Donnerstag, 17. Juni 2010

Romantik und Neugotik: ein Zusammenhang

Aus den romantischen Anfängen der Neugotik im 18.Jahrhundert wurde im Verlauf der Jahrzehnte des 19.Jahrhunderts eine aufgeklärte Baubewegung der Moderne dieser Zeit, die Rathausbauten und andere Profangebäude für die neuen angewachsenen Erfordernisse in den Städten und im ländlichen Raum schuf.

Diese Baubewegung trug dazu bei, demokratische Verhältnisse entstehen zu lassen, mußte sich aber im deutschen Kulturraum des Feudalwesens bedienen, um die kleinteiligen deutschen Herrschaftsräume zu vereinen. Dies geschah durch das aufgeklärte Preußen, wo sich ein gut Teil der Fortschrittskräfte an der Universität und in der Verwaltung tummelte. Die romantischen Anfänge liessen jedoch das gesamte darauf folgende Geschehen noch nicht erkennen. Dazu schrieb Hermann Schmitz im Jahre 1921:

"Die tiefgreifende Umwälzung im architektonischen Empfinden, d.h. seine Unterordnung unter Momente geistig-seelischer Art, hängt zusammen mit der Umwandlung auf dem Gebiete des Denkens und Fühlens überhaupt mit der welthistorischen Erscheinung, die in der Literatur als Romantik bezeichnet wird" (1).

Julius Fekete weist darauf hin, daß die Romantik eine Gegenbewegung gewesen ist gegen den rationalistischen und utilitaristischen Geist, der im 18.Jahrhundert verbreitet gewesen sein soll. Es wird also darum gegangen sein, die durch die Vernunft gefesselten Kräfte einer Epoche freizusetzen und der schöpferischen Phantasie freien Lauf zu lassen.

Romantik und Gotik lassen sich jedoch nicht gleichsetzen, sondern zu den romantischen Bewegungen gehört u.a. die der Neugotiker, die spezielle Ideen an die Bevölkerung herantrugen.

Immanuel Kant hatte bereits im Jahre 1781 "die Objektivität der Erkenntnis", diese der Vernunft ganz alleine zugeschriebene Fähigkeit, nicht mehr länger akzeptiert. Rationales Denken hänge von apriorischen Kategorien ab, folglich könne Natur nicht als objektive Wahrheit, sondern nur als Erscheinung erkannt werden.

Der Kunst als Erkenntnisweg wuchs nun eine neue Rolle zu, da in ihr die Natur ganz rein waltet.

Fekete erwähnt weiterhin:

"Schelling übernahm von Kant die Ablehnung des Verstandes und der Vernunft als Legitimationen des künstlerischen Gegenstandes" (2).

Schelling habe sich "von der Vernunftgläubigkeit der Aufklärung" und genauso "von der Forderung der Nachahmung der Natur" gelöst, wie es als Idee von der hellenistischen Antike bis in diese Zeit tradiert worden ist. Daraus resultierte:

"Nach Schelling steht der Künstler über dem Denker, da sein Werk das Sinnliche vergeistigt, das Geistige versinnlicht und damit den Schöpfungen "der Weltseele" am nächsten kommt." (3)

Natur ist bei Schelling "sichtbarer Geist" und Geist "unsichtbare Natur". Das gab viel Raum zum neuen Denken und schuf Kreativität. Im Künstler und in der Kunst liegt dann eine Kraft, die Natur als "idealische Schönheit" abzubilden und dem Genie, oder Künstler, wächst dann eine subjektive Fähigkeit zu neuer Kunst zu. Diese kann sich rückwärtsgewandt oder fortschrittlich entfalten. Auf jeden Fall schafft sie ein neues Raumdenken.

Bester Ausdruck der Romantik sind die englischen Landschaftsparks, die wie ideale Szenen gemäß der romantischen Landschaftsmalerei gestaltet wurden. In solchen Parks wurden künstliche "gotische" Ruinen eingestreut, die sowohl schaudern lassen sollten, um auf das Vergängliche in der Natur zu zeigen, aber sie sollten auch Landschaftsräume romantisch verklären, da sie Kulissenzauber darstellten, dem man ausgesetzt werden sollte.

Diese Architekturmode der frühen und romantischen Neugotik fand bald Anhänger im deutschen Kulturraum.

Erst als die Altertumswisenschaft eine akribische Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Gotik anfing, reflektierte man die Neugotik ganz anders. Es ging zu dieser Zeit darum, an die Fähigkeiten anzuknüpfen, über die die gotischen Baumeister verfügt hatten. Das drängte in Deutschland zum Weiterbau des Kölner Doms, der im Mittelalter begonnen worden war und dessen Baustelle danach lange Jahre nicht mehr betrieben wurde. Es kam zur Zeit der Neugotik zu vielen hochwertigen Profan- und Sakralbauten.

Zu den führenden Architekturtheoretikern der wissenschaftlichen und demokratischen Phase der Neugotik gehörte Reichensperger. Er war von Hause aus Jurist, hatte sich aber durch Studien Kenntnisse erworben, die es ihm erlaubten, neugotische Ideen voranzutreiben. Auch er war zunächst romantisch bewegt und zugleich von dem Ideengut der Aufklärung, das mit der französischen Revolution aufgekommen war, erfaßt gewesen, das ein neues Staatswesen hervorbringen sollte. Er kämpfte für einen preußischen Zentralstaat, der die kleinteiligen deutschen Herrschaftsräume zusammenfaßt.

In den 1830er Jahren war dieses widersprüchliche Denken, einerseits romantisch bewegt zu sein, und andererseits vom aufklärerischen Geist vorangetrieben zu werden, üblich und noch miteinander vereinbar. (4) Später trennte sich das Romantische ab.

Im Architekturgeschehen macht sich dieser Vorgang im Aufkommen der hochstehenden Neugotik sehr deutlich bemerkbar. Die Bauwerke, die dann entstanden, gehören zum wertvollsten Kulturgut vieler Städte und geniessen Bewunderung. Viele von ihnen sind städtische Wahrzeichen geworden. Man kann sagen: Zu dieser Zeit war bereits überwunden, was früher von der Gotik gedacht worden war. Alfred Kamphausen schreibt in seinem Büchlein "Gotik ohne Gott" (1952):

"Gotik war für Vasari ungebändigt wuchernde, unförmige Kunst, dem dunkeln, noch vom Urwald bedrängten Norden eigen." (5)

Die mit der Renaissance aufgekommene dunkle Sicht auf die Gotik hatte sich erst nach und nach, und eigentlich erst mit dem Ende der Zeit der Romantik, aufgelöst. Dazu beigetragen hatte auch der Goethe der Sturm und Drang-Zeit, der bei einem Besuch Straßburgs von der Außenwirkung des Straßburger Münsters im Stadtraum so angetan war, daß er begeistert darüber schrieb. Gotik geriet bald in große Wertschätzung und löste eine qualitativ hochwertige Neugotik auch in Deutschland aus. Engländer und Deutsche waren so stolz auf sie, daß sie meinten, die Gotik sei bei ihnen entstanden. Nur die Franzosen konnten es schließlich zurecht behaupten. Aber dazu mußte erst einmal gewußt werden, wo die Gotik entstanden war und was sie ausmacht. Dies war durchaus strittig.

Das akribisch erarbeitete Wissen zur Gotik wurde in den relevanten beruflichen Kreisen der verschiedenen Nationalstaaten durchaus zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten akzeptiert. In Deutschland geschah dies sehr spät, erst dann, als herausgefunden wurde, daß der älteste Teil des Kölner Doms auf einer Planung beruhte, die direkt von den Planrissen der Kathedrale von Amiens übernommen worden war. In einem Text von Michael J.Lewis, der 1993 herausgegeben wurde, finden sich dazu hervorragende Hinweise.

Neugotik war über Jahrzehnte zu bauen, da Gotikbegeisterung zum Ausdruck der Moderne des 19.Jahrhunderts gehörte. Daneben entwickelten sich andere Bauströmungen, die genauso interessant sind. Von den Bauhütten der mittelalterlichen Gotik schwärmte man noch am Bauhaus in Weimar und Dessau und anderswo. So kam es, daß sich das Gotische auch noch im 20.Jahrhundert deutlich bemerkbar machte.

Karl-Ludwig Diehl


Anmerkungen:
(1)zit.aus H.Schmitz: Die Gotik im deutschen Kunst- und Geistesleben. Berlin, 1921. S.172, oder bei: Julius Fekete: Denkmalpflege und Neugotik im 19.Jahrhundert. München, 1981. S.1
(2)-(3) zit.aus Julius Fekete, wie vor, S.5
(4) siehe genauer bei: Michael J.Lewis: The politics of the German Gothic Revival. August Reichensperger. Bosten, etc., 1993. S.7ff.
(5) zit.aus Alfred Kamphausen: Gotik ohne Gott (1952), S.17

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Über die verschiedenen Arten des römischen Kalkmörtels in der Biedermeierzeit

Der Architekt G.Engelhard hatte im Jahre 1839 aus Kassel einen Text an die Allgemeine Bauzeitung in Wien geschickt, der sich mit dem Bauwesen in Rom befaßt. Die Redaktion hatte dadurch die Möglichkeit erhalten, ihre Leserschaft über die Zubereitung des Kalkmörtels und den Mauerwerksbau in Italien zu informieren. (1)

Engelhard meint, die Art, wie in Rom Mörtel hergestellt werde, könne man in weiten Teilen Italiens antreffen.

"Die Materialien, welche man in dem größten Theile von Italien zum Bereiten des Mörtels gebraucht, sind in so fern von den unsrigen verschieden, als dort der Kalk ziemlich rein, d.h. mit geringer Beimischung von Thon- und Kieselerde vorkommt, und statt des Sandes die sogenannte Pozzolanerde angewendet wird. Letztere ist ein vulkanisches Produkt, das sich als lockere Masse vom feinsten Staube bis zu Stücken von der Dicke einer Faust findet und gewöhnlich von rothbrauner Farbe ist. Die Güte derselben ist sehr verschieden, und es kommt darauf mehr an, als auf die Güte des Kalkes." (2)

Engelhard beobachtete, daß an der Stelle des Sandes Pozzolanerde dem Kalk beigemischt wurde, um Mörtel zu erhalten. Die Qualität der Pozzolanerde sei sogar entscheidender für den Mörtel als der Kalk.

