Sonntag, 29. November 2009

Ein Landhaus aus dem 19.Jahrhundert in Obermeidling bei Wien


In Obermeidling bei Wien entstand in der Biedermeierzeit ein Landhaus, über das im Jahre 1836 berichtet wird. Der Graf von Revitzky hatte es bei dem "k.k.Professor, Herrn Paul Sprenger" in Auftrag gegeben. Ein Bauplatz war ausserhalb von Wien "in dem sogenannten grünen Berge" gewählt worden. Man sah von hier aus die Stadt Wien und
die Gebirgszüge des Umlandes, da sich das Grundstück in nicht unbeträchtlicher Höhe befand. Der Grund zur Wahl dieses Ortes war natürlich die schöne Aussicht in die weite Landschaft, aber andererseits das sehr nahe gelegene Schloß Schönbrunn. Der Schloßgarten grenzte an eine Seite des Bauplatzes. Das Landhaus sollte sich einordnen und schlicht aussehen, aber im Inneren sehr viele Annehmlichkeiten bergen, die es erlaubten, sich Gäste der gehobenen Gesellschaft einzuladen.

Die Nähe zum Schloßgarten führte zu Bauauflagen:

"Nebstdem war auch die Beschränkung, nach der Seite des k.k.Schönbrunner Schloßgartens nur Halbfenster anbringen zu dürfen, für die Anlage von Wichtigkeit, indem dadurch die Anordnung der Räume e und g hinlänglich motivirt wurde." (1)

Ein anderes Zugeständnis war die Durchfahrt von Eiswagen über das Grundstück des Landhauses zum Schloß Schönbrunn.

"Die Anlage der Gitter GG mußte unverändert bleiben; sie ist durch die Servitut bedingt, welcher gemäß die zum k.k. Schlosse Schönbrunn gehenden Eiswagen daselbst zu passiren haben." (2)

Auch Gitter, welche Landschaftsausblicke aus dem Park des Schloßes in die Landschaft erlauben, durften nicht entfernt werden und die Aussicht mußte uneingeschränkt möglich bleiben.

Man kann sich das am damals veröffentlichten Lageplan bewußt machen.

(Lageplan)

Das Wohnhaus wurde mit der Schmalseite zur Straße und zum Schloßpark hin ausgerichtet. Die Breitseite ging zum langgestreckten Landschaftspark des Landhauses
und zur Vorfahrt auf der Eingangsseite des Hauses. Unweit lagen die Stallungen und die Wohnung des Gärtners und des Portiers. Da die Straße, an der das Landhaus errichtet worden war, tiefer lag, mußte zur Straße hin eine Stützmauer errichtet werden.

Der Grundriß gibt einige Rätsel auf, da die Raumanordnungen heutzutage recht ungewohnt wirken. Im Parterre liegen Räumlichkeiten, die wir dort nicht unbedingt vermuten würden. So liegt z.B. das Badezimmer neben dem Speisesalon. Über dem Badezimmer liegt im Obergeschoß ein Toilettezimmer mit einer Nische, in der sich ein Sessel befindet, der ins Bad herabgelassen werden mußte. Man begab sich also aus dem Schlafzimmer in das Toilettezimmer, und wenn man baden wollte, ließ man sich auf dem Sessel in das Badezimmer herab.

Da sich ein Empfangssaal im Obergeschoß, also der Belle Etage, befindet, daneben ein großer Salon zum Plaudern eingerichtet wurde, spielte sich das Gesellschaftsleben eigentlich mehr im Obergeschoß ab. Nur zum Speisen begab man sich in das Parterre. Es scheint hier ein Zugang zum Garten angelegt worden zu sein, der es erlaubte, sich nach dem Speisen im Park zu ergehen.

"Die Wohnlichkeit und harmonische Anordnung aller Räume des Landgebäudes, ihre geschmackvoll gewählte Dekorazion (wobei die bekannten schönen Papiertapeten der ausgezeichneten Fabrik des Herren Spörlin u. Rahn in Wien rühmlichst zu erwähnen sind), die elegante Form des im neuesten Style ausgeführten Ameublements, dessen Farbenton jedesmal mit dem betreffenden Gemache in Uebereinstimmung gebracht ist, die Eleganz der Parquetfußböden aus Ahorn und Mahagoni; endlich die sorgsame Bedachtnahme auf alle die kleinen Bequemlichkeiten, wodurch die Behaglichkeit des Inwohnenden unvermerkt gesteigert wird, macht diesen kleinen Wohnsitz zu einem angenehmen Aufenthalte." (3)

Da in den Grundrissen die Schächte für die Wasserleitung hervorgehoben werden, dürften sie eine Neuheit gewesen sein. Auch die Küche hatte fließendes Wasser, im Grundriß Brunnen genannt.

