Montag, 30. November 2009

Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert errichteten Bauwerken: der Fleischmarkt in Parma


Die Provinz Parma war unter Napoleon I. zu Frankreich geschlagen worden. Als die Despotie Napoleons über Europa beendet worden war, kam das Herzogtum Parma an Marie-Louise. Marie-Louise, die aus dem österreichischen Kaiserhaus stammte, war aus politischen Gründen mit Kaiser Napoleon verheiratet worden. Durch den Niedergang seiner Herrschaft sah sie sich im Jahre 1814 in der Lage, sich von Napoleon zu trennen. Sie wurde daraufhin Herzogin von Parma und Castella und lebte schließlich mit dem Oberhofmeister Graf Neipperg in morganatischer Ehe, bis dieser verstarb. Die Herzogin von Parma hatte sich durch Bautätigkeit ein eigenes Schloß, zur Repräsentation eine Gallerie, ein Museum und eine Bibliothek erbauen lassen. Neben dem Findelhaus dürfte sie mit dem Bau des Fleischermarktes in der Stadt Parma darauf abgezielt haben, sich das Wohlwollen der Bevölkerung zu sichern. Unter Marie-Louise erlebte die Hauptstadt des Herzogtums Parma folglich eine rege Bautätigkeit:

"Zu den vielen öffentlichen Bauten, welche die Regierung Ihrer Maj.der Kaiserin Maria Louise in Parma auszeichnen, und worunter die Brücken über den Taro und die Trebbia, das schöne und große Theater zu Parma, das Findelhaus und die Thore daselbst, die Galerien der schönen Künste, der Bibliothek und des Museums der in den Herzogthümern ausgegrabenen Alterthümer, und endlich das herzogliche Schloß gehören, reihte sich eben jetzt das große Gebäude für den Fleischmarkt, welches Ihre Majestät auf Eigene Kosten erbauen ließen, und der Stadt Parma, wie es die Inschrift andeutet, als ein neues Unterpfand Höchstihrer mütterlichen Fürsorge, zur fortwährenden Benützung, unentgeldlich übergab." (1)

Mit solchen geschraubten Sätzen wurde damals die Mitfinanzierung als gute Tat einer Adeligen stilisiert, die selbst durch die Bevölkerung hochsubventioniert, d.h. ausgehalten, worden war. Andererseits hatte sie die öffentliche Leitung eines Territorialgebietes unter sich und stand in der Verantwortung.

Der Grund, warum man rasch einen solchen Fleischmarkt benötigte, ist beschrieben:

"Dieses Gebäude war um so nöthiger, als auch hier der Verkauf des Fleisches in mehreren Kaufladen der Straßen besorgt wurde, welche durch Verbreitung eines üblen Geruches, mehr noch durch die entstehende Unreinigkeit lästig, und selbst der Gesundheit der Bewohner nachtheilig waren." (2)

Man wollte also alle Fleischereien an einen Ort zusammenlegen, um die schädlichen Auswirkungen dieses Gewerbes besser in den Griff zu bekommen. Neben dem Geruch des Blutes zerlegter Tiere waren sicherlich die Abwässer einer Fleischerei eine Belastung für die Nachbarn gewesen.

Das Gebäude scheint eine U-förmige Bauanlage gewesen zu sein. An eine langgestreckte Reihung von 20 Kaufläden wurden an den Enden dieser Reihe rückwärtige Flügelbauten angeschlossen, unter denen sich Eiskeller für die Fleischer befanden. Vor den Räumlichkeiten der Fleischer hatte der Architekt einen langen und überdeckten Säulengang anlegen lassen, zu dem zwischen den Säulen Treppenstufen hinaufführten. Links und rechts am Ende dieses Ganges befanden sich öffentlich zugänglich Brunnentröge. Die Fleischer werden sich hier ihr Wasser geholt haben, das sie alltäglich für ihr Gewerbe benötigten. Jedem Fleischer war ein tiefer Raum zugewiesen worden, zu dem in der Mauer zum Säulengang hin jeweils eine Tür und ein Fenster eingelassen wurden. Sie wurden mittig zu dem Raum zwischen den Säulen des Säulenganges angeordnet. Man erkennt dies gut in der Ansicht der Fassade.

In der Mitte war zwischen der langen Reihe der Räume für die Fleischer ein Treppenhaus untergebracht. Jeweils ein weiteres Treppenhaus soll in den schon erwähnten rückwärtigen Gebäudeflügeln gebaut worden sein. Durch dieses kam gab es einen Zugang zu den Eiskellern. Über das mittig gelegene Treppenhaus im langgestreckten Gebäudeteil führte der Weg auf den Speicher unter dem Dach des Flei- schermarktes. Zu den Baustoffen wurde ausformuliert:

"Der Sockel des Gebäudes sammt Stufen, die Kapitäle und der Architrav sind aus harten Hausteinen, die Säulen selbst aus Ziegeln ohne Verputz." (3)

Im Schnitt ist erkennbar, daß die Trennmauern zwischen den Fleischerräumen im Dachraum nach oben weitergeführt wurden. Das Dreieck über diesen Mauern, in die Bögen eingelassen sind, diente zur Auflage der Pfetten der Dachkonstruktion. Diese Vorgehensweise wurde, ebenso wie die Dachbedeckung selbst, sehr gerühmt:

"Diese Dachschale bildet /../ eine der Feuersgefahr von außen, so wie dem Regen widerstehende dichte Decke, und durch Vermeidung aller Kehlbalken, Ständer und Windbänder auch große und lichte Räume /.../, die vorzüglich für Magazine mancher Art gut zu verwenden, und jenen der Bohlendächer gleich zu stellen sind. Zu diesen Vortheilen gesellen sich noch jene, daß der Seitenschub der Dachsparren aufgehoben, und die Belastung eines für diese Breite gewöhnlich auf liegende Art hergestellten sehr schweren, dem Bauholz im Allgemeinen sehr empfindlichen liegenden Dachstuhle auf die Hauptmauern beseitiget, und dem ungeachtet geeignet wird, gegen Stürme und Windstöße größeren Widerstand zu leisten, - Vortheile, die der Beachtung des Architekten und der Nachahmung empfohlen werden müssen." (4)

Diese Scheidewände im Dachraum hatten links und rechts Wandöffnungen mit Rundbögen erhalten, mittig war ein hoher Spitzbogen als Durchgang gemauert worden. Dadurch wurde viel Gewicht von den hohen Trennwänden weggenommen. Zugleich konnte man sich auch eine schwere Dachkonstruktion aus Holz sparen, da die Pfetten auf das Mauerwerk aufgelegt werden konnten. Über diese nagelte man "3/4zöllige Latten" und legte darauf Mauerziegel als Bedeckung in eine Mörtellage. Erst darüber wurden "die hohlen Dachziegel" gelegt. Diese Vorgehensweise hielt Regenwasser draußen und schützte vor Feuersbrünsten.

Die Arbeitsräume der Fleischer bildeten im Grundriß ein Rechteck. An der Rückwand befand sich in der einen Ecke ein Ausguß, in den man Brauchwasser abließen lassen konnte, in der anderen Ecke war ein Kamin. Der benachbarte Fleischer hatte immer den Kamin so, daß diese Kamine zusammenlagen, genauso war es bei den Ausgüssen. Diese Installationen bildeten also Paare. An der Rückwand stand auch die Schlachtbank. Nach vorne zu, also zum Säulengang hin, wird verkauft worden sein.

Die Fassadenansicht zeigt uns ein langgestrecktes Gebäude, das aus einer Säulenreihe von 40 Säulen besteht, sowie zwei breiten Eckpilastern. Über diesen verläuft ein Architrav, auf dem die Außenwand eines hohen Attikageschoßes aufgemauert wurde, in dem sich der hohe Speicherraum befindet.

In gewissen Abständen wurden in diese Attikawandfläche Dreiergruppen aus Halbkreisfensternöffnungen eingelassen, die der Belichtung des Speicherraumes dienen. Das Treppenhaus, das in der Mitte des Gebäudes liegt, wurde in der Fassade herausgehoben. Hier erhebt sich ein kubischer Baukörper,mit einem Walmdach darüber, über die breitgelagerte Fassade des Gebäudes. In die Mitte der Wandfläche wurde eine kreisrunde Wandöffnung eingelassen, die vielleicht mit einem Fenster ausgefüllt wurde.

Von diesem hohen Baukörper des Treppenhauses, der in der Mitte der Fassade einen vertikalen Akzent bildet, um zu den horizontalen Linien der übrigen Fassadengliederung ein Gegengewicht zu schaffen, gehen links und rechts über dem Attikaband Stufen eines sehr breit gelagerten Treppengiebels ab.

Die Säulen der Säulenreihe, ebenso die beiden Eckpilaster, stehen auf einem Postament, haben darüber aber keine Säulenbasis, sondern unter dem Gebälk des Architravs nur Kapitelle. Die Zeichnung ist zu ungenau, um die Art dieser Kapitelle zu bestimmen. Vergleicht man die Schnittzeichnungen mit der Ansicht der Hauptfassade, so ergibt sich der Eindruck, als erhebe sich über dem Säulenschaft eine niedrige Trommel geringeren Durchmessers, auf der eine profilierte Scheibe als Endstück des Kapitells aufgelegt wurde.

Die Treppe zwischen den Säulen hat zwei Stufen. Über sie gelangt man auf die Plattform des Säulenganges. Diese bestimmt durch seine langgestreckte Form und die Reihe der Säulen die Architektur dieses klassizistischen Gebäudes.

Auch die Gesimsbänder über dem Architrav, sowie unter und über der Wandfläche des Attikageschoßes erzeugen den Eindruck eines klassizistischen Bauwerkes. In die Wandfläche der Eckpilaster wurden Wappen eingelassen.

Über dem langgestreckten Bauwerk liegt ein flaches Walmdach. Wie die Baukörper der rückwärtigen Gebäudeflügel an dieses Gebäude angeschlossen wurden, ist durch Zeichnungen leider nicht nachvollziehbar gemacht worden.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(4) zitiert aus: o.A.: Der neue Fleischmarkt in Parma. S.94-96 und Zeichnungen auf S.95 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1838. S.94

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