Während die Puzzolanerde eine lockere Masse von Staub bis hin zu größeren verfestigten Brocken daraus ist, erhalten wir von der Kalkmasse diese Beschreibung, nämlich:

"daß sie von scharfem glasigen Bruche sei (wie Bimsstein), und beim Reiben knirsche, sodann, daß sie Wasser nicht trübe, sondern darin schnell zu Boden falle, und daß sie von recht intensiver feuriger Farbe sei, was ein Zeichen ist, daß sie keine vegetabilischen Substanzen enthalte." (3)

Es wird gesagt, der Mörtel unterstütze die Arbeit den Maurer, sodaß diese nicht unbedingt gezwungen sind, genau zu arbeiten. Der Kalkmörtel sei ihnen deshalb wichtiger als die Mauersteine. Sie würden sehr großen Wert auf die genaue Zubereitung des Mörtels legen. Wie sich Puzzolanerde und Kalk zum Mörtel binden, ist so beschrieben:

"Die Puzzolanerde bildet mit dem Kalk eine an der Luft schnell erhärtende Masse, die sich hernach, selbst unter Wasser, nicht wieder auflöset." (4)

Es handelt sich also um einen hydraulischen Mörtel, dem Wasser nichts mehr anhaben kann. Man wird im deutschsprachigen Kulturraum die Italiener um ihren Kalkmörtel beneidet haben. Wie werden die Mörtel angemischt?

"Das Mischungsverhältniß derselben bestimmt sich nach der Güte der Materialien, gewöhnlich nimmt man 3 bis 3 1/2 mal soviel Pozzoloanerde als gelöschten Kalk (Grössentheile). Auch richtet sich die Mischung nach den verschiedenen Arten von Mauerwerk oder Verputz, wozu der Mörtel gebraucht werden soll; im Allgemeinen aber gilt, daß der Kalk so lange mit Pozzolanerde und Wasser versetzt wird, bis das Gemisch nicht mehr an der Schaufel hängen bleibt." (5)

Es wird deutlich, daß die Baustoffe in unterschiedlicher Qualität vorliegen konnten, worauf bei dem Mischungsverhältnis Rücksicht zu nehmen war. Eine solche Mörtelmischung setzt also Erfahrung voraus, um im Ergebnis eine möglichst gleichbleibende Qualität des Mörtels zu erhalten. Neben der Qualität der Ausgangsstoffe war die Menge der Wasserbeigabe so zu organisieren, daß sich Mörtel ergab, der sich zum Mauern gut eignete. Als Kriterium der Maurer, ob er gute Konsistenz habe, wird im Text gesagt, er habe sie dann, wenn er an der Schaufel nicht mehr kleben bleibt.

Engelhard führt sechs verschiedene Kalkmörtelarten an.

1. Calce da fondamenti

Er bestehe aus dem einfachen Gemisch von gelöschtem Kalk und Pozzolanerde, wobei er zur Pozzolanerde sagt, sie werde im rohen Zustande, also ungesiebt, verwendet.

"Dieser Mörtel wird nur zu Mauerwerk unter der Erde und zu Füll- und Gußwerk in dicken Mauern gebraucht" (6)

Man würde die gröberen Teile der Pozzolanerde, die beim Sieben durch ein Drahtsieb anfalle, in den Calce da fondamenti einmischen, was sagt, daß ein Bestreben bestand, alles angefahrene Baumaterial zu verbrauchen. Man würde diesen Mörtel mager und sehr flüssig anmachen. Der fein ausgesiebte Anteil der Pozzolanerde diente für den qualitativ anspruchvolleren Kalkmörtel.

2. Calce di muratore

Er werde zu allen "reinen Mauern" verwendet und unterscheide sich vom vorherigen Mörtel für die Fundamente nur dadurch, daß ausschließlich fein gesiebte Pozzolanerde dem Mörtel beigemischt werde. Sowohl Backstein- wie Bruchsteinmauerwerk würde mit diesem Kalkmörtel gemauert. Auf gute und genaue Mörtelmischung sei zu achten.

"Der Kalk wird zuerst mit sehr wenig Pozzolanerde gemischt und durchgearbeitet, dann wird etwas mehr Pozzolanerde zugesetzt und von neuem durchgearbeitet, und so fort, bis das gehörige Verhältniß erreicht ist." (7)

Man würde mit diesem Mörtel die Wände bewerfen, um sie roh zu verputzen. Die Bindekraft eines solchen Mörtels sei ungewöhnlich stark, was erfordere, ihn mit Wasser über etliche Tage zu nässen, damit kein zu schnelles Abbinden eintritt und Risse auftauchen. In feuchten Jahreszeiten würde dieser Mörtel am besten zu verwenden sein. Nach etwa 14 Tagen sei er so sehr gehärtet, daß ein Mauerwerksverband nur noch mit dem Meißel auseinander geschlagen werden könne.

3. Calce passata

Diese Mörtelart ist interessant. Man bereitete diesen Mörtel, wenn sehr sorgfältig zu mauern war. Verwendung fand er bei Pfeilern, sehr tragfähigen Mauern, Kaminen. Er würde auch beim Vermauern der Dachziegel genommen. Genauso sei der zweite Anwurf beim Mauerputz aus Calce passata. Woher der Name rührt, wird hierdurch deutlich:

"Calce passata ist Calce di muratore, die noch durch ein großes Sieb geworfen wird, wodurch nicht nur die zu groben Stücke der Pozzolanerde abgesondert werden, sondern auch eine innigere und gleichförmigere Vermischung des Kalkes mit der Pozzolanerde erreicht wird." (8)

Man nahm Drahtsiebe, die 1 Meter breit und 1.25 Meter hoch waren und schräg aufgestellt wurden. Es seien Drahtsiebe gewesen "mit 0,012 Met.großen Maschen". Großer Wert wurde also auf einen Kalkmörtel gelegt, der ein Sieb passierte und dadurch gleichförmigere Konsistenz annahm. Offensichtlich ließ sich damit haltbarer mauern.

4. Calce ripassata

Auch hierfür war der Calce di muratore durch ein Sieb zu geben. Um den Mörtel "fetter" zu machen, wurde er "durch ein Handsieb" gedrückt, damit "alle nicht ganz feinen Theile der Pozzolanerde" im Sieb verblieben. Man nahm dazu ein rundes Drahsieb "mit 0,005 Met. großen Maschen".

"Man braucht ihn besonders bei vielen Ziegelsteinkonstrukzionen, z.B. bei Gewölben, Thür- und Fenstergewänden, Ecken von Gebäuden, Gesimsen, zum Einmauern von irdenen Röhren u.s.w. aber überall nur in sehr dünnen Lagen, da er wegen seiner größeren Fettigkeit leichter reißt als andere Mörtel." (9)

Wenn große Werkstücke vermauert wurden oder "Ziegelsteinmauern von geschliffenen Steinen" herzustellen waren, benötigte man diesen fetten Kalkmörtel. Zum Verputzen durfte man ihn nicht nehmen, da er zu fett war. Im Mauerwerk mit sehr dünnen Fugen war er angebracht.

5. Colla

Colla ist sehr magerer Kalkmörtel. Man beachte, wie er hergestellt wurde. Auch er wurde durch Sieben gewonnen.

"Colla ist Calce ripassata, noch einmal durch ein feines Haarsieb gelassen, und hernach mit eben so fein gesiebter Pozzolanerde gemischt, um den Mörtel wieder mager zu machen, da bei dem mehrmaligen Durchsieben immer weniger Pozzolanerde darin bleibt." (10)

Das Haarsieb wird als Werkzeug grivello genannt, hat runde Form, einen Durchmesser von einem halben Meter und wurde damals aus starken Pferdehaaren geflochten. Es wird gesagt, die Maschen wären vielleicht so eng, daß 25 Pferdehaare "auf 0,01 Quad.Met. zu stehen kommen".

Man habe die Colla "zum Ausputzen der Fugen" beim Ziegelmauerwerk verwendet, wenn darauf verzichtet werden sollte, solche Mauern zu tünchen. Genauso habe man damit Gesimsgliederungen fein verputzt und auch damit die letzten Feinheiten des Wandputzes angebracht. Er sei auch "bei manchen Konstrukzionen, z.B. bei weitgespannten horizontalen Ueberwölbungen aus Ziegelsteinen" (11) in Verwendung gekommen. Dieser Hinweis auf das Wölben dürfte sehr wichtig sein. Die letzte geschilderte Kalkmörtelart ist:

6. Stucco

Er diente in der Biedermeierzeit zum Verputzen. Er wurde, "wie die Colla", einen "Messerrücken" dick aufgetragen. Unbedingt zu nehmen war er zum Glätten feiner Gliederungselemente, bei Ornamenten, usw.

"Stucco ist wie Colla, nur mit dem Unterschiede, daß, statt der feinen Pozzolanerde, feiner Marmorstaub zugesetzt wird, wodurch der Mörtel eine sehr große Festigkeit und ein schönes Ansehen bekommt" (12)

Sowohl die Colla wie der Stucco habe man mit einer sehr schmalen und kleinen Kelle aufgetragen, um den feinen Kalkmörtel "glänzend" zu verstreichen.

Es stellt sich nun die Frage, wie sich in Rom und Italien der Mörtel nach der Biedermeierzeit weiterentwickelte. Durch die Industrialisierung müssen andere Herstellungsverfahren für die Mörtel aufgekommen sein, trotzdem muß diese Tradition der Mörtelzubereitung Nachwirkungen gehabt haben, die dazu führte, daß sich das Mauern nördlich der Alpen und südlich der Alpen anders entwickelte.

Man hat vor und während der Biedermeierzeit sicherlich von der Zubereitung des hydraulischen Mörtels in Italien gelernt. Die italienischen Kalkmörtel dieser Mischung mit Puzzolanerde waren hydraulische, also wasserfeste Mörtel. Man holte sich auf Schiffen die Pozzolanerde nach Nordeuropa, wie aus biedermeierzeitlichen Texten hervorgeht. Ab wann man im nördlichen Europa von den Italienern den hydraulischen Mörtel übernahm, wäre herauszufinden. Die Geschichte der Herstellung und Verwendung von Mörteln ist wohl ein weites Feld, das wissenschaftlich zu erschliessen ist. Was davon schon durch die römischen Besatzer, also vor dem nordeuropäischen Mittelalter, nach Norden gelangte, bildet eine weitere Frage, die auf Antwort wartet.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:

(1) G.Engelhard: Bauarbeiten in Rom. S.188-195 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839
(2)-(5) zitiert aus: G.Engelhard, wie vor, S.188
(6)-(12) zitiert aus: G.Engelhard, wie vor, S.189

Die Geschichte des Mauerziegels in deutschen Landen in einem Text aus der Biedermeierzeit

In einem im Jahre 1839 veröffentlichten Aufsatz wurde der Versuch unternommen, die Geschichte des Mauerziegels nachvollziehbar zu machen. Da sich der Aufsatz an ein deutschsprachiges Publikum richtete, endet die Aufeinanderfolge der geschichtlichen Abriße in Deutschland. Zuvor war nacheinander der Gebrauch des Mauerziegels in der traditionellen Reihenfolge der Kulturentwicklungsräume zur Darstellung gebracht worden. Es begann im Zweistromland, daraufhin folgte Aegypten, das antike Griechenland und Rom. Von den nördlicheren Regionen kamen dann Hinweise zu Britannien, um schließlich mit Deutschland zu enden. Eine solche Darstellung kann uns niemals das Aufkommen des Lehmziegels und Backsteines in seiner historischen Entfaltung wirklich erläutern wollen, sondern uns wird ein ungefährer Hinweis gegeben, wie der Mauerziegel zu uns nördlich der Alpen gelangte. Wir müssen uns mit diesem Text aus der Biedermeierzeit zunächst begnügen, weil er einen frühen Versuch darstellt, die Geschichte des Mauerziegels vor Augen zu führen.

