Mittwoch, 2. Dezember 2009

Hinweise aus der Biedermeierzeit auf den Gebrauch der Mauerziegel im römischen Staat

Der im Jahre 1839 geschriebene Versuch einer Produktions- und Verwendungsgeschichte des "Mauerziegels" läßt sich auswerten, um Anhaltspunkte zu gewinnen, wie zu dieser Zeit die Herkunft des Lehmsteines und Backsteines reflektiert wurde. Der Autor baute in seinem historischen Exkurs die geschichtliche Entwicklung in dieser Reihenfolge auf: er beginnt im Zweistromland und wendet sich nacheinander der Verwendung des Mauerziegels in Aegypten und dem antiken Griechenland zu, um schließlich seine Verwendung im römischen Reich vorzustellen. Zu dieser Zeit galt Pompeji als die umfassendste Quelle, um die Römerzeit vor sich aufleben lassen zu können.

"In der unglücklichen Stadt Pompeji, wo man so vieles in Bezug auf die Baukunst und die Künste im Allgemeinen Bezügliche entdeckte, und welche in der That den Schlußring unserer fortgeschrittenen Kenntnisse von den Sitten der Griechen und Römer bildet, war der Gebrauch der Backsteine durch die dort vorhandenen Baumaterialien als nothwendig und nützlich bedingt, da nicht allein die Natur des Bodens für die Anfertigung derselben vorzüglich geeignet erschien, sondern indem auch die Anwendung der Backsteine in der Konstrukzion ihrer Mauern und Gebäude allgemein und unvermeidlich eingeführt werden mußte." (1)

Pompeji ging bekanntlich im Ascheregen des nahegelegenen Vulkans unter. Hier wird nun gesagt, daß zur Herstellung der Mauerziegel in Pompeji gute Bedingungen herrschten, also bevor der Ascheregen niederging. Die luftgetrockneten Lehmziegel scheinen nicht verbaut worden zu sein, sondern nur der Backstein. Man brauchte sie regelrecht:

"Die gebrannten Steine wurden nämlich erfordert, um mit ihnen einen Verband zwischen den unförmlichen Steinstücken, aus welchen die Bewohner ihre Wände zum großen Theile ausführten, herzustellen, oder sie mußten den Gebäuden, welche von viereckig behauenen, vulkanischen Steinen, Eisenschlacken oder Tuffstein erbaut waren, die nöthige Festigkeit geben." (2)

Dazu will man natürlich mehr wissen. Hingewiesen wird auf ein Mauerwerk aus "unförmlichen Steinstücken", die durch Backsteine zusammengehalten wurden. Wie soll man sich das vorstellen? Der Text sagt dazu noch zu wenig. Andererseits seien Quader aus vulkanischen Steinen in Verwendung gewesen, aber auch bei einem solchen Mauerwerk habe man mit Backsteinen mehr Stabilität erreichen können. Ob das so stimmt, ist die Frage.

"Es sind in der That nur wenige Gebäude jener Stadt, bei welchen man sich der Backsteine nicht bedient hätte, und das Auge des Reisenden, welcher das Forum betritt, wird durch die hohen dunklen Massen der Gebäude angezogen, welche mit den grünenden Bergen hinter denselben und den ringsumher stehenden Gebäuden aus Kalkstein einen wunderbaren Kontrast bilden." (3)

Das sagt nun, es habe einen sehr ausgedehnten Mauerwerksbau mit Backsteinen in Pompeji gegeben. Daß sich dunkle Massen von Gebäuden vor der grünen Vegetation abheben, sagt jedoch nichts darüber, wie die Gebäude zuvor aussahen, bevor der Ascheregen niederging. Es scheinen aber den Betrachter Kalksteinfassaden in Pompeji zu beeindrucken. Da zuvor nur Backsteine, Gesteinsschutt und Quader aus Eisenschlacken und Tuff erwähnt wurden, kommt dieser Hinweis etwas überraschend. Ob diese Kalksteine als Verblender gemauert wurden oder ein Vollmauerwerk bilden, bleibt ungewiß. Doch nun zu den Backsteinen, dem Mörtel und dem Mauerwerksverband:

