Sonntag, 29. November 2009

Eine Branntweinbrennerei aus der Biedermeierzeit in Niederfüllbach bei Coburg


Über Branntweinbrennereien standen in der Biedermeierzeit Texte verschiedener Autoren zur Verfügung. Neben Neuenhahn, v.Hermbstädt, Schmidt, Pistorius, Dorn, Kölle und Förster konnte man sich bei weiteren Autoren in diesen Produktionszweig einlesen. C.Zeller meint, es hätten jedoch diese Autoren allesamt wenig dazu beigetragen zu erklären, wie eine Branntweinbrennerei räumlich aufgebaut werden sollte:

"so hat man doch der Lehre von der Anlage der zu diesem Gewerbebetrieb nöthigen Lokale, ihrer zweckmäßigen innern Einrichtung, namentlich aber dem nothwendigen Zusammenhang und der Verbindung aller einzelnen Geräthe unter sich immer noch viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt." (1)

C.Zeller sandte deshalb im Jahre 1836 einen Bericht über eine gut gelungene Branntweinbrennerei an die Allgemeine Bauzeitung nach Wien, die den Beitrag von Interesse fand und ihn abdruckte. Zeller war auf eine lange Reise gegangen, um Branntweinbrennereien aufzusuchen. Ihm lag daran, in Erfahrung zu bringen, wie solche Produktionsstätten im Inneren angeordnet und welche Bauanlagen für sie am geeignetsten sind. Besonders beeindruckt hatte ihn die Brennerei auf einem Gut in Niederfüllbach bei Coburg, einer Besitzung, die dem Prinzen Leopold gehörte, der später zum belgischen König wurde. Diese Brennerei war von Herrn Ludloff, dem Verwalter des Gutes, aufgebaut und seiner Meinung nach sinnvollst ausgestattet worden.

"Wie gut ihm diese gelungen, wie sinnreich namentlich der Zusammenhang der darin aufgestellten Geräthe unter sich gewählt ist, und welch' große Raum-, Arbeits- und Materialersparniß dieser gewähre, wird die nachfolgende Beschreibung des Ganzen darthun." (2)

Durch Grundrisse und Schnitte, die dem Aufsatz beigegeben wurden, hat er seine Erläuterungen dieser Produktionsstätte sehr anschaulich gemacht. Ansichten fügte er nicht bei, was zeigt, daß es ihm nicht um die Architektur des Gebäudes ging, sondern mehr um die Produktionszusammenhänge.

Das fragliche Gebäude hat drei Produktionsebenen, die des Dachgeschoßes, die des Erdgeschoßes und die des Souterrains, wo sich mit Tonnengewölben eingewölbte Keller mit sehr dicken Außenwänden befinden.

Er beginnt seine Erläuterungen mit dem Dachgeschoß, wo sich ein großer Wasserbehälter befindet, der durch eine Pumpe das Wasser zugeführt bekommt. Die Pumpe wurde durch das Wasserrad einer benachbarten Wassermühle angetrieben. Das Wasser zur Produktion entnahm die Pumpe dem Bach. Benötigt wurde das Wasser z.B. zum Reinigen der Kartoffeln, die in einen Behälter mit zwei Böden geschüttet wurden, in dem sie gewaschen wurden. Die Schmutzteile sanken durch das Gitter des oberen Bodens tiefer in den Behälter. Durch eine Öffnung konnten die gesäuberten Kartoffeln in ein Dampffaß im Geschoß darunter abgelassen werden.

Auf dem Dachboden befand sich auch ein Kartoffellager. Hier konnte die Kartoffelmenge, die für eine Woche zur Produktion notwendig war, aufgeschüttet werden. Außerdem gab es eine kleinere und eine große Malzdarre auf dem Dachboden, sowie eine Schlafkammer für das Personal der Brennerei.

Aus dem Wasserbehälter im Dachgeschoß führte auch eine Wasserleitung ins Erdgeschoß. Ein Wasserhahn konnte hier geöffnet werden, um für das Einmaischen das notwendige Wasser zu entnehmen. Man ließ es in die Einmaischkufe laufen. Aus der Einmaischkufe mußte gelegentlich ein Teil der Maische zur schnellen Abkühlung in die etwas tiefer stehende Kühlkufe verbracht werden. Zwischen beiden Kufen befand sich ein Trichter, durch den die fertige Maische in das Gährlokal in das Kellergeschoß abgelassen werden konnte.

Aus dem Dachgeschoß kamen außer dem Wasser auch die gesäuberten Kartoffeln, die aus dem Waschapparat oben in das Dampffaß im Erdgeschoß abgelassen werden konnten. Am Dampffaß liessen sich Öffnungen nutzen, um den Zustand der Kartoffeln während des Dämpfens auf unterschiedlicher Höhe prüfen zu können. Waren sie gut gedämpft, wurden die gedämpften Kartoffeln durch ein unten liegendes Türchen dem Dampffaß entnommen und in die Kartoffelquetsche gegeben. In die Einmaischkufe wird nun das Malzschrot gegeben, das dem Behälter für Malzschrot entnommen wird. Wasser kann aus dem Wasserhahn des Dampfkessels entnommen werden. Ist die Maische soweit, wird ein Teil in die benachbarte Kühlkufe verfrachtet. Man kann sie schließlich über den Trichter in den Gährkeller ablassen.

