Montag, 30. November 2009

Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert errichteten Bauwerken: die Blechfabrik Dida in Paris


In der Biedermeierzeit entstand in Paris eine Blechfabrik. Um einen Innenhof herum wurde ein viergeschossiges Bauwerk in U-Form errichtet. Die Werkstätten waren zum Innenhof hin offen. Der Innenhof selbst wurde über dem letzten Geschoß mit einem Glasdach überdeckt, durch das alle übereinanderliegenden Werkstatträume Licht erhielten. Andererseits hatten die Werkstatträume Fenster zur Strassenseite hin. An ihnen entlang lagen in den Obergeschoßräumen Arbeitstische. Diese gab es auch, der Helligkeit wegen, rund um den vieleckigen Hof. Über dem dritten Obergeschoß lag noch ein Speicher unter dem Dach, das von zwei Seiten zum Hof hin abfiel.

Rückseitig an den Hof angebaut war im Erdgeschoß das Comptoir und Depot der Blechfabrik Dida. Der Fabrikant wohnte in den Geschossen darüber. Von seiner Wohnung aus konnte Herr Dida über eine "von eisernen Konsolen getragene Gallerie" über dem Hof zu seiner Fabrik gelangen. Dieser Gang war um das Rund des Treppenhauses des Wohngebäudes außen über dem Innenhof angebracht. Über Fenster hatte der Fabrikbesitzer zusätzlichen Einblick in die Werkstätten, was ihm die Kontrolle der Arbeitsvorgänge von der Wohnung aus ermöglichte. Der Hof war dadurch rundum geschlossen, aber hell, da von oben Licht einfiel. (1)

An den Seitenwänden der Fabrik gab es auf allen Etagen Essen mit Blasebälgen, wo das Blech vorgewärmt wurde, um es leicht biegen zu können. Im Erdgeschoß standen die Pressen im Halbkreis aufgestellt im überdachten Innenhof. Hier konnte man die Bleche in eine vorgesehene Form prägen. Da eine Wasserleitung in der Biedermeierzeit noch etwas Außergewöhnliches war, ist das Wasserrohr aus Gußeisen im Grundriß der Etagen jeweils vermerkt. Auf jeder Etage gab es zur Wasserentnahme einen Wasserhahn.

"Der Besitzer zahlt für das Wasser, welches er in seiner Fabrik gebraucht, ein jährliches Geldquantum an die Stadt." (2)

Beheizt wurde die Fabrik in der kalten Jahreszeit durch einen Ofen, der im Hof stand:

"Die ganze Werkstätte wird durch einen eisernen Ofen, dessen Rauch in zwei eisernen Blechröhren getheilt heraufgeht, so wie durch die zahlreichen Essen hinreichend erwärmt." (3)

Man kann sich diesen Ofen im Schnitt vergegenwärtigen.

Erwähnt ist im Text von E.Flaminius, der im Jahre 1837 über diese Fabrik berichtet, eine Arbeitsplattform, die sich "auf dem Dache" befunden habe:

"Oben auf dem Dache befindet sich nach der Straße zu, zwischen den Dächern der beiden Seitenflügel, eine Plattform, auf der die Bronzearbeiten und mit Farbe angestrichenen Arbeiten getrocknet werden." (4)

Man kann diese Plattform auf keiner der Zeichnungen entdecken. Es muß sie also zwischen den Dächern der Seitenflügel zur Straße hin gegeben haben. Denkbar ist, daß nur über den seitlichen Gebäudeteilen Pultdächer lagen, wohingegen zur Straße hin ein flaches Dach vorhanden war. Der Schnitt durch das Gebäude ist leider nicht so gelegt, daß wir das erkennen können.

