Mittwoch, 2. Dezember 2009
Die Treibhäuser im naturhistorischen Museum im Paris der Biedermeierzeit
Das naturhistorische Museum in der Stadt Paris hat Anfänge, die in das 17.Jahrhundert zurückreichen. Es dürfte sich lohnen, die Geschichte dieses Museums genauer zu verfolgen. Ein Text aus der Biedermeierzeit kann ausgewertet werden, der einen kurzen Abriß der Anfänge dieses Museums gibt:
"Diese Anstalt wurde im Jahre 1635 unter der Benennung Jardin du Roi (Königsgarten) begründet und der Botanik gewidmet, kam aber bis zum Jahre 1732 sehr in Verfall, bis sie im Jahre 1739 dem berühmten Buffon anvertraut worden war." (1)
Buffon war sehr rührig, trotzdem war noch viel zu tun:
"Der Garten, gegen Morgen von der jetzigen Baumschule, gegen Mitternacht von den Treibhäusern, und gegen Abend von den Gallerien der Naturgeschichte begränzt, enthielt noch öde Plätze, und man sah weder Alleen noch andere regelmäßige Anpflanzungen." (2)
Als er im August 1788 verstarb, waren bereits Alleen angelegt und viele andere Einrichtungen geschaffen worden. Der Garten erlebte in der Revolutionszeit sicherlich große Veränderungen in der Verwaltung, auch wurde er umbenannt. Bis zum Jahre 1833 war das Gelände erheblich erweitert worden. Aus den 14 1/2 ha Landfläche war bis zum Jahre 1833 bereits eine von 27 ha geworden. Im diesem Jahre begannen auch wichtige Baumaßnahmen:
"Zu dieser Zeit wurden die Gallerien der Naturgeschichte um ein Stockwerk erhöht, und deren Länge wurde beinahe verdoppelt. Man errichtete das große temperierte Glashaus, drei warme Treibhäuser, die Rotunde, das große Gebäude für die wilden Thiere, die Fasanerie, das Vogelhaus für die Raubvögel, die Werkstätte an der Seinestraße, und drei halbrunde Laboratorien um das große Amphitheater herum." (3)
Der Konvent hatte deutliche Veränderungen herbeigeführt, welche die Regierung vom Jahre 1833 zu einem guten Ende bringen wollte, sodaß
"im Jahre 1833 die Regierung beschloß, eine so kostbare Anstalt zu beendigen." (4)
Es kam zu einer Kreditaufnahme, um alle Erweiterungen und Ausbauten vornehmen zu können. Außerdem wurde eine Delegation nach England geschickt, die erforschen sollte, wie dort die modernen Treibhäuser aufgebaut und betrieben werden, um das naturhistorische Museum mit modernen Bauten solcher Art ausstatten zu können. (5)
"Die bei dieser Gelegenheit gemachten Beobachtungen wurden benützt, um nach der Rückkehr von dieser Reise die Pläne festzustellen, welche hierauf auch in Ausführung gebracht wurden." (6)
Genau um diese Treibhäuser, die nach der Forschungsreise der französischen Delegation nach England aufgebaut wurden, soll es hier gehen. Die Planungen beruhen auf den erarbeiteten Kenntnissen von "Karl Rohault jun." und des "Herrn von Mirbel, Mitglied des französischen Instituts und Professor der Pflanzenkultur bei dieser Anstalt". Die Allgemeine Bauzeitung beschreibt die Treibhäuser so:
"Diese Treibhäuser nehmen eine Terrasse ein, die in der Mitte durch einen sanften Abhang getrennt ist, und bestehen aus zwei großen Pavillons, jeder von 20 Metres Länge und 15 Metres Höhe, an welche sich die Gallerien mit zwei Stockwerken unmittelbar anschließen, wie aus dem Uebersichtsplane ersichtlich wird." (7)
Der Übersichtsplan birgt allerdings Probleme. Es ist nicht in jedem Fall auszumachen, wo sich die Orte befinden, die im Text angeführt sind, da die Ziffern auf dem Plan nicht immer genau lesbar sind. Es wird zwischen Treibhäusern unterschieden, die bereits aufgebaut sind, und solchen, deren Bau noch erfolgen soll. Im Übersichtsplan der großen Anlage wird in der Legende unterschieden zwischen Treibhäusern, "ausgeführt von 1834 bis 1836", und es gibt: "Noch unvollendete Treibhäuser".
Sieht man sich den Grundriß an, der von einem der großen Treibhäuser dem Aufsatz aus der Biedermeierzeit beigegeben ist, entdeckt man ein großes und hohes Glashaus über einem großen Treibkasten. Daneben liegen Streifen übereinander aufgebauter "überbogter Treibhäuser", vor denen eine weitläufige Terrasse ausgebreitet wurde. In den ebenfalls vorhandenen Schnitten durch das Treibhaus werden die Anordnungen der Geschoße deutlich.
