Sonntag, 29. November 2009
Die polychrome Fassade der königlichen Post in der Stadt München des 19.Jahrhunderts
In München war man in der Biedermeierzeit mit dem alten Gebäude, in dem die königliche Post untergebracht worden war, sehr unzufrieden. Es störte mit seiner Architektur das Ensemble am Max-Joseph-Platz, der vom neuen Königsbau und dem königlichen Hoftheater gerahmt wurde und auf dem Platz das Max-Joseph-Monument erhalten hatte. Der altfränkische Baustil, in dem der ehemals "gräflich Döring'sche Palais" gebaut worden war, paßte nicht mehr zu den Auffassungen der Zeit. Die Fassade für die Post, in der auch die Fahrgäste der Postkutschen zu warten hatten, sollte völlig neu gestaltet werden.
"Es war hierbei eine Aufgabe ganz eigenthümlicher Art zu lösen: nämlich eine, mit den großen Dimensionen des gegenüberliegenden Königsbaus und des damit im rechten Winkel zur Seite stehenden Theatergebäudes übereinstimmende, mit den erwähnten Bauwerken im Charakter verschiedene, und eine, die Bedürfnisse eines großen Postamtgebäudes aussprechende Fronte zu bilden, sich zugleich aber auch an die bestehenden Eintheilungen und Dimensionen des alten, vormals gräflich Döring'schen Palais zu halten. Ueberdieß mußte diese Fasade so dekorirt werden, daß sie einen, der Aussicht aus den königlichen Wohngemächern der gegenüber liegenden Residenz entsprechenden Anblick gewährt." (1)
Man hatte diese Bauaufgabe dem "geheimen Rath, Ritter Leo von Klenze" übertragen, der einen Bau entwarf, welcher der Antikenbegeisterung Rechnung trug und zugleich "nach Art der altgriechischen Polychromie" eine farbige Verzierung erhielt, die zunächst auf die Münchner Bevölkerung sehr fremdartig gewirkt haben soll. Da dem König von Bayern der Anblick der neuen Fassade der Post zu genügen hatte, darf man davon ausgehen, daß es Leo von Klenze gelungen war, den König von seiner Gestaltung zu überzeugen.
Er hatte außerdem Wartehallen geschaffen, "welche den Abreisenden oder den Freunden der ankommenden Reisenden einen angenehmen Aufenthaltsort zum Abwarten darbieten". Solche Wartehallen, die wir heute von Bahnhöfen und Flughäfen gewohnt sind, wenn wir uns innnerhalb der Bundesrepublik Deutschland bewegen, hatten also in Wartehallen der Post ihre Vorläufer. Das Tor in der Mitte des Gebäudes könnte "das große Einfahrtstor" für Postkutschen gewesen sein. Die Pferde waren zu wechseln und das Personal wurde abgelöst oder mußte sich ausruhen. Leider sind keine Grundrisse und weitere Hinweise in dem auswertbaren Text vom Jahre 1836 gegeben.
Da es damals darum ging, die Fassade eines bestehenden Gebäudes zu modernisieren, ist diese genauer erläutert:
"Was das an der Fasade verwendete Baumaterial betrifft, so ist, bis auf die Säulen und Sockel (Stylobate) der beiden Eckpavillons, welche aus weißem, bei Abach gebrochenen Kalkstein gearbeitet sind, das ganze Mauerwerk aus Backsteinen gebaut." (2)
Die Backsteinwände scheinen aber verputzt worden zu sein, denn es heißt:
"Dem Verputze der Fasadenfelder wurde das Ansehen von grünlichem Sandsteine, den vorspringenden Gesimsen, Fenstereinfassungen und den an beiden Eckpavillons aufrecht stehenden Quadern die gleiche Farbe gegeben, welche die Säulen und das Stylobat von Natur aus haben." (3)
Die Fassadenflächen schimmerten also grünlich, und die Fenstereinfassungen und Gesimse zeigten die weiße Farbe des Kalksteins, der bei Abach gebrochen wurde.
"Das Innere der Halle ist braunroth gehalten, wodurch die Säulen und Arkaden um so größere Wirkung machen." (4)
Mit der Halle ist entweder nur die offene Vorhalle unter dem Säulengang gemeint, die sich auf großer Länge in der Erdgeschoßzone hinter einer Rundbogenreihe entlangzieht, oder es gab außerdem noch im Gebäude selbst hinter dieser Vorhalle eine Wartehalle. Die offene Vorhalle liegt leicht erhöht auf einem Sockel, der über Treppen zugänglich ist. Man sieht sie im Schnitt.