Die Geschoßdecken bestehen aus schweren Holzträgern, die in den Außenwänden, aber auch auf gußeisernen Stützen aufliegen. Über diese Trägerbalken wurden gebogene Eisenteile gehängt, sodaß die Querbalken ein Auflager erhielten, ohne daß komplizierte Holzverbindungen notwendig wurden. Zwischen dem Eisenteil und den Querbalken lag noch ein Auflagerholz, das vermutlich an den Querbalkenenden befestigt worden war. Vorsicht war angebracht bei den Essen. Hier durften keine Holzbalken in der Nähe sein:

"An den beiden Scheidewänden, welche nach der Seite der Nachbarn liegen, und an denen alle Essen sich befinden, liegen die Deckenhölzer nicht unmittelbar neben die- sen Wänden, sondern 2 - 3' von denselben entfernt, und der Raum ist dann mit Töpfen und Gips ausgefüllt, um das Feuer von den Hölzern zu entfernen." (5)

Im Erdgeschoß befand sich ein sehr großer Raum, in dem Maschinen standen, die viel Platz beanspruchten. Hier war eine Sonderlösung für die Decke zu finden, die sehr weit zu spannen war. Man entdeckt diese weitgespannte Decke im Grundriß des Erdgeschoßes, weil in ihm die Lage der Deckenbalken eingezeichnet wurde. Zu einem solchen Darstellungsmittel griff man sonst nur, wenn die Gewölbeform oder der Deckenschmuck zur Darstellung kommen sollte.


Leider ist die Eisenkonstruktion von Flaminius nicht näher erörtert worden, welche über dem letzten Geschoß den Innenhof überdeckt. Er legte mehr Wert darauf, den Betrieb einer solchen Blechfabrik zu erörtern, in der neben Blechen, die vorgewärmt wurden, um sie von Hand bearbeiten zu können, auch kalte Bleche unter Pressen in Form gebracht wurden. Wie solche "moutons", Rammbären, aussahen, ist in einer Zeichnung dargestellt.

In einem Holzbalkengerüst bewegt sich ein eiserner Rammklotz an Führungsschienen auf- und abwärts. Von Hand wird er an einem Seil nach oben gezogen, um ihn auf die Prägeform fallen zu lassen. Er springt nach dem Aufprall zurück, ein Moment, den die Arbeiter nutzen, um ihn, ohne durch sein eigentliches Gewicht belastet zu werden, wieder nach oben zu ziehen. Sobald er über eine bestimmte Höhe gelangt ist, rastet ein Hebel ein, mit dem der nächste Fall des Rammklotzes freigegeben werden kann. Es

"/.../ werden in dieser Fabrik /.../ alle Arten gepreßter Blecharbeiten verfertiget, dahin gehören auch Bilderrahmen, Kaffee- und Theebreter, Ornamente für Gardinen usw." (6)

Aber die Fabrik hatte eine erweiterte Produktionspalette erhalten, weil sich der Fabrikant Dida eine Schraubenpresse mit langen Hebelarmen beschafft hatte:

"Herr Dida hat nämlich ein Brevet, um mittelst Pressen Kasserole, Töpfe und Gefäße mancherlei Art aus Blech anzufertigen, und braucht zu diesem Behufe eine solche stärkere Presse." (7)

Das Bauwerk erregte in der Biedermeierzeit sicherlich aus zwei Gründen die Aufmerksamkeit, einerseits durch seine ungewöhnliche Lage um einen Innenhof und die Produktion auf vier Geschoßebenen, andererseits durch das einfache, aber effektive Schnellbausystem der Holzbalkendecken über den Geschossen.

Leider ist keine Ansicht der Fassade der Fabrik gezeigt, was eine Architekturbetrachtung ermöglicht hätte. Zu vermuten ist, daß solche Werkstätten eher andersherum gebaut wurden, also die Wohnung des Fabrikbesitzers zur Straße, und die Werkstätten um den Hinterhof. Auch dies mag an diesem Bauwerk ungewöhnlich gewesen sein.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1) siehe bei: E.Flaminius: Bemerkungen zu dem Plane und dem Durchschnitt der Fabrik des Hrn.Dida in Paris (Rue vieille du Temple 123), nebst einigen Andeutungen über den Fabriksbetrieb daselbst. S.263-264 und Zeichnungen auf Blatt CXLV in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1837. S.263f.
(2)-(3) zitiert aus: E.Flaminius, wie vor, S.263
(4) zitiert aus: E.Flaminius, wie vor, S.263f.
(5)-(7) zitiert aus: E.Flaminius, wie vor, S.264

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