"Auch in Deutschland finden sich Spuren von Mauerwerken aus den Zeiten der Römer in hinreichender Menge, um daraus beurtheilen zu können, daß die Form und Verfertigungsweise der Mauerziegel mit der oben beschriebenen vollkommen übereinstimmt, was um so eher vorauszusetzen war, da die Deutschen die Fabrikazionsweise von den Cohorten erlernen mußten, welche bei Gelegenheit der römischen Invasionen dorthin kamen und als Wachposten u. sich dort ansiedelten." (1)

Mit den römischen Besatzungstruppen und was mit ihnen mitzog, um große Teile des nördlichen Europa unter Kultur zu nehmen, soll der Mauerziegel nach "Deutschland" gekommen sein. Die "Deutschen" hätten die "Fabrikazionsweise" der Mauerziegel von den römischen Cohorten erlernen müssen. Das kann natürlich so sein. Mit Lehm Bausteine zu formen, könnte jedoch auch schon älter sein, da Lehm beim Hausbau ein sehr lange verwendetes Material ist. Außerdem hatte das Brennen von Keramik eine sehr lange Tradition. Den Übergang vom luftgetrockneten zum gebrannten Lehmquader zu finden, könnte bereits vor der Zeit der römischen Besatzung stattgefunden haben. Es wird jedoch gemeint, der Backstein sei mit den Römern nach "Deutschland" gekommen. Aber nicht nur der:

"Auch von Terrakotten finden sich aus jener Zeit noch höchst interessante Ueberreste. Namentlich besitzt das, durch den Herrn Präsidenten von Stichauer in Speyer gegründete Antiquarium in dieser Hinsicht sehr schätzbare Gegenstände, indem man bei den Nachgrabungen in Zabern so glücklich gewesen ist, die ganze Werkstatt, nebst dem Brennofen eines römischen Töpfers aufzufinden, in welcher sich nicht allein eine große Menge der verschiedenartigsten Gefäße für die Haushaltung, - gebrannt und ungebrannt, - sondern auch die Formen erhalten haben, in welchen dieselben mit den darauf befindlichen Reliefs und Ornamenten gepreßt worden sind." (2)

Automatisch von der Auffindung eines römischen Töpferofens darauf zu schließen, daß mit solchen das Terrakottabrennen nach "Deutschland" kam, dürfte wenig Sinn machen, da zugleich danach zu suchen ist, ob nicht schon zuvor Terrakotten in den römisch besetzten Gebieten gebrannt wurden. Die Textstelle sagt aber eindringlich, daß es in der Biedermeierzeit in Speyer ein Antiquarium gab und archäologische Ausgrabungen an der Tagesordnung waren. Diese frühe Archäologie kennen zu lernen, dürfte interessant sein, da sie auch viel zur Geschichte der Bautätigkeit beigetragen haben muß.

"In den nördlicheren Theilen Deutschlands finden wir, namentlich an den Gebäuden für den Kultus, ein Ziegelmaterial von der größten Vollkommenheit, dessen Spuren bis in das neunte Jahrhundert hinauf reichen. Die Form der Ziegel, welche sich durch viele Jahrhunderte erhalten hat, ist, mit wenigen Ausnahmen, eine Länge von 12 - 13 Zoll, eine Dicke von 4 Zoll und eine Breite von 6 Zoll, doch finden sich auch hier und da Steine von größeren Dimensionen, und man hat Beispiele von gut gebrannten Ziegelplatten von 18 Zoll im Quadrate, bei einer Dicke von vier Zoll, welche sich in den Umfassungsmauern einer im eilften Jahrhunderte erbaueten Kirche befanden. Zu Gewölben bediente man sich der Ziegel von 8 Zoll im Quadrate und 3 1/2 Zoll Dicke." (3)

Es werden hier Maßangaben von Backsteinen gegeben, ohne darauf deutlich zu verweisen, daß es sich um gebrannte Lehmziegel handelt. Außerdem fehlen die genauen Hinweise darauf, wo sich solche Steine auffanden. Das trifft auch für die Backsteine zu, die für den Gewölbebau genommen wurden. Immerhin lassen sich damit erste Ideen entwickeln davon, was sich vorfand.

"Der Verband, den man zu jenen Zeiten anwendete, war keineswegs musterhaft, und beschränkte sich darauf, daß man z.B. für eine vierfüßige Mauer, die beiden Außenflächen einen Stein stark in einem, unserem jetzigen Blockverbande ähnlichen Verbande aufführte, den Zwischenraum mit Steintrümmern, großen Feldsteinen u. ausfüllte und das Ganze dann mit Kalkmörtel ausgoß." (4)

Als Zeitangaben waren bis jetzt "bis ins neunte Jahrhundert hinauf" und "zu jenen Zeiten" zu lesen. Zuvor war die römische Besatzungszeit als ungefährer Zeitrahmen genannt. Das sind sehr undeutliche Angaben, die zusammen mit den fehlenden Angaben zu den Orten, wo die Ziegel anzutreffen waren, kaum ein gutes Bild zeigen können.

Als Verband des Mauerwerkes mit Backsteinen wird eine Art Blockverband genannt, der als Backsteinmauerwerk einen Zwischenraum aus Steintrümmern umschloß, die mit Kalkmörtel vergossen waren.

"Eine sehr angenehm ins Auge fallende Mosaik bildete man in jenen Zeiten dadurch, daß man eine gewisse Anzahl von Ziegeln im Brande verschiedenfarbig glasirte, und mit der rothen Waare zugleich nach bestimmten Mustern vermauerte. Auch Dachziegel wurden so glasirt, und Ulm hat deren sehr schöne Ueberreste aus dem Mittelalter, namentlich in der Deckung eines alten Thurmes an der Donau." (5)

Der mittelalterliche Backsteingebrauch ist hier für Ulm und irgendwo anders nachgewiesen. Es wird bereits vielfarbig vermauert, um Musterungen an den Fassaden sehen zu können. Glasierungen, die von der Töpferei her bekannt waren, finden Eingang in die Backsteinproduktion. Sie fanden sich schon im frühen Zweistromland in Gebrauch. Was mit den Mauerziegeln gemacht werden konnte, fand Ausweitung auf den gebrannten Dachziegel.

"Der Gebrauch der Terrakotten im südlichen Deutschlande scheint sich in ziemlich frühe Zeiten zurück zu erstrecken, indem vor Kurzem in Wien, als, bei Gelegenheit eines unterirdischen Baues in der Nazionalbank, der Boden auf eine bedeutende Tiefe ausgehoben wurde, ein Sarg gefunden worden ist, der ganz aus diesem Materiale zusammengesetzt war, leider aber durch Unvorsichtigkeit der Arbeiter zu Grunde gegangen ist." (6)

Die Herstellung der Terrakotta scheint bereits früh zu hoher Qualität gelangt zu sein. Hier fragt es sich natürlich, was aus diesen Überresten des Terrakottasarges geworden ist, der aus Trümmern hätte zusammengesetzt werden können. Das Thema liegt jedoch etwas abseits von dem Darstellungsgegenstand Mauerziegel, verweist also nur auf hohe Herstellungstechnik, die bereits vorhanden war.

"Die damaligen Ziegel sind außerordentlich genau geformt und sehr gut durchgebrannt, und Gebäude, wie sich deren sehr viele im Königreiche Preußen, in der Altmark und Mittelmark, finden, bilden Muster, denen gleich zu kommen wir uns heut zu Tage bemühen müssen. Auch geformte Gesimssteine finden sich von großer Nettigkeit." (7)

Der Hinweis "damalig" ist natürlich wieder sehr ungenau. Er bildet mehr einen Anreiz, nach genaueren Angaben zu suchen, als daß er uns weiterhilft. Andererseits haben wir kulturräumliche Angaben, die sich auswerten lassen: Königreich Preußen, Altmark, Mittelmark. Aber auch diese Hinweise bleiben undeutlich. Daß damals eine Hochkulturphase bestanden haben muß, die daraufhin in Verfall geriet, sagt der folgende Textabschnitt:

"Die jetzige Ziegelbereitung in Deutschland ist, wiewohl dieselbe noch vor wenigen Jahrzehenden außerordentlich in Verfall gerathen war, durch die Bemühungen mehrerer Architekten und Fabrikanten bereits wieder so sehr gesteigert worden, daß sie in mehreren Provinzen die besten derartigen Arbeiten früherer Zeiten nicht allein erreicht hat, sondern dieselben theilweise weit hinter sich zurück läßt." (8)

Hier haben wir nun eine Angabe, die sehr deutlich macht, daß durch Architekten und andere eine im Verfall begriffene Backsteinherstellung, usw. wiederbelebt und zu neuer Blüte gebracht wurde. Das sollte Anlaß bieten, dem genauer nachzugehen. Glücklicherweise erhalten wir erste Hinweise.