"Die Backsteine sind hier durch einen Mörtel aus Puzzuolane mit einander verbunden, welcher jedoch bei einigen Gebäuden sehr schlecht ist. Die Dicke der Wände der Gebäude übersteigt selten 18 Zoll, ist aber oft geringer, und oft hat es den Anschein, als dankten diese Wände ihre Erhaltung mehr dem Stucke, mit welchem sie überzogen sind, als dem Mörtel, welcher bei ihrer Erbauung angewendet wurde." (4)

Hier wird nun eine Kuriosität angeführt, nämlich die Vermutung, das Backsteinmauerwerk werde wohl mehr durch den aufgebrachten Stuck zusammengehalten als durch den schlechten Mörtel. Eingangs war jedoch ausformuliert worden, das in Pompeji ausgeführte Mauerwerk habe den Backstein geradezu erfordert, damit stabile Wände zustande kommen konnten. In welchem Verhältnis solides Backsteinmauerwerk zu instabilen Backsteinmauern aufgefunden worden waren, läßt sich dem Text natürlich nicht entnehmen. Es muß jedoch auch sehr kunstvoll mit Backsteinen gemauert worden sein, was hierdurch bezeugt ist:

"Das Dach der Basilika oder des Gerichtshofes, des größten Gebäudes in Pompeji, wurde durch ein Peristyl von 28 jonischen Säulen getragen, welche auf eine höchst merkwürdige Weise aus Backsteinen konstruiert gewesen sind, die so geformt waren, daß sie die Kannelirungen der Säulen bildeten, die dann nur noch einen Ueberzug aus Zement erhielten, der ihnen die vollständige Form gab." (5)

Solche Formziegel herzustellen und kunstvoll zu Säulen zu vermauern, spricht wohl eher für eine hohe Mauerwerkskunst, die in Pompeji angewandt worden war. Man wird folglich davon auszugehen haben, daß bei Gebäuden aus Backsteinmauerwerk der Hierarchie der Gebäudearten in einer Gesellschaft, den unterschiedlichen sozialen Schichten gemäß, und geschieden nach privaten und öffentlichen Gebäuden, eine unterscheidbare Qualität des Mauerwerksbaus anzutreffen war.

Aber auch "Luftsteine" waren in Gebrauch, wie sich schließlich herausstellte, sogar sehr häufig:

"Betrachten wir die Ueberreste der >>goldenen Palläste und der düsteren Thürme<< an der alten Roma, so finden wir dieselben meistens mit jenem Materiale aufgeführt, und sowohl gebrannte Ziegel, als Luftsteine, doch die letzteren häufiger, angewendet." (6)

Was mag wohl diese Formulierung "an der alten Roma" bedeuten?

Im Aufsatz werden nun Hinweise auf die verschiedenen Arten der Ziegel bei den Römern gegeben. Diese Hinweise sind einerseits interessant, andererseits ergeben sie wohl kaum die Möglichkeit, darüber zu erschließen, wie der baugeschichtliche Werdegang der Ziegelherstellung, die Auffaltung der Ziegelformen im Laufe der Kulturentwicklung, und die Arten des Mauerwerksbau historisch aufeinander folgten und wo sie nebeneinander bestanden. Immerhin sind es Hinweise:

"Es waren bei den Römern verschiedene Arten der Ziegel gebräuchlich, deren eine man Bipeda nannte, weil sie zwei römische Fuß lang waren; eine andere Art, Didoron, war 6 Zoll breit und einen Fuß lang. Nach Plinius waren die am meisten angewendeten Steine anderthalb Fuß lang und einen Fuß breit, eine Größe, welche auch mit den Angaben Vitruv's übereinstimmt. Alberti hingegen erzählt, daß er an vielen römischen Gebäuden, namentlich an Brücken, Bögen u., Ziegel gefunden habe, welche 2 Fuß im Quadrate hatten." (7)

Plinius, Vitruv und Alberti wurden also ausgewertet. Dadurch haben wir Angaben aus unterschiedlichen Zeiten, auch aus einer solchen Zeit, als das römische Reich untergegangen war und Bestandsaufnahmen der Ruinen gemacht wurden.