"Der große Pavillon und die übrigen Treibhäuser sind durch ein Vorhaus, welches einen kleinen, gleichfalls mit Glasfenstern bedeckten Pavillon enthält, und durch eine steinerne Treppe getrennt, die bis zum ersten Stock und zum Balkone führt. Die Gallerien von zwei Stockwerken nehmen den ganzen Raum zwischen dem Vorhause und der grossen Stiege, von der Seite des Kabinets, ein, von dem sie durch ein anderes Vorhaus und durch eine Treppe getrennt sind." (8)
Eingespannt zwischen Treppenhäusern für das Publikum liegen also Treibhausterrassen übereinander. An dem einen Ende wurde das große Glashaus vorgebaut. Zu den glasüberdachten Treibhausterrassen ist gesagt:
"Diese Gallerien, deren Glasfenster durch gebogenes Eisen getragen werden, stoßen an das Labyrinth, das sie gegen den Nordwind schützt. Die Gallerie des ersten Stockes ist unmittelbar an die Futtermauer angelehnt, und von einer Reihe von Schwibbögen getragen, welche in Nischen endigen. Das Mauerwerk ist von Bruchsteinen und hydraulischem Kalk konstruirt.
Die Gallerie ebener Erde liegt vor den Höhlungen, die durch diese Gewölbe entstehen. Ein Verbindungsgang von Gußeisen liegt über der untern Gallerie, und dient den Glasfenstern zur Basis, welche selbst von einem Gange umgeben sind, der auf den Gipfel der Terrassenmauer führt. Luftklappen sind angebracht, um die Treibhäuser zu lüften. Alle Öffnungen und Fenster sind um Zapfen drehbar, und da sie in der Regel so eingerichtet sind, daß der Zapfen sich in der Mitte befindet, so bildet die eine Hälfte immer das Gegengewicht für die andere, und die Bewegung geht ungemein leicht von statten." (9)
Das große Gewächshaus hat nicht nur eine stattliche Höhe, sondern muß auch gut beheizt werden. Die Temperatur darf der empfindlichen Tropenpflanzen wegen nie unter 15 Grad Celsius sinken. Jede Anordnung dieser Treibhausareale hat solche großen Gewächshäuser:
"Die Pavillons, auf drei Seiten, so wie auf dem Dache eingeglaset, werden bis zur Höhe der Spannriegel durch St.Andreaskreuze gehalten, und ruhen auf Mauern von 1 Metre Dicke, entgegengestützt durch die Gebäude, wo sich die Heizungsvorrichtungen befinden. Die Mitte des westlichen Pavillons ist zwei Metres tief ausgehöhlt, um die Kübel der Pflanzen aufzunehmen, deren Stock im Niveau mit dem Boden der innern Gänge steht.
Dieser Pavillon umfaßt die Palmbäume und die tropischen Pflanzen, welche die meiste Wärme verlangen. Seine Temperatur darf nie unter 15 Grade des hundertgradigen Thermometers herabfallen. Ein Treibkasten ist bei der Hauptmauer über dem Boden errichtet worden, um die Schlingpflanzen zu erhalten, die sich längs einem eisernen Gitter hinziehen. In der mittlern Höhe dieser Mauer geht ein Balkon über die ganze Länge, und erleichtert das Studium, indem er die Gipfel der größten Pflanzen dem Auge näher bringt." (10)
Es wird durch dieses Exzerpt deutlicher, wie das große und hohe Treibhaus aufgebaut und eingerichtet ist, damit seine Konstruktion haltbar ist und das Treibhaus im Sinne des Erhaltes der Pflanzen funktionieren kann. Ein Balkon wurde eingebaut, der es erlaubt, in Höhe der Wipfel der hohen Pflanzen nahe an die Gewächse heranzukommen.
Auf das gesamte glasüberdachte Areal gesehen, ergibt sich diese Varietät:
"Einige Abtheilungen enthalten Treibkästen über dem Boden, andere im Boden liegende, andere eiserne Stufen, welche die Pflanzen den Glasfenstern näher bringen. Diese Treibkästen sollen durch innere Dampfröhren geheizt werden. Wasserbecken sind in jede Abtheilung vertheilt. Durch die ganze Länge eines Treibhauses geht eine horizontale Röhre, welche oben fast in dem höchsten Theile des Hauses an der steinernen Rückwand angebracht, und mit einer Menge kleiner Löcher versehen ist. Da nun die Einrichtung besteht, daß man durch Röhrenleitungen Wasser bis in die höchsten Theile der Gebäude der Anstalt leiten kann, so ist auch diese Röhre immer mit Wasser gefüllt, und man befeuchtet, wenn man einen Hahn öffnet, durch ihren feinen Regen, die Pflanzen im ganzen Gebäude." (11)
Das Ablassen des Dampfes, das von Rohault und von Mirbel bei ihrer Forschungsreise durch die englischen Treibhäuser als sehr nützlich erkannt wurde, hat man also auch in den Neubauten im naturhistorischen Museum in der Stadt Paris vor sich. Feiner Regen rieselt also auch in Paris über die tropischen Pflanzen.