"So sind z.B. im Königreiche Preußen durch die eben so thätige als geschmackvolle Einwirkung des geheimen Oberbaudirektors, Herrn Schinkel, und des Ofenfabrikanten, Herrn Feilner, eben so wohl vortreffliche Terrakotten und Gesimsziegel, als auch gewöhnliche Ziegelsteine geliefert worden, die nichts zu wünschen übrig lassen. In letzterer Hinsicht zeichnet sich namentlich die Ziegelei des Herrn Wenzel in Wusterhausen aus, über welche die Bauzeitung (1938, s.189 ff.) Nachrichten geliefert hat. Auch in Würtemberg ist für diese Fabrikazion viel gethan worden, und der Ziegel- und Brunnenröhrenfabrikant Herr Bihl in Waiblingen, liefert gebrannte thönerne Brunnenröhren, welche einen Wasserdruck von 300 Fuß aushalten. Die neuesten Arbeiten in München zeigen ebenfalls bedeutende Fortschritte, und die Gesimsziegel, so wie die ordinären Ziegel an den dortigen öffentlichen und Privatgebäuden, geben Zeugniß davon." (9)

Hinweise auf Schinkel, den Ofenfabrikanten Feilner, die Ziegelei des Herrn Wenzel in Wusterhausen, Herrn Bihl in Waiblingen und die Münchner Backsteinherstellung, die damals große Fortschritte machte, sind überaus nützlich. Man muß nach den vielen weiteren Hinweisen suchen, die auf den Entwicklungsgang der Backsteinherstellung verweisen, hier vielleicht übergangen wurden, weil es naheliegt, daß die Allgemeine Bauzeitung nur auf Ziegeleien verweisen will, die durch Annoncen in dieser Bauzeitschrift auf ihre Produkte verweisen. Man müßte das überprüfen. Bezogen sich diese Angaben auf Preußen und andere deutschen Provinzen, so folgen als Abschluß im Text Angaben zu Österreich:

"Nur in Oesterreich, mit Ausnahme von Grätz, ist für diesen Fabrikazionszweig noch nichts Erhebliches geschehen, ungeachtet das vortreffliche Material eine ausgezeichnete Bearbeitung gestatten würde und ohnedem sehr leicht zu gewinnen ist. Namentlich zeichnet sich Wien in dieser Hinsicht aus, trotz dem die große, dort herschende Baulust die Fabrikanten zum Fortschreiten wohl anfeuern dürfte. Es scheint aber, als wenn eben der große Bedarf an Waare, der den Käufern nicht zu wählen erlaubt, den Fabrikanten, die kaum diesem Bedarfe genügen können, weder Zeit noch Lust gönnte, zeit- und kostspielige Versuche zu machen, oder Verbesserungen in der Fabrikazion eintreten zu lassen." (10)

In Graz und Wien hatte man sich in der Biedermeierzeit offensichtlich sehr um eine Qualitätssteigerung in der Backsteinherstellung bemüht. Ansonsten scheint zu dieser Zeit wenig Entwicklungsdynamik auf diesem Industriesektor geherrscht zu haben. Es wird hier im Text gemeint, die große Nachfrage könne dazu führen, den Standard ganz allgemein anzuheben. Andererseits sei es so, daß gerade diese große Nachfrage es den Fabrikanten erlaube, auch alle minderwertige Ware loszuwerden, was sie andererseits davon abhalte, ihre Produktion zu modernisieren. Dies wird dann wohl eine wirtschaftspolitische Maßnahme gewesen sein, da das Land mit der europäischen Entwicklung mithalten mußte. Es ergeben sich also viele offene Frage, um die Geschichte der Backsteinherstellung und -verwendung im deutschen Kulturraum zu verstehen. Immerhin bietet uns der Text aus der Biedermeierzeit einen Einblick in das, auf was man in der Biedermeierzeit aufbauen konnte, um das Bauwesen in seiner Qualität und Quantität zu steigern. Die Backsteinherstellung und -verwendung gewann bereits im frühen 19.Jahrhundert an rasch zunehmender Bedeutung. Man wird sich mit dieser raschen Zunahme intensiv beschäftigen müssen.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(8) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.251
(9) zitiert aus: o.A., wie vor, S.251f.
(10) zitiert aus: o.A., wie vor, S.252

Die frühe Geschichte der Mauerziegel in England in einem Text aus der Biedermeierzeit

In der Traditionslinie der Aufeinanderfolge der kulturgeschichtlichen Entwicklungsschritte wurde in einem biedermeierzeitlichen Text die Geschichte der Mauerziegel abgehandelt. Zweistromland, Aegypten, Griechenland, Römerzeit waren die ersten vier Stationen. Nun folgt die Darlegung der Verwendung der Mauerziegel in den nördlichen europäischen Ländern, wohl um zu suggerieren, daß nun endlich auch im Norden die Schaffung einer hohen Kultur einsetzte.

"Betrachten wir neben den südlichen Ländern auch die nördlichen, so finden wir in keinem der letzteren so viele Ueberreste von Bauwerken, welche den Uebergang aus der Baukunst der Römer in die der neueren Zeit darstellen, als in England" (1)

Es wird also gemeint, England sei das Land, wo sich der Übergang von der Römerzeit zur Kulturzeit danach am besten zur Darstellung bringen lasse. Suggeriert wird, es würden sich dort wie "in keinem" anderen nördlichen europäischen Land so viele Baureste aus der Übergangszeit auffinden lassen. Es verrät sich hier sicherlich die Tatsache, daß die Redaktion in Wien ihren Aufsatz auf dem englischen Text von Turner aufbaute, der als Schriftsteller in England vermutet werden darf. Wir erfahren:

"Hier müssen wir bemerken, daß sowohl die alten Britannier, wie die Gallier, von den Römern, mit welchen sie in mannigfache Berührung kamen, die Kunst der Bereitung, sowohl der Luftsteine, als der gebrannten Ziegel, erlernten, indessen findet man aus den ersten Zeiten der Anwendung derselben keine anderen Mauern aus diesem Materiale, als die wirklich von den Römern aufgeführten." (2)

Man hat also hier zweierlei Kulturräume vor sich, den des Festlandes, wo sich heute Frankreich befindet, als auch den der britischen Inseln, die von den Römern in Teilen besetzt gewesen waren. Es wird behauptet, die Gallier und antiken Briten hätten die Kunst, Lehmziegel und Backsteine herzustellen, von den Römern erlernt. Das liesse sich dadurch aussagen, weil erst ab der Römerzeit Mauern aufzufinden sind, in denen solche Mauerziegel vorkommen. Doch seien die Römer höchst sparsam mit Mauerziegel umgegangen, denn es heißt:

"Selbst bei diesen sind jedoch die Mauersteine sehr sparsam verwendet, und man bediente sich ihrer einerseits nur zum Wölben von Bögen, andererseits um einzelne Bänder durch das ganze Mauerwerk zu ziehen, und so den anderen Baumaterialien eine innigere Verbindung zu schaffen." (3)

Es wurden somit, wohl nur Backsteine, in der britischen Römerzeit zum Wölben von Bögen und zum Mauern von Bändern genutzt. Diese Bänder faßten anderes Mauerwerk stabil zusammen und schufen eine horizontale Ausgleichsschicht. Sie sind, da man die römischen Ruinen oder überlebenden Bauten auswertete, genauer beschrieben:

"Diese Bänder bestanden aus drei und vier Schichten von Steinen, und lagen je drei und vier Fuß von einander entfernt, während der dazwischen liegende Theil der Mauer mit kleinen Steinen, Schiefer u. in Kalk gemauert war." (4)

Man hatte Bestandsaufnahmen gezeichnet und sie dem Text aus der Biedermeierzeit beigegeben. Sie zeigen Beispiele dafür aus Verulam, Colchester, Chesterford und London. Genannt ist auch ein Forscher namens Stowe, der sich dieser Aufgabe der Erforschung des römischen Mauerwerksbaus in England widmete. Man wird dessen Ausarbeitungen genauer durcharbeiten müssen, um zu ersehen, was er zusammentragen konnte.

Die Backsteinbänder wären demnach drei oder vier Backsteinschichten hoch gewesen und zwischen solchen Bändern habe es Natursteinmauerwerk von drei bis vier Fuß Höhe gegeben. Zur Kulturzeit nach der Römerzeit gibt es Hinweise:

"Bei den Sachsen und Normannen finden wir den Gebrauch der Ziegelsteine fortgesetzt, doch ist es ungewiß, ob sie dieselben neu anfertigten, oder ob sie sich nur solcher bedienten, welche sie von römischen Bauwerken hernahmen; denn meistentheils befinden sich die Gebäude aus jener Zeit, bei welchen Ziegelsteine angewendet wurden, in der Nähe von römischen Stazionen." (5)

Es liegt hier nahe, Spolien anzunehmen, die von den Sachsen und Normannen aus den römischen Bauten genommen wurden. Es könnte also sein, daß römische Ziegel bei normannischen und sächsischen Bauten der nachrömischen Zeit aufzufinden sind. Der Autor wird präziser:

"Die beiden Kirchen zu St.Albans sind unbedingt von einem und demselben Materiale aufgeführt, während die eine, die Michaelskirche, von den Sachsen im zehnten, die andere, die Abteikirche, im eilften Jahrhunderte von den Normannen erbaut wurde." (6)

Man hat Belege sowohl für die Wiederverwendung wie für eigenständig hergestellte Backsteine aus der Sachsen- und Normannenzeit. Zur Michaelskirche wird gesagt:

"In letzterer Kirche finden sich jedoch bereits besondere, zu Treppenspindeln und kleinen Säulen rund geformte Steine." (7)

Es wurden bereits Backsteine selbst gebrannt und nicht mehr Spolien entnommen. Dabei griff man zu einem Formengut, das als eigenständig aufzufassen ist.

"Aus dem Allen scheint hervor zu gehen, daß die Normannen die, zu ihren Gebäuden nöthig werdenden Steine, nicht allein noch ganz nach Art der römischen bereiteten, sondern, daß sie auch von letzteren die Kunst mit überkamen, demselben, nach den verschiedenen Zwecken, auch verschiedene Formen zu geben, wie dieß die sich kreuzenden Bögen an der Westfronte der Botolphs Priorei in Colchester aus dem siebenten Jahrhunderte deutlich zeigen." (8)

Aus kam damit in der Kulturzeit nach den Römern zu ganz eigenen Backsteinformen, die genauer bekannt werden müßten, um diese Produktionsphase der Mauerziegel zu verstehen. Gemauert wurde offensichtlich schon sehr kunstvoll mit Backsteinen, da es heißt, es seien sich kreuzende Bögen gemauert worden.

"Wie lange man sich noch der römischen Formen und Abmessungen bediente, läßt sich nicht genau bestimmen, doch finden sich schon aus den Zeiten Heinrichs I. und Edwards II. (1100 - 1307) Steine nach holländischer Art bereitet vor, und man hatte deren in verschiedenen Größen." (9)

Einerseits wurden in der Biedermeierzeit von den Wissenschaftlern römische Formen und Abmessungen der Mauerziegel in der nachrömischen Zeit Englands identifiziert, andererseits glaubte man zu wissen, es seien Steine nach "holländischer Art" vermauert worden. Der betrachtete Zeitraum der Backsteinbaukulturentwicklung umfaßt etwa 200 Jahre. Das würde bedeuten, man sah sich in der Lage, römische, frühe britannische, sächsische und normannische von Ziegeln nach holländischer Art zu unterscheiden.

