zugeschnittenen Baumstämme sein Herz des Stammes behielt. Er dübelte sie aneinander und außen herum verband er diese vier Stämme in gewissen Abständen mit Zugringen aus Eisen. Den Effekt beschreibt er so:

"Ich ließ nun statt dessen 4 leichte Stämme zusammendübeln und mit eisernen Zugringen verbinden /.../, was nicht allein weit wohlfeiler war, sondern wodurch zugleich der große Vortheil gewonnen wurde, daß diese 4 jungen Stämme mit 4 Herzen eine ungleich größere Stärke gewährten, als ein alter, mehr oder weniger abgelebter Stamm mit einem Herz gehabt haben würde." (3)

Der Vorteil lag also auf der Hand. Man fragt sich auch hier, ob nicht schon anderswo so vorgegangen wurde. Zum Beispiel bestand bei Segelschiffen immer das Problem, ausreichend lange und geeignete Baumstämme für die Masten zu finden. Man könnte sich auch hier gelegentlich beholfen haben, oder umgekehrt, die Idee von Lassaulx hatte Auswirkungen auf dem Mastbau der Segelschiffahrt.

Lassaulx befaßte sich schließlich noch mit einem weiteren Problem bei Kränen. Um Lasten zu heben, waren ab bestimmter Lastgrößen Treträder notwendig, die jedoch während der Arbeit durch die Bauarbeiter, die das Tretrad bewegten, in Schwingungen gerieten, was den Lastenaufzug ab und an problematisch werden ließ, denn der Arbeitsablauf des Bewegens geriet in ein Schlingern. Man kann sich Unfälle ausmalen, die durch das Schlingern auftraten. Lassaulx veränderte die Speichenform der Treträder, die dadurch nicht mehr während der Arbeit in Schwingungen gerieten. Außerdem machte er die Lauffläche der Treträder schmaler als die Achse in der Mitte, was zur Steifigkeit des Tretrades beitrug.

Die Form des Kranes, an der Lassaulx Verbesserungen vornahm, mutet noch antik und mittelalterlich an. Als er seine Erfindungen machte, durchlebte das Bauwesen die Biedermeierzeit, und es gab schon Dampfmaschinen und viele andere Modernisierungen an Maschinen und Geräten. Man fragt sich unwillkürlich, ab wann andere Arten von Kränen zum Einsatz kamen. Man fragt sich natürlich auch, welche Arten von Baukränen im 19.Jahrhundert nebeneinander genutzt wurden, da nicht überall dieselben Entwicklungsschritte im Bauwesen stattfanden.

Karl-Ludwig Diehl

baugeschichte (at) hotmail.com

Anmerkungen:
(1)-(3) zitiert aus: Lassaulx: Ueber einige Verbesserungen an Krahnen und sonstigen Windewerken. S.220 und Zeichnungen auf dem Blatt S.221 in: Allgemeine
Bauzeitung. Wien, 1836. S.221

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