Interessant sind genauso die Gewölbe im rückwärtigen Teil "der überbogten Treibhäuser":
"Die Gewölbe in dem hintern Theile der überbogten Treibhäuser wurden nur aus Gußmörtel verfertigt, der in einer Dicke von 9 Zoll auf Lehrgerüsten aufgetragen wurde, und hier besonders gute Dienste leistet, da die Mauern theils wegen der Erde, die auf der einen Seite bis zu den höchsten Theilen des Gebäudes herauf liegt, theils wegen der Ausdünstung der Pflanzen immer feucht sind. Auf diesen Gewölben sind an einigen Theilen sogar nicht unbedeutend hohe Wände oder Pfeiler aufgeführt, und auf anderen ruht eine bedeutende Masse Erde, in der die Pflanzen stehen." (12)
Schon Buffon hatte Treibhäuser erbauen lassen. Sie waren "von Holz" und inzwischen "in schlechtem Zustand". In den 1830er Jahren wünschte man sie zu ersetzen. Es ist sicherlich angebracht, sie irgendwann genauer in Erfahrung zu bringen. Man hatte lange überlegt, wie man die neuen und großen Treibhäuser beheizen soll, und entschloß sich dann, eine Dampfheizung einzubauen, "wie in dem grossen Glashauses zu Loddiges bei London". Dieses Londoner Treibhaus funktionierte seit 18 Jahren hervorragend. Auf dieser Erfahrung wollte man aufbauen. In Paris brachte man die Heizungsanlage hinter dem westlichen Pavillon unter.
"Die Röhrenöfen und zwei Dampfkessel dienen zur Erzeugung der Wärme; erstere sind in einem Keller angebracht, der hinter dem westlichen Pavillon sich befindet. Die Luft tritt am Boden kalt hinzu, erwärmt sich, indem sie die von der Flamme umgebenen Gußröhren durchzieht, erhebt sich in den obern Theil des Kellers, und kömmt im Ueberflusse in die Treibhäuser, nahe bei den Glasfenstern, mit einer Temperatur von ungefähr 50 Grad." (13)
Die Lage der Dampfkessel ist etwas genauer erörtert:
"Die zwei Kessel befinden sich zu ebener Erde unter den Röhrenöfen - der Dampf wird durch kupferne Röhren in gußeiserne Heizröhren geführt, die so gestellt sind, daß sie in jedes Glashaus die Temperatur bis zum erforderlichen Grade bringen." (14)
Man hat die Neigungen der Rohre so austariert, daß das kondensierte Wasser leicht zurückfließen kann. Weil sich die Rohre ausdehnen, da Hitze und Abkühlung Bewegung in das Material bringen, wurden "einfache Vorrichtungen" geschaffen,
"welche die Bewegung der Röhren, die ihrer Länge nach auf beweglichen Unterlagen ruhen, erleichtert." (15)
Zum Abschluß sei noch erwähnt, daß die "neuern Treibhäuser" an der Stelle errichtet wurden, wo sich die alten befanden. Als man diese alten Bauwerke abriß, mußte für die Unterbringung der empfindlichen Pflanzen gesorgt werden. Besondere Probleme beim Neubau der Treibhäuser gab es auch. Da der Untergrund von Paris, ein Kalkgestein, durch Steinbrüche ausgehöhlt ist, hatte man bei der Fundamentierung der großen neuen Treibhausbauten so manche technische Schwierigkeit zu überwinden. In Paris war man hingegangen und hatte sich das Baumaterial aus Steinbrüchen unter der Stadt gebrochen. Weite Teile von Paris sind deswegen unterhöhlt. Somit befinden sich auch Höhlungen unter dem Areal des naturhistorischen Museums dieser Stadt. Es erstaunt immer wieder, auf welche Probleme beim Bau von Gebäuden Rücksicht zu nehmen war.
Karl-Ludwig Diehl
Anmerkungen:
(1) zitiert aus: o.A.: Ueber das naturhistorische Museum (Jardin du Roi, auch Jardin des plantes) in Paris. S.264-266; S.271-274; S.280-283; S.288-289 und Zeichnungen auf den Blättern S.266, S.282, S.288 und CXLVI in Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1837. S.264
(2)-(4) zitiert aus: o.A., wie vor, S.265
(5) siehe dazu: Karl-Ludwig Diehl: Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert errichteten Bauwerken: Forschungen zu englischen Treibhäusern der Biedermeierzeit. (Im Blog Baugeschichte verfügbar). siehe außerdem in: o.A., wie vor, S.271
(6)-(7) zitiert aus: o.A., wie vor, S.271
(8)-(11) zitiert aus: o.A., wie vor, S.272
(12)-(13) zitiert aus: o.A., wie vor, S.273
(14)-(15) zitiert aus: o.A., wie vor, S.274
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