"Bei der, zu Edwards II. Zeit, um das Jahr 1310 erbauten Priorei von Ely, hatte man Steine von 12 Zoll Länge, 6 Zoll Breite und 3 Zoll Dicke, und andere von 10 Länge, 5 Zoll Breite und 2 Zoll Dicke." (10)

Neben den Abmessungen dieser Backsteine gibt es aber noch einen anderen interessanten Hinweis.

"Damals bauete ein reicher Kaufmann in Hull, Michael de la Pole das erste, ganz aus Ziegelsteinen bestehende Haus." (11)

Hier fragt es sich natürlich, da das Jahr 1310 im Zusammenhang mit dieser Angabe steht, wieso behauptet werden kann, dieses Haus in Hull sei das erste Haus ganz aus Backsteinen gewesen. Wird es so in schriftlichen Quellen genannt, oder hat es sich als solches im Laufe der Zeiten mit dieser Charakterisierung in die erhalten gebliebenen Texte eingeschlichen? Oder beruht dies auf archäologischen Untersuchungen, die ergaben, ein früheres Gebäude ganz aus Backsteinen konnte bislang in England nicht nachgewiesen werden? Der biedermeierzeitliche Text will uns das nicht verraten. Es gibt jedoch bis in die Biedermeierzeit hinreichende Angaben über die Mauerwerksarten, bei denen sich Backsteine auffinden lassen.

"Die in jener Zeit am meisten gebräuchliche Art war die /.../, wo man auf einem Fundamente von Bruchsteinen oder Schiefer, Pfeiler von regelmäßig gelegten Backsteinen aufführte, und die Zwischenräume mit Kieselsteinen oder zerschlagenen schwarzen Feuersteinen auslegte, deren Fugen man rautenförmig anordnete." (12)

Das diagonale Fugenbild der Pfeiler hob sich dabei deutlich von dem übrigen Mauerwerk, das horizontal geschichtet war und aus Natursteinplatten bestand, ab. Warum man in den diagonalen Fugen in die Zwischenräume zerschlagene schwarze Feuersteine einlegte, bleibt unklar. Es könnte dekorative Gründe gehabt haben, falls diese Schwärze zu sehen war. Es muß jedoch beim Mauern auf jeden Fall um eine neue Ästhetik des Anblicks gegangen sein, mit der nach Regelmäßigkeit gestrebt wurde, die als schöner empfunden wurde, denn es heißt:

"Mit einer vollendeteren Konstruktionsart der Gebäude, und mit dem immer allgemeiner werdenden Gebrauche der Mauersteine, verloren auch die letzteren immer mehr ihre ursprüngliche Unregelmäßigkeit, und gegen das Ende der Regierung Heinrichs VII. (1505) und am Beginne der Heinrichs VIII. fingen auch die Landsitze an, allmälig ihr burgähnliches Ansehen zu verändern, während sie jedoch immer noch genug von ihren Eigenthümlichkeiten beibehielten." (13)

Nicht nur der burgähnliche, also wehrhafte und düster wirkende Anblick der Landsitze ging verloren, sondern es wurde auch ein eher heiteres und regelmäßiges Mauerwerk aufgeführt, wird dieser Hinweis aussagen wollen. Der allgemeiner werdende Gebrauch von Mauersteinen soll wohl auf Backsteine hinweisen, oder es sind auch quaderförmig zugehauene Natursteine damit gemeint, was auch sehr viel mehr Regelmäßigkeit bringen würde, wenn das mit Regelmaß geschieht. Man darf jedoch hier seiner Phantasie keinen freien Lauf lassen und orientiert sich besser an den nachgewiesenen Bauten dieser Kulturepoche.

"Layer-Marney-Hall, welches um diese Zeit in der Grafschaft Essex gebaut wurde, gibt hiervon ein vortreffliches Beispiel. Schachbretförmig mit Feuersteinen ausgelegte Felder oder diagonal angeordnete Linien von dunkel gebrannten Backsteinen wurden zwischen den gerade gemauerten Pfeilern jetzt häufig angewendet /.../ und im Jahre 1530 erbaute der Maler Hans Holbein ein Thor von White-Hall, gerade gegenüber von Banqueting-House, in dieser Art, mit schachbretförmig geordneten Backsteinen, Sandstein und schwarzen Feuersteinen, und verzierte dasselbe mit Büsten, welche in Blenden standen. Gebäude von dunkelrothen Backsteinen, Fenstergewände aus Ziegelmasse, und während der Regierung der Königinnen Maria und Elisabeth (1553 - 1558) Ornamente in römischem Style aus demselben Materiale, welche die Fronten der Gebäude und die Kamine zierten, und zur Zeit Jakobs I. (1603) in mannigfache phantastische Schnörkeleien ausarteten, bilden den Charakter jener Zeitperiode, wurden aber kurz nachher ganz wieder bei Seite gelegt." (14)

Man sieht hier allerlei Blendwerk gemauert, das Muster unterschiedlicher Art an der Fassade erzeugte. Sehen wir, was dahintersteckt:

"Im Allgemeinen wurde in jener Zeit schlecht gemauert, und die Wände bestanden meistens nur aus zwei dünnen Schalen von Backsteinmauerwerk, zwischen welchen der Raum mit Schutt und Torf ausgefüllt war." (15)

Das liest sich seltsam. Sollte von niemandem mehr auf gute Qualität geachtet worden sein, nur um außen eine gute Zier sehen zu können? Vermutlich war das nicht so. Ein Gegenbeispiel wird angeführt:

"Inigo Jones führte indessen eine bessere Bauart ein, und Sir Richard Crispe, der Freund König Karls I., soll der Erfinder der jetzt gebräuchlichen sein." (16)

Jetzt gebräuchlich will sagen: in der Biedermeierzeit.

Man mauerte also ab Inigo Jones wieder solider. Der englische Verband ist eingeführt und wird als wohl durchdacht bezeichnet:

"Der in jener Zeit allgemein angewendete Verband der Backsteine, unter dem Namen englischer Verband bekannt, war gewiß wohl durchdacht, wie dieß manche, damals mit Sorgfalt aufgeführte Bauwerke beweisen. Zur Zeit der Regierung König Jakobs aber, und lange hernach noch, wurde man höchst nachlässig in Ausführung der Backsteinmauern, und wenn wir auch zugeben wollen, daß man in den Tagen des Inigo Jones besser mauerte, so wollte man doch die Vortheile der massiven Bauart vor dem damals sehr gebräuchlichen Holzbaue nicht zugeben, und erst zur Zeit Jakobs I. finden wir ein Edikt vom 1.März 1605, worin der Bau aus Sand- und Backstein ausdrücklich für alle neu aufzuführenden Häuser angeordnet wird." (17)

Man muß sich hier ein Zeitgerüst schaffen und die Angaben mit Beispielen genau belegen, um das besser zu verstehen. Da wir uns mit dem Text in der Biedermeierzeit befinden, fragt es sich natürlich, was in späterer Zeit dazu ausformuliert wurde, denn die Gebäudeforschung wird wesentlich mehr erbracht haben müssen. Wir haben also hier nur spärliche biedermeierzeitliche Angaben vor uns.

Deutlich wurde, daß Massivbau und Holzbau miteinander konkurrierten. Mischformen ergaben sich auch. Jedoch werden die Vorschriften darauf aus gewesen sein müssen, Stadtbrände zu verhindern, was sich zugunsten des Mauerwerksbaues auswirkte. Im frühen 17.Jahrhundert kommt es zu Verschärfungen.

"In Folge mehrerer, bei der Sternkammer verhandelter, demselben entgegenstehender Fälle, erschien ein Verschärfungsedikt vom 10.Oktober 1607, und 1614 endlich der strenge Befehl an alle Behörden, auf Befolgung jener Edikte auf das Schärffste zu halten. Doch erst nach der großen Feuersbrunst in London wurde der Massivbau dort allgemein angenommen, und in die Zeit Christopher Wrens und seiner nächsten Nachfolger fällt die Ausführung jener Beispiele von Nettigkeit der Arbeit und des Materiales, welche noch heute eine Zierde vieler Gebäude in der Stadt sind, und bei welchen man den holländischen Verband angewendet sieht." (18)

Stadtbrände führen also zur Akzeptanz des Massivbaues. Die Massivbauten nehmen nun zu, und zwar in rasch wachsenden Zahlen. Im Jahre 1682 sollen nach Stow in London bereits 84.000 massive Häuser vorhanden gewesen sein. Im Jahre 1831 waren es mehr als doppelt so viele.

"Im Jahre 1834 wurden 1180 Millionen Ziegeln versteuert, und im Jahre 1835 betrug der Steuersatz für die verbrauchten Ziegel nicht weniger als 395030 Pfd.Sterl. 7 Schill. 8 1/4 Pence." (19)

Was uns sagt, daß der Massivbau sich durchgesetzt hat, und für den Bau der Gebäude der quaderförmige Backstein das weitaus übliche Material wurde.

Die Bedeutung des Backsteins wuchs also mit großer Geschwindigkeit, wie sich dem Abschnitt entnehmen läßt, der die Entwicklung des Mauerwerksbaus in England seit der Römerzeit zusammenfaßt. Man darf annehmen, daß ab dem 19.Jahrhundert der Umfang des Backsteinmauerwerks in England rapide zunehmen wird. Es schien auf, daß ein Mauerwerksverband aufkam, der als englischer Verband bezeichnet wird. Es ist sicherlich angebracht, alle diese Mauerwerksverbände etwas genauer zu untersuchen, um den englischen Mauerwerksbau in seiner geschichtlichen Entwicklung zu verstehen. Wir erhielten mit diesem Text vom Jahre 1839 nur ungefähre Grundlinien der Entwicklung in England zur Darstellung gebracht, müßten uns also darum bemühen, neuere Literatur auszuwerten, damit sich das Bild abrundet.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(8) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.249
(9)-(18) zitiert aus: o.A., wie vor, S.250
(19) zitiert aus: o.A., wie vor, S.250f.

Hinweise aus der Biedermeierzeit auf den Gebrauch der Mauerziegel im römischen Staat

Der im Jahre 1839 geschriebene Versuch einer Produktions- und Verwendungsgeschichte des "Mauerziegels" läßt sich auswerten, um Anhaltspunkte zu gewinnen, wie zu dieser Zeit die Herkunft des Lehmsteines und Backsteines reflektiert wurde. Der Autor baute in seinem historischen Exkurs die geschichtliche Entwicklung in dieser Reihenfolge auf: er beginnt im Zweistromland und wendet sich nacheinander der Verwendung des Mauerziegels in Aegypten und dem antiken Griechenland zu, um schließlich seine Verwendung im römischen Reich vorzustellen. Zu dieser Zeit galt Pompeji als die umfassendste Quelle, um die Römerzeit vor sich aufleben lassen zu können.

