Sonntag, 29. November 2009

Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert errichteten Bauten: das Gewächshaus in Kremsier


Der Schloßgarten im mährischen Kremsier unweit von
Brünn hatte in der Biedermeierzeit ein Glashaus erhalten,
das beheizbar war. Es wurde sehr bewundert, nicht nur
wegen seiner gebogene Form, sondern auch weil hier Neu-
erungen eingebaut wurden. Man hatte sich deshalb ent-
schlossen, den Gartenfreunden Aufschluß zu geben und
berichtete darüber in einer Fachzeitschrift. Das Gebäude
war im Jahre 1836 fertiggestellt worden.

Der Grundriß wurde aus Bogensegmenten entwickelt. Da-
durch ist die geschlossene Rückseite kürzer als die ver-
glaste Schauseite des Gebäudes. Die Seitenwände wur-
den zum Kreismittelpunkt hin gerichtet, stehen daher nicht
parallel zueinander. Das Gebäude steht etwas angehoben
auf einem Sockel, was bedeutet, das über wenige Stufen
zu den Eingangstüren in der Mitte der Rückseite und der
Vorderseite hinaufgestiegen werden muß. Die gebogene
Glasfront der Schaufassade wurde in 15 Abschnitte aufge-
teilt. Diese senkrechten Fensterstreifen sind wiederum in
drei übereinander liegende und annähernd quadratische
Fensterelemente unterteilt. Alle diese Elemente bestehen
aus Gußeisenrahmen, die wiederum durch Sprossen feiner
unterteilt sind. Die zweiflügelige Tür wurde in dieses Raster
integriert. Dadurch wirkt sie völlig unscheinbar. Man er-
kennt sie nur durch die Stufen und den unverglasten Tür-
rahmenteil, der bis zur geringen Höhe der niedrigen Wand
reicht, auf der die verglasten Gußeisenelemente aufgebaut
wurden. Man hat also eine ausgedehnte und gebogene
verglaste Fassade vor sich, die sehr regelmäßig gegliedert
wurde. Links und rechts endet die Fensterfront an den Sei-
tenwänden, deren schmale Wandstreifen zusammen mit
dem niedrigen Mauerstreifen unter der Glaswand und dem
horizontalen Wandstreifen, vielleicht ein Wandabschlußge-
sims, über den Fensterflächen die Glasfront rahmen. Durch
die Bogenform ist die verglaste Schaufassade länger als
die Rückwand des Gebäudes, die nur wenige Fenster er-
hielt. Die Besonderheit sind an dieser Fassade die Fen-
ster unter der Traufe des Daches, von denen gesagt wird,
sie sollen die Feuchtigkeit aus dem Haus abziehen lassen,
damit keine Feuchtigkeitsschäden im Inneren des Hauses
entstehen.

Vor die Rückwand des Glashauses ist ein niedriger und
gangartiger Anbau, ebenfalls in gekrümmter Form, ange-
fügt worden. Sein Pultdach reicht bis unter die Fenster-
bänke der Oberlichter des Glashauses. Die Fensterach-
sen dieses Anbaus wurden mit der Lage der Oberlichter
in einen Zusammenhang gebracht. Die Seitenwände des
Gewächshauses bilden große Rechtecke, deren Wand
etwas über das Dach des Glashauses reicht und auch
nicht dem Profil der Dachlinien folgt. Es handelt sich um
zwei mit aufwendigen Gesimsen, Pfeilern, einer Attika
und einem Sockel gegliederte klassizistische Fassaden,
die als Solitäre für sich stehen und zwischen denen der
ganz anders gehaltene Gewächshausbau eingespannt ist.
Das im Schnitt gut erkennbare und ganz andere Profil die-
ses eingespannten Gebäudeteiles steht also ganz für sich
und kann so völlig ungestört seine Architektur aus Glas-
fassade und Dachflächenverläufen entfalten.

Das Dach über dem verglasten Gebäudetrakt, also über
dem, was nicht Seitenwandmauerwerk ausmacht, steigt
als leichte Schräge eines verschieden hohen Sattelda-
ches an. Der First liegt mehr zur verglasten Gebäudesei-
te hin. Zur Rückwand fällt das Satteldach mit geringer
Neigung ab. Diese Dachfläche ist jedoch länger, die Rück-
wand etwas niedriger als die verglaste Wand der Schau-
fassade. Innen folgt die eingezogene Decke dem Höhen-
unterschied zwischen höherer Vorderseite und niedrigerer
Rückseite. Man sieht als eine schräge Deckenfläche
über sich. Unter dem Pultdach des gangartigen Anbaus
liegt eine horizontale Decke über den niedrigen Räumen.

Von dem Gebäude wird gesagt:

"In diesem Hause können 5 bis 6000 mittlere Blumentöpfe
untergebracht werden." (1)

Man hatte bei diesem Gewächshaus enge Kamine gebaut
und wies darauf hin, daß solche engen Kamine überall
die feuergefährlichen weiten Kamine ablösen sollten. Sie
brachten auch zusammen mit den eingesetzten Öfen eine
Einsparung an Heizmaterialien mit sich.

"Die Fensterrahmen sind durchaus von Gußeisen in 7/8''
aufrecht stehenden eichenen Säulen, welche mittelst
zweier nach der Länge durchlaufenden Riegeln von dem-
selben Holz gehalten werden." (2)

Man hat ihnen einen Falz von außen gegeben, in den man
den gußeisernen Rahmen eingelassen hat. Die Verglasung
der sechs Felder eines jeden Gußeisenelementes wurde
mit ganz gewöhnlichem Fensterglas vorgenommen, das
eingekittet wurde. Zum Schutz habe man einen Ölfirnis auf-
gebracht.

Der Fußboden des Gewächshauses wurde gepflastert.
Von den Decken wird gesagt, sie seien "berohrt". Den
Dachboden habe man mit "Häckerling" gefüllt, was wohl
isolieren sollte.

Die Vorder- und Rückseite des Gebäudes bildet einen
deutlichen Kontrast zu den klassizistischen Seitenwän-
den. Ihr modernes Aussehen ergibt sich zum einen
durch die Funktion der Glaswand, die viel Licht und Son-
ne in das Gebäude lassen sollte. An der Rückseite hat
man Entlüftungsfenster direkt unter dem Wandabschluß
der geschlossenen Außenwand des Glashaus anbringen
wollen, dadurch wurde ein niedriger Anbau nötig, an des-
sen Enden vermutlich die etwas tieferliegenden Heizräu-
me angelegt wurden. Von hier aus ziehen sich Warmluft-
kanäle durch den Boden des Glashauses. Man sieht sie
sowohl im Grundriß wie im Schnitt durch das Gebäude.
Mit einfachsten Mitteln wurde also ein für die damalige
Zeit sehr modernes Gebäude errichtet.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(2) zitiert aus: A.: Glashaus im Schloßgarten zu Krem-
sier. S.215 und Zeichnungen auf dem Blatt S.213 in: All-
gemeine Bauzeitung. Wien, 1837. S.213

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