Unterschieden werden Bipeda und Didoron als geformte Ziegelgrößen. Bestandsaufnahmen der Ruinen ergaben eine größere Vielfalt. Man wird darauf zu achten haben, bei welchen Gebäudetypen welche Ziegel zum Einsatz kamen. Von Alberti gibt es weitere Angaben:

"Anderswo fügt er hinzu, daß bei verschiedenen Bauwerken, z.B. an der appischen Straße, man sehr verschiedene Arten von Backsteinen, einige kleiner, andere dicker, angewendet habe, und daß er deren gesehen habe, welche nur 6 Zoll lang, 3 Zoll breit und einen Zoll dick gewesen wären. Diese fanden jedoch nur bei den Fußböden und Fußwegen Anwendung." (8)

Die Variationsbreite der Backsteinformate war also grösser. Gebrannte Ziegel dienten jedoch genauso für den Wegebau und als Fußbodenbelag, wodurch diese Backsteine aus dem Zuordnungssystem "Mauerziegel" herauszunehmen sind, wenn man damit Kunststeine benennt, mit denen Mauern gemauert wurden.

"Uebrigens machten die Römer die Backsteine auch in anderer als viereckiger Form." (9)

Alberti erklärt die dreieckigen Backsteine:

"Alberti gibt die Art an, wie sie bei Verfertigung der dreieckigen Steine zu Werke gingen. Zuerst, sagt er, machten sie einen großen Stein, dessen Seitenflächen einen Fuß lang waren, und dessen Dicke anderthalb Zoll betrug. Sobald derselbe halb trocken war, zogen sie über ihn zwei Schnitte nach den Diagonalen, wodurch jener Stein in vier gleich große Dreiecke getheilt wurde, denen zu Folge nach dem Brande der Stein, durch einen Schlag, in vier kleinere getheilt werden konnte." (10)

Man scheint den Dreiecksformaten angesehen zu haben, wie sie hergestellt und nach dem Brand auseinander geteilt wurden, als Alberti Bestandsaufnahmen unternahm. Alberti meint, solche Dreicksformate brachten Vorteile:

"Einmal kosteten sie weniger Thon, ferner ließen sie sich im Ofen sehr vortheilhaft aufstellen, und waren überhaupt leichter zu handhaben, indem der Arbeiter deren vier in Eins aufnahm und sie erst bei der Arbeit nach Erforderniß theilte. Nach der Vollendung sah die Mauer aus, als hätte man dieselbe durchaus mit fußlangen Steinen ausgeführt. Man sieht viele dieser Steine in Rom angewendet, namentlich bei Gebäuden aus der Zeit des Kaisers Aurelian." (11)

Dreieckige Backsteine waren also Verblender. Da im Text Hinweise gegeben werden, an welchen Bauten sie aufgefunden worden waren, lassen sie sich zeitlich einordnen. Der Autor aus der Biedermeierzeit meint, man habe sehr viele solcher Dreicksformate in der Kaiserzeit Aurelians vermauert.

Ein anderer Autor, Hope, dem nachzugehen ist, stieß auf rautenförmige Backsteine der Römerzeit:

"Hope erzählt auch von rautenförmigen Ziegeln und von solchen, welche zwar regelmäßig geformt, aber noch feucht nach gewissen Krümmungen ausgeschnitten worden wären, so daß dieselben nach der Vermauerung architektonische Ornamente gebildet hätten." (12)

Solche Steine sind Zier an der Außenfläche des Mauerwerks. Dieses Blendwerk fällt als Backstein auch oft unter Terrakotta.

"Diese, in das Gebiet der Terrakottenverfertigung schlagenden Arbeiten, sind jedoch keineswegs damals erst bei den Römern erfunden, sondern die aus dieser Zeit auf uns gekommenen derartigen Ueberreste sind eigentlich schon Zeugnisse von dem Verfalle dieser Kunst, welche bereits Jahrhunderte vorher bei den Griechen in ihrer höchsten Blüte stand, wie die von dort her auf uns gekommenen Denkmäler /.../ zur Genüge beweisen." (13)

Man wundert sich, wieso sich diese Angaben nicht bei der Erörterung des Backsteines im antiken Griechenland auffinden lassen und erst hier gegeben werden. Wichtig ist im biedermeierzeitlichen Text der Hinweis, daß schon in der Römerzeit Hohlräume in die Ziegel gemacht wurden.