"In der unglücklichen Stadt Pompeji, wo man so vieles in Bezug auf die Baukunst und die Künste im Allgemeinen Bezügliche entdeckte, und welche in der That den Schlußring unserer fortgeschrittenen Kenntnisse von den Sitten der Griechen und Römer bildet, war der Gebrauch der Backsteine durch die dort vorhandenen Baumaterialien als nothwendig und nützlich bedingt, da nicht allein die Natur des Bodens für die Anfertigung derselben vorzüglich geeignet erschien, sondern indem auch die Anwendung der Backsteine in der Konstrukzion ihrer Mauern und Gebäude allgemein und unvermeidlich eingeführt werden mußte." (1)

Pompeji ging bekanntlich im Ascheregen des nahegelegenen Vulkans unter. Hier wird nun gesagt, daß zur Herstellung der Mauerziegel in Pompeji gute Bedingungen herrschten, also bevor der Ascheregen niederging. Die luftgetrockneten Lehmziegel scheinen nicht verbaut worden zu sein, sondern nur der Backstein. Man brauchte sie regelrecht:

"Die gebrannten Steine wurden nämlich erfordert, um mit ihnen einen Verband zwischen den unförmlichen Steinstücken, aus welchen die Bewohner ihre Wände zum großen Theile ausführten, herzustellen, oder sie mußten den Gebäuden, welche von viereckig behauenen, vulkanischen Steinen, Eisenschlacken oder Tuffstein erbaut waren, die nöthige Festigkeit geben." (2)

Dazu will man natürlich mehr wissen. Hingewiesen wird auf ein Mauerwerk aus "unförmlichen Steinstücken", die durch Backsteine zusammengehalten wurden. Wie soll man sich das vorstellen? Der Text sagt dazu noch zu wenig. Andererseits seien Quader aus vulkanischen Steinen in Verwendung gewesen, aber auch bei einem solchen Mauerwerk habe man mit Backsteinen mehr Stabilität erreichen können. Ob das so stimmt, ist die Frage.

"Es sind in der That nur wenige Gebäude jener Stadt, bei welchen man sich der Backsteine nicht bedient hätte, und das Auge des Reisenden, welcher das Forum betritt, wird durch die hohen dunklen Massen der Gebäude angezogen, welche mit den grünenden Bergen hinter denselben und den ringsumher stehenden Gebäuden aus Kalkstein einen wunderbaren Kontrast bilden." (3)

Das sagt nun, es habe einen sehr ausgedehnten Mauerwerksbau mit Backsteinen in Pompeji gegeben. Daß sich dunkle Massen von Gebäuden vor der grünen Vegetation abheben, sagt jedoch nichts darüber, wie die Gebäude zuvor aussahen, bevor der Ascheregen niederging. Es scheinen aber den Betrachter Kalksteinfassaden in Pompeji zu beeindrucken. Da zuvor nur Backsteine, Gesteinsschutt und Quader aus Eisenschlacken und Tuff erwähnt wurden, kommt dieser Hinweis etwas überraschend. Ob diese Kalksteine als Verblender gemauert wurden oder ein Vollmauerwerk bilden, bleibt ungewiß. Doch nun zu den Backsteinen, dem Mörtel und dem Mauerwerksverband:

"Die Backsteine sind hier durch einen Mörtel aus Puzzuolane mit einander verbunden, welcher jedoch bei einigen Gebäuden sehr schlecht ist. Die Dicke der Wände der Gebäude übersteigt selten 18 Zoll, ist aber oft geringer, und oft hat es den Anschein, als dankten diese Wände ihre Erhaltung mehr dem Stucke, mit welchem sie überzogen sind, als dem Mörtel, welcher bei ihrer Erbauung angewendet wurde." (4)

Hier wird nun eine Kuriosität angeführt, nämlich die Vermutung, das Backsteinmauerwerk werde wohl mehr durch den aufgebrachten Stuck zusammengehalten als durch den schlechten Mörtel. Eingangs war jedoch ausformuliert worden, das in Pompeji ausgeführte Mauerwerk habe den Backstein geradezu erfordert, damit stabile Wände zustande kommen konnten. In welchem Verhältnis solides Backsteinmauerwerk zu instabilen Backsteinmauern aufgefunden worden waren, läßt sich dem Text natürlich nicht entnehmen. Es muß jedoch auch sehr kunstvoll mit Backsteinen gemauert worden sein, was hierdurch bezeugt ist:

"Das Dach der Basilika oder des Gerichtshofes, des größten Gebäudes in Pompeji, wurde durch ein Peristyl von 28 jonischen Säulen getragen, welche auf eine höchst merkwürdige Weise aus Backsteinen konstruiert gewesen sind, die so geformt waren, daß sie die Kannelirungen der Säulen bildeten, die dann nur noch einen Ueberzug aus Zement erhielten, der ihnen die vollständige Form gab." (5)

Solche Formziegel herzustellen und kunstvoll zu Säulen zu vermauern, spricht wohl eher für eine hohe Mauerwerkskunst, die in Pompeji angewandt worden war. Man wird folglich davon auszugehen haben, daß bei Gebäuden aus Backsteinmauerwerk der Hierarchie der Gebäudearten in einer Gesellschaft, den unterschiedlichen sozialen Schichten gemäß, und geschieden nach privaten und öffentlichen Gebäuden, eine unterscheidbare Qualität des Mauerwerksbaus anzutreffen war.

Aber auch "Luftsteine" waren in Gebrauch, wie sich schließlich herausstellte, sogar sehr häufig:

"Betrachten wir die Ueberreste der >>goldenen Palläste und der düsteren Thürme<< an der alten Roma, so finden wir dieselben meistens mit jenem Materiale aufgeführt, und sowohl gebrannte Ziegel, als Luftsteine, doch die letzteren häufiger, angewendet." (6)

Was mag wohl diese Formulierung "an der alten Roma" bedeuten?

Im Aufsatz werden nun Hinweise auf die verschiedenen Arten der Ziegel bei den Römern gegeben. Diese Hinweise sind einerseits interessant, andererseits ergeben sie wohl kaum die Möglichkeit, darüber zu erschließen, wie der baugeschichtliche Werdegang der Ziegelherstellung, die Auffaltung der Ziegelformen im Laufe der Kulturentwicklung, und die Arten des Mauerwerksbau historisch aufeinander folgten und wo sie nebeneinander bestanden. Immerhin sind es Hinweise:

"Es waren bei den Römern verschiedene Arten der Ziegel gebräuchlich, deren eine man Bipeda nannte, weil sie zwei römische Fuß lang waren; eine andere Art, Didoron, war 6 Zoll breit und einen Fuß lang. Nach Plinius waren die am meisten angewendeten Steine anderthalb Fuß lang und einen Fuß breit, eine Größe, welche auch mit den Angaben Vitruv's übereinstimmt. Alberti hingegen erzählt, daß er an vielen römischen Gebäuden, namentlich an Brücken, Bögen u., Ziegel gefunden habe, welche 2 Fuß im Quadrate hatten." (7)

Plinius, Vitruv und Alberti wurden also ausgewertet. Dadurch haben wir Angaben aus unterschiedlichen Zeiten, auch aus einer solchen Zeit, als das römische Reich untergegangen war und Bestandsaufnahmen der Ruinen gemacht wurden.

Unterschieden werden Bipeda und Didoron als geformte Ziegelgrößen. Bestandsaufnahmen der Ruinen ergaben eine größere Vielfalt. Man wird darauf zu achten haben, bei welchen Gebäudetypen welche Ziegel zum Einsatz kamen. Von Alberti gibt es weitere Angaben:

"Anderswo fügt er hinzu, daß bei verschiedenen Bauwerken, z.B. an der appischen Straße, man sehr verschiedene Arten von Backsteinen, einige kleiner, andere dicker, angewendet habe, und daß er deren gesehen habe, welche nur 6 Zoll lang, 3 Zoll breit und einen Zoll dick gewesen wären. Diese fanden jedoch nur bei den Fußböden und Fußwegen Anwendung." (8)

Die Variationsbreite der Backsteinformate war also grösser. Gebrannte Ziegel dienten jedoch genauso für den Wegebau und als Fußbodenbelag, wodurch diese Backsteine aus dem Zuordnungssystem "Mauerziegel" herauszunehmen sind, wenn man damit Kunststeine benennt, mit denen Mauern gemauert wurden.

"Uebrigens machten die Römer die Backsteine auch in anderer als viereckiger Form." (9)

Alberti erklärt die dreieckigen Backsteine:

"Alberti gibt die Art an, wie sie bei Verfertigung der dreieckigen Steine zu Werke gingen. Zuerst, sagt er, machten sie einen großen Stein, dessen Seitenflächen einen Fuß lang waren, und dessen Dicke anderthalb Zoll betrug. Sobald derselbe halb trocken war, zogen sie über ihn zwei Schnitte nach den Diagonalen, wodurch jener Stein in vier gleich große Dreiecke getheilt wurde, denen zu Folge nach dem Brande der Stein, durch einen Schlag, in vier kleinere getheilt werden konnte." (10)

Man scheint den Dreiecksformaten angesehen zu haben, wie sie hergestellt und nach dem Brand auseinander geteilt wurden, als Alberti Bestandsaufnahmen unternahm. Alberti meint, solche Dreicksformate brachten Vorteile:

"Einmal kosteten sie weniger Thon, ferner ließen sie sich im Ofen sehr vortheilhaft aufstellen, und waren überhaupt leichter zu handhaben, indem der Arbeiter deren vier in Eins aufnahm und sie erst bei der Arbeit nach Erforderniß theilte. Nach der Vollendung sah die Mauer aus, als hätte man dieselbe durchaus mit fußlangen Steinen ausgeführt. Man sieht viele dieser Steine in Rom angewendet, namentlich bei Gebäuden aus der Zeit des Kaisers Aurelian." (11)

Dreieckige Backsteine waren also Verblender. Da im Text Hinweise gegeben werden, an welchen Bauten sie aufgefunden worden waren, lassen sie sich zeitlich einordnen. Der Autor aus der Biedermeierzeit meint, man habe sehr viele solcher Dreicksformate in der Kaiserzeit Aurelians vermauert.