Im eingewölbten Gährkeller wird die Maische in die Gährbottiche gegeben. Man setzt ihr kaltes Wasser zu, bis die gewünschte Temperatur eintritt. Nach der Gährung läßt man die Maische in eine Rinne unter den Behältern ab und führt sie dem Maischsammler zu. Aus diesem läßt sich die Maische in das Erdgeschoß zum Brennapparat pumpen. Sie befindet sich dann zunächst im Vorwärmer, durch heiße Dämpfe setzt die Destillation ein und die Alkoholteile trennen sich von der Maische. Die Alkoholteile ziehen durch ein Kühlgerät und dabei kommt es zur Kondensation zu Weingeist. Das Destillat wiederum wird im Keller in der Vorlage zur Aufnahme des Destillates gesammelt. Die verbrannte Maische andererseits wird im Erdgeschoß in eine Röhre abgelassen und fließt in einen Sammler, dem man den Inhalt von Zeit zu Zeit entnimmt, da er als Viehfutter dienen kann.

Man hat also einen Produktionsprozeß, der auf dem Dachboden beginnt, im Erdgeschoß weitergeht, zum Teil im Keller stattzufinden hat, dann wieder seine Fortsetzung im Erdgeschoß findet, und er endet sowohl im Keller, wohin das Destillat in einen Behälter abfließt, wie im Erdgeschoß, wo die verbrannte Maische gesammelt wird, da sie als Viehfutter verwendet werden kann.

Von Zeller ist der gesamte Verarbeitungsvorgang am Schluß seines Aufsatzes zusammenfassend beschrieben worden. Eine komprimierte Zusammenfassung mit den Formulierungen der Biedermeierzeit ist ein interessantes Dokument.

"Die bei e vorräthig liegenden Kartoffeln werden in der Kufe c gewaschen, wozu der Behälter a das Wasser liefert. Von hier aus kommen sie durch die Oeffnung d in das Dampf- oder Kochfaß m, und wenn sie hier gar gekocht sind, durch Oeffnen eines unten am Fasse befindlichen Thürchens auf die Kartoffelquetschmühle n, mit der sie zerkleinert werden. In der Kufe i geht nun das Einmaischen vor sich, wozu aus dem Kasten o das nöthige Malzschrot genommen wird. Das hierzu erforderliche Wasser kann durch Oeffnen des Hahnes q am Dampfkessel, welcher warmes Wasser liefert, zugelassen werden. Ist das Einmaischen vollendet, dann wird ein Theil der Maische, wenn es nöthig ist, in die Abkühlkufe w, von hier aus aber nach völligem Abkühlen mit dem andern Theil durch den Trichter l in das Gährgewölbe gebracht. Hier vertheilt man die Maische in die aufgestellten Bottiche und stellt sie mittelst Zulassens von kaltem Wasser auf die nöthige Temperatur. Nach vollendeter Gährung wird die Maische durch Ziehen eines Zapfens zunächst in die unter den Kufen liegende Rinne, welche sie in den Maischsammler kk führt, abgelassen. Hier steht eine Pumpe, welche bis an den Vor- wärmer des Haupt-Apparats t reicht, und mit der jener gefüllt wird. Während das im Vorwärmer befindliche Gut durch die an ihm vorbeiströmenden, aus den Blasen kommenden Dämpfe zur Destillazion vorbereitet wird, geht in letztern die Trennung der Alkoholtheile von der Maische vor sich. Diese ziehen sich dann durch das Kühlgeräthe w, treten kondensirt als Weingeist in den Verschluß v, von dem sie weiter in die Vorlage u kommen. Die abgebrannte Maische wird dagegen als Spülicht durch den an der ersten Blase befindlichen Hahn x abgelassen, durch den Kanal z in die Spülichtkufe aa geleitet und hier zur Fütterung nach den Stallungen abgeholt." (3)

Die Branntweinbrennerei entpuppt sich als kleine, aber offensichtlich effektive Produktionsstätte, die als Nebengebäude einer Brauerei anzusehen ist. Leider sind dem Aufsatz keine Ansichtszeichnungen beigeben, die eine Architekturbetrachtung erlauben würden. So läßt sich nur ein Verständnis für die Produktionszusammenhänge und ihre räumliche Anordnung erzeugen.

Karl-Ludwig Diehl
Deutsches Gewölbemuseum

Anmerkungen:
(1) zitiert aus: C.Zeller: Die Branntweinbrennerei in Niederfüllbach bei Koburg. S.389-392 und Zeichnungen auf Blatt LXXXIV in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1836. S.389
(2) zitiert aus: C.Zeller, wie vor, S.390
(3) zitiert aus: C.Zeller, wie vor, S.392

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