"In den Steinen von größeren Abmessungen findet man Aushölungen, welche angebracht wurden, um eine bessere Austrocknung und Durchbrennung des Steines möglich zu machen." (14)

Vieles mutet so an, wie wir es auch in unseren Zeiten noch erleben. Andererseits muß diese Art, wie in der Antike die Backsteine hergestellt, gebrannt und vermauert wurden, auf die Jahrhunderte danach Einfluß gehabt haben. Man fragt sich, wo ganz direkte Übernahmen stattfanden, denn sowohl die antiken schriftlichen Zeugnisse wie die Bestandsaufnahmen antiker Ruinen hatten Einfluß auf das spätere, über Jahrhunderte entwickelte, Bauwesen. Wie das im biedermeierzeitlichen Text ausgebreitet wird, muß sich zeigen.

Die Angaben zu den gemauerten Wänden in Rom wirken auf den Leser eigenartig. Der Aufsatzschreiber schrieb:

"Die Höhe und Dicke der Wände in Rom war seit ältester Zeit bestimmt, und alle wurden nach gesetzlich festgestelltem Maße erbaut. Vitruv sagt, daß keine Mauer, welche nach der Straße zu stand, stärker als anderthalb Fuß gewesen sei, und Julius Cäsar befahl, in der Folge der vielen, durch nachlässige Fundamentirung herbeigeführten, Unglücksfälle, daß kein Haus mehr als ein Geschoß erhalten solle. Augustus betrachtete es als einen Lobspruch, den man seiner Regierung zollen müsse, daß er ein Rom von Ziegelsteinen gefunden habe, und dasselbe von Marmor hinterließ." (15)

Solche Angaben wirken wie Strohhalme, die der Autor ergriff, um mit solchen Angaben etwas zu wuchern. Sie geben nur Angaben, die hier und dort zutreffen, und für einen gewissen Zeitraum und für bestimmte Orte gelten können.

Man steht also als Leser vor einem großen Problem. Die Marginalien zum "Mauerziegel" schaffen einige Assoziationsfelder zum Lehmziegel und Backstein. Zugleich lassen sie erahnen, daß uns heute, genauso wie in der Biedermeierzeit, ein guter Einblick in die Geschichte des Mauerziegels fehlen wird. Stichprobenartig wurde in der Biedermeierzeit das herausgepickt, was uns etwas über den Lehmziegel und Backstein sagen kann. Wir erfahren dürftige Hinweise auf den Mörtel und den Mauerwerksbau. Hier und da eingestreut sind Hinweise auf die Herstellung der Mauerziegel. Damals, wie heute, wird man sich bessere Hinweise auf die Arten der Mauerziegel gewünscht haben, und auch darauf, was mit ihnen gemauert wurde.

Bei dem Mauerziegel handelt es sich in der Regel um einen Kunststein im Quaderformat. Das Wort Ziegel selbst verweist eigentlich auf eine Dacheindeckungsplatte. Man übernahm das Wort auch in den Mauerwerksbau, um die kleinen und in der Regel quaderförmigen Kunststeine damit zu bezeichnen. Deswegen wurde vom Mauerziegel gesprochen. Lange Zeit mag die Bezeichnung sowohl für die luftgetrockneten Lehmziegel wie die Backsteine gegolten haben. Man ging jedoch hin und stellte auch Tuffsteine im Quaderformat der Backsteine her, weil dieses Format für den Mauerwerksbau sehr handlich und gut im Verband zu vermauern war. In Korea und anderswo wurde auch anderer Naturstein im Backsteinformat vermauert. Das Backsteinformat diente auch dazu Betonsteine, Bimssteine und andere Kunststeine herzustellen. Auch auf solche backsteinformatigen Kunststeine wurde die Bezeichnung Mauerziegel anwendbar. Ab wann solche Benennungen auftauchen, müßte herausgefunden werden. Es könnte sein, daß dieser Benennungsvorgang erst nach dem Erscheinungsdatum dieses biedermeierzeitlichen Aufsatzes einsetzte. Aber dies bleibt ungewiß, da bereits in der Biedermeierzeit und wahrscheinlich auch davor mit backsteinformatigen Kunststeinen aus anderen Baustoffen experimetiert wurde. Man wird also der Benennungsgeschichte dieser kleinen Kunststeine nachzugehen haben, um das Thema "Mauerziegel" etwas besser abrunden zu können.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(5) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.245
(6)-(13) zitiert aus: o.A., wie vor, S.246
(14)-(15) zitiert aus: o.A., wie vor, S.249

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