Ein anderer Autor, Hope, dem nachzugehen ist, stieß auf rautenförmige Backsteine der Römerzeit:

"Hope erzählt auch von rautenförmigen Ziegeln und von solchen, welche zwar regelmäßig geformt, aber noch feucht nach gewissen Krümmungen ausgeschnitten worden wären, so daß dieselben nach der Vermauerung architektonische Ornamente gebildet hätten." (12)

Solche Steine sind Zier an der Außenfläche des Mauerwerks. Dieses Blendwerk fällt als Backstein auch oft unter Terrakotta.

"Diese, in das Gebiet der Terrakottenverfertigung schlagenden Arbeiten, sind jedoch keineswegs damals erst bei den Römern erfunden, sondern die aus dieser Zeit auf uns gekommenen derartigen Ueberreste sind eigentlich schon Zeugnisse von dem Verfalle dieser Kunst, welche bereits Jahrhunderte vorher bei den Griechen in ihrer höchsten Blüte stand, wie die von dort her auf uns gekommenen Denkmäler /.../ zur Genüge beweisen." (13)

Man wundert sich, wieso sich diese Angaben nicht bei der Erörterung des Backsteines im antiken Griechenland auffinden lassen und erst hier gegeben werden. Wichtig ist im biedermeierzeitlichen Text der Hinweis, daß schon in der Römerzeit Hohlräume in die Ziegel gemacht wurden.

"In den Steinen von größeren Abmessungen findet man Aushölungen, welche angebracht wurden, um eine bessere Austrocknung und Durchbrennung des Steines möglich zu machen." (14)

Vieles mutet so an, wie wir es auch in unseren Zeiten noch erleben. Andererseits muß diese Art, wie in der Antike die Backsteine hergestellt, gebrannt und vermauert wurden, auf die Jahrhunderte danach Einfluß gehabt haben. Man fragt sich, wo ganz direkte Übernahmen stattfanden, denn sowohl die antiken schriftlichen Zeugnisse wie die Bestandsaufnahmen antiker Ruinen hatten Einfluß auf das spätere, über Jahrhunderte entwickelte, Bauwesen. Wie das im biedermeierzeitlichen Text ausgebreitet wird, muß sich zeigen.

Die Angaben zu den gemauerten Wänden in Rom wirken auf den Leser eigenartig. Der Aufsatzschreiber schrieb:

"Die Höhe und Dicke der Wände in Rom war seit ältester Zeit bestimmt, und alle wurden nach gesetzlich festgestelltem Maße erbaut. Vitruv sagt, daß keine Mauer, welche nach der Straße zu stand, stärker als anderthalb Fuß gewesen sei, und Julius Cäsar befahl, in der Folge der vielen, durch nachlässige Fundamentirung herbeigeführten, Unglücksfälle, daß kein Haus mehr als ein Geschoß erhalten solle. Augustus betrachtete es als einen Lobspruch, den man seiner Regierung zollen müsse, daß er ein Rom von Ziegelsteinen gefunden habe, und dasselbe von Marmor hinterließ." (15)

Solche Angaben wirken wie Strohhalme, die der Autor ergriff, um mit solchen Angaben etwas zu wuchern. Sie geben nur Angaben, die hier und dort zutreffen, und für einen gewissen Zeitraum und für bestimmte Orte gelten können.

Man steht also als Leser vor einem großen Problem. Die Marginalien zum "Mauerziegel" schaffen einige Assoziationsfelder zum Lehmziegel und Backstein. Zugleich lassen sie erahnen, daß uns heute, genauso wie in der Biedermeierzeit, ein guter Einblick in die Geschichte des Mauerziegels fehlen wird. Stichprobenartig wurde in der Biedermeierzeit das herausgepickt, was uns etwas über den Lehmziegel und Backstein sagen kann. Wir erfahren dürftige Hinweise auf den Mörtel und den Mauerwerksbau. Hier und da eingestreut sind Hinweise auf die Herstellung der Mauerziegel. Damals, wie heute, wird man sich bessere Hinweise auf die Arten der Mauerziegel gewünscht haben, und auch darauf, was mit ihnen gemauert wurde.

Bei dem Mauerziegel handelt es sich in der Regel um einen Kunststein im Quaderformat. Das Wort Ziegel selbst verweist eigentlich auf eine Dacheindeckungsplatte. Man übernahm das Wort auch in den Mauerwerksbau, um die kleinen und in der Regel quaderförmigen Kunststeine damit zu bezeichnen. Deswegen wurde vom Mauerziegel gesprochen. Lange Zeit mag die Bezeichnung sowohl für die luftgetrockneten Lehmziegel wie die Backsteine gegolten haben. Man ging jedoch hin und stellte auch Tuffsteine im Quaderformat der Backsteine her, weil dieses Format für den Mauerwerksbau sehr handlich und gut im Verband zu vermauern war. In Korea und anderswo wurde auch anderer Naturstein im Backsteinformat vermauert. Das Backsteinformat diente auch dazu Betonsteine, Bimssteine und andere Kunststeine herzustellen. Auch auf solche backsteinformatigen Kunststeine wurde die Bezeichnung Mauerziegel anwendbar. Ab wann solche Benennungen auftauchen, müßte herausgefunden werden. Es könnte sein, daß dieser Benennungsvorgang erst nach dem Erscheinungsdatum dieses biedermeierzeitlichen Aufsatzes einsetzte. Aber dies bleibt ungewiß, da bereits in der Biedermeierzeit und wahrscheinlich auch davor mit backsteinformatigen Kunststeinen aus anderen Baustoffen experimetiert wurde. Man wird also der Benennungsgeschichte dieser kleinen Kunststeine nachzugehen haben, um das Thema "Mauerziegel" etwas besser abrunden zu können.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(5) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.245
(6)-(13) zitiert aus: o.A., wie vor, S.246
(14)-(15) zitiert aus: o.A., wie vor, S.249

Hinweise auf den Mauerziegel im antiken Griechenland in einem Text aus der Biedermeierzeit

Dem antiken Griechenland wird nachgesagt, eine sehr hochstehende Baukunst hervorgebracht zu haben. Widmet man sich den Baustoffen, mit denen aufgebaut wurde, stößt man natürlich auch auf den Mauerziegel, der in Form des an der Luft getrockneten Lehmsteines oder als Backstein in der Antike Verwendung fand. Was in der Biedermeierzeit über die Verwendung dieses Mauerziegels im antiken Griechenland bekannt war, läßt sich in etwa aus einem Text erschließen, der einen biedermeierzeitlichen Versuch darstellt, die Geschichte des Mauerziegels abzuhandeln. Es findet sich darin folgender Exkurs:

"Verfolgen wir unseren Gegenstand auf klassischerem Boden, nach Griechenland, wo, wie der Dichter singt, die Götter selbst erschienen, so finden wir, daß dieses Land ein Baumaterial hervorbringt, welches die baulichen Zwecke mit einer so großen Masse von Aushilfen unterstützt, daß man fast nur aus Sandstein oder Marmor bauete. Nichts desto weniger war das Ziegelmaterial dennoch bei den griechischen Gebäuden nicht ganz ausgeschlossen." (1)

Sandstein und Marmor seien vorrangig in Verwendung gewesen, sagt uns diese Textstelle, die umso fragwürdiger ist, weil vermutlich niemals eine Bestandsaufnahme der antiken Siedlungsareale unternommen wurde, um damit eine statistische Auswertung zu verbinden, welche hätte Hinweise geben können, in welchem Umfang die jeweiligen Baustoffe wirklich verwendet wurden. Vermutlich ließ man sich von den vorrangig untersuchten Gebäuden hoher Baukunst leiten und schloß leichtsinnig auf das Ganze. Dem Ziegel, wenn er bei solchen Bauten angetroffen wurde, kam offensichtlich die Funktion des Hintermauerwerkes zu, denn es heißt:

"Hier aber finden wir, daß man die Mauersteine nicht so anwendete, daß sie dem Auge einen wohltuenden Anblick gewähren sollten, sondern daß sie nur als Hilfsmaterial zu Hervorbringung eines besseren Verbandes verwendet wurden." (2)

Dies ließ sich wohl in den Bauruinen hochstehender Bauten ersehen. Man konnte jedoch auch auf schriftliche Zeugnisse der Antike zurückgreifen, die uns andererseits nur ausschnitthaft und vielleicht sehr einseitig oder sogar ganz falsch das Bauwesen der Vergangenheit erklären.

"Vitruv erzählt uns, daß die Griechen drei Arten von Backsteinen hatten, von denen jedoch nur zwei zu öffentlichen Bauten benutzt wurden. Jede Art hatte auch halbe Steine, und bei der Verwendung wurden die Steine so gelegt, daß man an den äußeren Seiten nur die ganzen Längen der Steine sah, wobei die obere Schicht allemal die untere überband." (3)

Diese Textstelle will uns auf Mauerwerksverbände und die dazu nötigen Mauerziegel hinweisen, ohne daß dadurch genauer klar würde, wodurch sie sich unterschieden. Zusätzlich findet sich im Text noch ein Hinweis auf die Qualitätsprüfung der Mauersteine, die jedoch etwas seltsam anmutet:

"Uebrigens waren die Griechen so sehr darauf bedacht, vollkommen erprobtes Baumaterial zu haben, daß, nach dem Zeugnisse Vitruv's, die Einwohner von Utica zu ihren Gebäuden keine anderen Steine verwendeten, als solche, welche mindestens fünf Jahre alt und durch eine obrigkeitliche Person als gut erkannt worden waren. Ein Beispiel der Anwendung derselben gibt er in der Stadtmauer von Athen, welche gegen den Hymettus und Penthelicus hin liegt, und in den Tempeln des Jupiter und Herkules, deren Zella von Mauersteinen aufgeführt war." (4)

Man fragt sich beim Lesen dieser Zeilen, wie glaubhaft das sein kann. Es kommen große Zweifel. Andererseits sagt uns das Wort "Mauerstein" nichts über den genauen Baustoff und in welcher Form er vorlag. Man wird sich hier an die genannten gemauerten Objekte selbst halten müssen, die im Text erwähnt werden.