Aus den Schnitten wird deutlich, daß der Gestaltung des Treppenhauses sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Es liegt im Kern des Landhauses und wurde durch ein Oberlicht im Spiegelgewölbe belichtet. Das Landhaus war nur teilweise unterkellert worden. Die Keller wurden eingewölbt. Die Räumlichkeiten des Rez de chaussée und der Belle Etage erhielten Holzbalkendecken. Stuckdecken liegen über den repräsentativen Räumen. Die Dachkonstruktion der relativ flachen Walmdächer wurde aus Holz gefertigt. Über dem Treppenhausgewölbe befand sich natürlich ein verglastes Dach, welches Licht in das Treppenhaus fallen ließ. Zur Straßenseite hin war auf dem Dach
ein Belvedere aufgebaut worden, von dessen mit Geländern umgebener Plattform aus eine weite Aussicht über die Landschaft genossen werden konnte. Aus demselben Grund gab es in der Belle Etage einen Balkon zur Straße. Er lag vor dem großen Empfangssaal im Obergeschoß und der Ausblick bot sicherlich viel Gesprächstoff für den Hausherrn, um die Gäste zu unterhalten. Vom Salon aus konnte ebenfalls ein Balkon betreten werden, von dem in den Park des Landhauses gesehen werden konnte.

Bei Betrachtung der beiden veröffentlichten Ansichten des Landhauses wird das schlichte Äußere des Gebäudes deutlich. Es sollte sich möglichst unauffällig geben, da es direkt neben dem Schloßpark Schönbrunn aufgebaut wurde. Die Eingangsseite ist durch einen Mittelrisaliten mit drei Türfensterachsen hervorgehoben. Ein Giebel wurde über dieser Türfensterfront, die etwas vor die Fassade des Mittelrisaliten gerückt wurde, angeordnet. Zum leicht angehobenen Parterre führt eine breite Freitreppe empor, die vielleicht fünf Stufen hat. Der Eingang befindet sich hinter einer offenen Vorhalle. Vier Säulen tragen über sich den Balkon. In den Seitentrakten wurde jeweils mittig ein hohes rechtwinkliges Fenster im Erd- und Obergeschoß eingelassen. Die horizontale Fassadengliederung erfolgte durch das Sockelband und die Gesimsbänder. Ein Wandabschlußgesims des Erdgeschoßes läuft um das Gebäude herum. Es hat über sich ein Band, das in Brüstungshöhe verläuft und mit der Höhe der Balkongeländer korrespondiert. Unter dem Dach verläuft ein Wandabschlußgesims. Darüber erhebt sich das Walmdach.

Die Fassade der Straßenseite des Landhauses ist ähnlich schlicht. Die Mitte des Baukörpers erhielt eine eng beieinander liegende Türfensterreihe aus drei Türfenstern im Erd- und Obergeschoß. Auch hier stehen vor der Fassade vier Säulen, die den Balkon darüber tragen. Ein Eisengeländer umgibt den Balkon. Über dem Landhaus liegt breit das Walmdach. Die Stützmauer zur leicht ansteigenden Straße hin erhielt in der Achse der Türfenster des Hauses eine Dreiergruppe von blinden Wandöffnungen, die über sich Rundbögen haben. Diese Rundbögen steigen von Pfeilern auf. Die Anordnung der Gesimse auf dieser Seite des Gebäudes ist so gehalten wie auf der anderen Seite der Fassade. Wie die Grundrisse so zeigen auch die Fassaden eine strenge symmetrische Gestaltung. Dabei handelt es sich um klassizistische Gestaltungsmittel.

Der das Landhaus umgebende Garten erhielt reichen Blumen- und Pflanzenschmuck. Unüblich für die damalige Zeit scheint der Verzicht auf Umzäunung gewesen zu sein:

"Die Humanität des hohen Besitzers verschmähte es, dieses schöne Etablissement durch einen neidischen Zaun den Blicken der Vorübergehenden zu entziehen." (4)

Andererseits lag das Haus etwas erhoben über der Strasse, die vor dem Haus von links nach rechts anstieg. Man hatte also eher wenig Einblick in die Gartenflächen von der tiefer liegenden Straße aus.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1) zitiert aus: o.A.: Ueber das Landhaus Sr.Exz.des Grafen Revitzky in Obermeidling, entworfen und ausgeführt von dem k.k.Professor, Herrn Paul Sprenger. S.419-421 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1836. S.420
(2)-(4) zitiert aus: o.A., wie vor, S.421

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