Mit enkaustischen Farben, "nach der an mehreren altgriechischen Monumenten noch sichtbaren Art", hatte man die Basreliefs, einen ornamentalen Schmuck, auf Gesimsen und Fenstereinfassungen, "bunt verziert". Dadurch leuchteten buntes Laub und andere farbige Zierlinien auf diesen Bauteilen und hoben sich von den Grundfarben der Fassade ab.
Die Zeichnung der Ansicht erlaubt eine Architekturbetrachtung. Wir haben eine zweigeschossige Bauanlage vor uns, die links und rechts Fassadenabschnitte erhielt, die durch Lisenen aus Rustikamauerwerk wie Risalite erscheinen sollen, zwischen die ein langgestreckter Mitteltrakt mit einer offenen Vorhalle im Erdgeschoß eingespannt ist.
Dreizehn Rundbögen auf den vierzehn hohen Säulen geben Zugang zu einer offenen Vorhalle, die offensichtlich den Fahrgästen zum Aufenthalt diente, welche auf die Postkutsche warteten. Durch das Sockelband, ein Gesimsband in der offenen Vorhalle in Höhe der Kapitelle der Rundbogenreihe, und ein Gesimsband in Höhe der Fensterbänke der Wandöffnungen im Obergeschoß und das Wandabschlußgesims unter dem langestreckten niedrigen Walmdach entsteht eine horizontale Betonung der Fassade, der durch die vertikalen Bänder der Lisenen der äußeren Fassadenabschnitte und die Säulen der Rundbogenreihe einige vertikale Fassadenstrukturen zum Ausgleich entgegengesetzt wurden. In den beiden äußeren Fassadenabschnitten gibt es eine mittige Fensterachse. Sowohl im Erdgeschoß wie im Obergeschoß wurde ein hohes Rundbogenfenster mit rechtwinkliger Umrahmung und Verdachung als äußerer Schmuck eingelassen. Der mittlere langgestreckte Gebäudeabschnitt bekam in der Achse der dreizehn Rundbögen im Obergeschoß Rundbogenfenster. Die Wandöffnungen, die zur offenen Vorhalle weisen, sind in einem anderen Rhythmus angeordnet worden. Auf eine Wandöffnung für ein Rundbogenfenster, das rechtwinklig umrahmt ist, folgt eine leere Fassadenfläche bis zur mittleren Rundbogenöffnung, die breiter und höher in die Wand eingelassen wurde, weil sie als Durchfahrtstor dienen muß. Man findet also sechs Rundbogenfenster und ein Durchfahrtstor zur offenen Vorhalle mit der Rundbogenreihe. Über den rechtwinklig gerahmten Fensteröffnungen zur Vorhalle hin hatte Leo von Klenze Halbkreisbögen in Höhe der Kapitelle und des Gesimsbandes eingelassen, was dafür spricht, daß sich im Innern des Gebäudes im Parterre hohe Säle befunden haben, in denen die Posträume für die alltägliche Arbeit untergebracht waren. Es mag hier auch Wartehallen gegeben haben.
Die Architektursprache des Gebäudes ist klassizistisch gehalten. Leo von Klenze hatte sicherlich auch Bauten der italienischen Renaissance als Vorbilder. Zu dieser Zeit, als diese neue Fassade dem Altbau im altfränkischen Baustil vorgeschaltet wurde, war die baugeschichtliche Forschung darauf gestoßen, daß die antiken grie- chischen Bauten sehr farbig gehalten waren. Man versuchte diese Farbigkeit mit enkaustischen Farben, so wie sie in der Antike verwendet wurden, nachzuahmen. Klassizistische Baukunst mit Vielfarbigkeit war also ein neues Thema der Architektur des frühen 19.Jahrhunderts. Leo von Klenze, der von Schinkel diese Farbigkeit kannte, hatte sie dann, als er sich als Architekt unabhängig bewegen konnte, übernommen und bei etlichen seiner Bauten angewandt. Die Fassade der königlichen Post in München war eine, bei der diese Farbigkeit ausprobiert wurde. Zu dieser Zeit tobte in der Fachwelt noch der Streit, ob die griechischen Tempel in vielen Farben bemalt waren oder nur die Naturfarbe der Baustoffe zeigten, aus denen sie gebaut worden waren.
Karl-Ludwig Diehl
baugeschichte (at) hotmail.com
Anmerkungen:
(1)-(4) zitiert aus: o.A.: Ueber die Fasade des neuen königlichen Postgebäudes in München. S.333 und Zeichnungen auf dem Blatt LXXIII in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1836. S.333
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