Kritik kommt nun vom biedermeierzeitlichen Autor selbst. Es wurde ihm immer deutlicher bewußt, auf wie schwachen Füßen eine Geschichte des Mauerziegels stehen muß, da die Angaben viel zu gering sind, mit denen gearbeitet werden muß:

"Der Ueberreste von Mauern und ganzen Gebäuden in Griechenland, welche auf diese Art mit künstlichen Steinen erbaut wurden, sind heut zu Tage so wenige, und die Gelehrten, welche dieselben sahen, haben sie so oberflächlich beschrieben, daß es immer noch zweifelhaft ist, ob die dazu verwendeten Steine nur getrocknet, ob sie im Ofen gebrannt waren, oder ob man sich beider Arten gleichzeitig, wie man dieß in Persien, Aegypten und anderen Ländern that, bediente." (5)

Hier wird uns nun überdeutlich, was es bedeutete, wenn in der Biedermeierzeit eine Geschichte der Mauerziegel gewagt wurde. Die sogenannten Gelehrten haben bei ihren Forschungen eine so große Oberflächlichkeit der Untersuchungen an den Tag gelegt, daß eine Auswertung des Materials fast wertlos erscheint. Da nützt auch die Auswertung schriftlicher Quellen aus der Antike wenig, weil diese Angaben offensichtlich noch nicht vor Ort geprüft wurden. Man wird den Arten der Mauerziegel und den Mauerziegelverbänden genauer nachgehen müssen. Im Text steht:

"Vitruv sagt in dem Kapitel, wo er von diesem Baumaterial spricht, zwar nicht ausdrücklich, daß die Steine gebrannt worden wären, indessen müssen wir es aus seinen Wendungen schließen." (6)

Eine solche Textstelle ist umwerfend komisch. Vitruv, der für viele als schriftliche Quelle dienen muß, weil sonst kaum irgendwelche da zu sein scheinen, differenziert nicht, ob mit gebrannten oder ungebrannten Mauerziegeln gebaut wurde. Nun meint der Geschichtsschreiber des Mauerziegels aus der Biedermeierzeit, man könne trotzdem aus dem Vitruvschen Text sowohl auf gebrannte wie nicht gebrannte Lehmziegel schließen. Dazu der weitere Text:

"In der unglücklichen Stadt Pompeji, wo man so vieles in Bezug auf die Baukunst und die Künste im Allgemeinen Bezügliche entdeckte, /.../, war der Gebrauch der Backsteine durch die dort vorhandenen Baumaterialien als nothwendig und nützlich bedingt" (7)

Ohne irgendeinen Übergang verläßt der Autor den Kulturraum des antiken Griechenlandes und wendet sich dem des alten Römertums zu. Die Stadt Pompeji liegt unterhalb eines Vulkans auf der italienischen Halbinsel und wurde bei einem Vulkanausbruch unter Vulkanasche begraben. Von den Überresten dieser Stadt auf die Art des Mauerwerksbaus im antiken Griechenland zu schließen, wird dem Leser des biedermeierzeitlichen Textes überlassen. Er bekommt in den darauffolgenden Zeilen keinen weiteren Aufschluß über die altgriechische Art der Mauerziegel und wie und in welchem Zusammenhang sie vermauert wurden.

Eine solche Vorgehensweise mutet mehr als seltsam an. Wer den Text flott durchliest und sich an den Angaben erfreut, weil sie in etwa Hinweise auf den Mauerziegel im Verlaufe der menschlichen Kulturentwicklung geben, wird vielleicht gerne überlesen, auf welch schwacher Grundlage abgehandelt wird. Froh darüber, wenigstens etwas zu wissen, verbleibt er genaugenommen in großer Unwissenheit. Liest er genauer, kommt ihm eine solche Basis der Geschichtsschreibung nur noch grotesk vor. In der Biedermeierzeit gab es dann nur noch zwei Möglichkeiten: man beließ es dabei und gab sich verwundert, oder man forderte eine bessere Erforschung ein. Doch bei wem sollte ein solches Thema Gehör finden, bei dem es um genaueren Aufschluß über die Art des antiken Mauerwerksbaues mit den verschiedenen Mauerziegeln ging? Man benötigte auch schon in dieser Zeit Forschungsgelder, um die nachhaltig gestritten wurde. Da kann das Thema Mauerziegel rasch an den Rand des Themenfeldes gerückt worden sein, das vorrangig zu erforschen war. Um das besser zu verstehen, müßte man der Geschichte der Finanzierung von Forschungen nachgehen wollen.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.244
(2) zitiert aus: o.A., wie vor, S.244f.
(3)-(7) zitiert aus: o.A., wie vor, S.245

Hinweise auf Aegypten in einem Text zur Geschichte des Mauerziegels aus der Biedermeierzeit

Nachdem deutlich gemacht wurde, daß im Zweistromland sowohl "Luftsteine", das sind an der Luft getrocknete Lehmziegel, als auch in Öfen gebrannte Lehmziegel als Mauerziegel hergestellt wurden, wendet sich der Autor dem Landschaftsraum Aegypten zu:

"In Aegypten konnten, namentlich in den Theilen, welche den Nilüberschwemmungen ausgesetzt waren, die Gebäude nicht anders als auf künstlichen Substrukzionen gegründet werden, welche in dem Niveau des höchsten Wasserstandes lagen" (1)

Die wechselnden Grundwasserstände, zugleich der zeitweise ansteigende Wasserspiegel des Nil, erforderten ein Bauwesen, das Vorsorge schuf. Eine Möglichkeit wurde darin gesehen, solche Fundamente für die Gebäude zu schaffen, die dem Einfluß des Wassers standhielten. Dazu schrieb offensichtlich Herodot:

"und Herodot erzählt, daß die Ethiopier, als sie Aegypten einnahmen, keinen der Besiegten tödteten, sondern daß dieselben Erdarbeiten zu diesen Substrukzionen vollbringen mußten, von welchen Sir Drummond bemerkt, daß dieselben aus Schutt bestanden hätten, welcher ringsum mit einer Einschließung von Backsteinmauerwerk versehen gewesen wäre." (2)

Herodot, ein Schriftsteller der Antike, bot also dem Sir Drummond in der Biedermeierzeit den anlaß, darauf zu achten, wie diese Fundamente im Aegypten in der Zeit des Herodot aussahen. Es sei Gesteinsschutt gewesen, daß mit gebrannten Mauerziegel ummauert worden sei, vermutlich um dem Schutt mehr Festigkeit zu geben. Wir erfahren außerdem:

"Plinius gibt uns das Zeugniß einiger alten Schriftsteller, daß man, bei Erbauung der Pyramiden, Kunststraßen von Steinen aus getrocknetem Schlamme gemacht habe, welche nach vollendetem Baue zu Privathäusern verwendet worden wären." (3)

Diese Erwähnung beschreibt Recycling. Aus den "Luftziegeln", wie man die Lehmziegel in der Biedermeierzeit auch nennen konnte, wurden, nach der Verwendung im Baustellenstraßenbau, Lehmziegel für den Bau von Wohngebäuden, also Baustoffe "von Steinen aus getrocknetem Schlamme", gemacht.

"Uebrigens scheint es, als wenn die Aegyptier jenes Material nicht bloß als Hilfsmaterial bei Errichtung ihrer enormen Bauwerke angewendet, sondern einige derselben ganz aus diesem Materiale erbaut hätten, und Pococke beschreibt eines davon mit folgenden Worten: >>Etwa zwei Meilen östlich von der letzten großen Pyramide (zu Saccarah), etwas unterhalb, nahe dem östlichen Ende des Berges, befindet sich eine Pyramide von Luftsteinen /.../<<." (4)

Es fällt auf, daß wir bei all diesen Angaben keinen Hinweis erhalten, wann diese Bauten errichtet wurden. Wir bekommen auch keine Information dazu, seit wann diese Substruktionen mit Backsteinen auftauchen, oder seit wann Lehmziegel zum Bau der Pyramiden genommen wurden. Man wird es nicht gewußt haben und war noch auf der Suche nach Anhaltspunkten. Wie heute auch, verglichen die damaligen Reisenden, die sich um ein Verständnis der Baugeschichte dieser Erdgebiete bemühten, die archäologischen Befunde mit den Praktiken in der damaligen Biedermeierzeit.

"Nach dem Urtheile der neuesten Reisenden hat die Fabrikazion der Ziegel in jenen Gegenden eben noch keine Verbesserung erfahren, indem, namentlich in den östlichen Theilen jenes Landes, dieselbe noch in ihrer ersten Unvollkommenheit bewerkstelligt wird, und die meisten Häuser mit Luftsteinen, welche aus Lehm und gehacktem Stroh geformt und an der Sonne getrocknet wurden, aufgeführt werden." (5)

Bis in die Biedermeierzeit hatte sich also die Herstellung der "Luftsteine", das sind die Lehmziegel, erhalten. Es werden Landstriche genannt, wo dies beobachtet wurde. Man müßte diesen Berichten, die damals zur Verfügung standen, nachgehen, da sie sicherlich mit Reiserouten versehen sind, was dann genauer auf die besichtigte Region verweist.

Der Backstein, also der gebrannte Lehmziegel, begegnet uns in Aegypten bislang nur bei den gemauerten Fundamenten. Mit ihnen wurde Gesteinsschutt ummauert, wodurch ein ausreichend festes Fundamentmauerwerk entstehen sollte, das problemlos im Wasser stehen bleiben konnte, wenn das Nilhochwasser und der ansteigende Grundwasserspiegel es durchfeuchteten. Es könnte sein, daß dieser ummauerte Schutt ein Aufsteigen der Feuchtigkeit behinderte und später, wenn der Wasserspiegel sank, schneller austrocknete als eine anders geartete "Substrukzion". Soviel zum Thema Ägypten im biedermeierzeitlichen Text. Man wird weiterhin verfolgen müssen, was noch zur Darstellung gelangt, um eine Baugeschichtsschreibung des Mauerziegels einzuleiten. Es fällt eine baugeschichtliche Ordnung der Aufeinanderfolge auf, die uns sagt, zunächst war die Sintflut, dann gab es eine Phase des Lebens in Zelten und Hütten, daraufhin entstanden im Zweistromland Städte aus Lehmziegel und ab und an mit Backsteinen. Im evolutionären Schritt der technologischen Entwicklung ist nun das antike Aegypten angeführt, in dem Pyramiden aus Lehmziegel aufgebaut wurden und Gebäudefundamente aus Gesteinsschutt mit Backsteinummauerung eine Rolle spielen, die sich offensichtlich bei ansteigendem Grundwasser und bei den Nilüberschwemmungen bewährt hatten. Als nächstes wird im biedermeierzeitlichen Text das antike Griechenland angeführt. Diese Aufeinanderfolge der Kulturentwicklung scheint zu dieser Zeit bereits sehr festgelegt zu sein. Nicht in die Betrachtung sind andere Kulturräume auf der Erdoberfläche einbezogen, z.B. nicht das antike China, dem eine sehr lange und hohe Kulturentwicklung nachgesagt wird. Zu vielen außereuropäischen Kulturen scheint noch wenig Wissen zu existieren.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(5) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.244