Dienstag, 1. Dezember 2009

Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert errichteten Bauwerken: zwei Treibhäuser in Penzing


Ein Bankier ließ sich in der Biedermeierzeit zwei Treibhäuser errichten. Sie kamen in dem Park seiner Besitzung in Penzing zum Bau. Unweit lag damals schon das Schloß Schönbrunn mit seinen ausgedehnten Parkanlagen, die offensichtlich die Vermögenden im nahen Wien zur Nachahmung reizten. Dieser Bankier "Johann Mayer, Chef des Großhandelshauses J.H.Stametz und Kompagnie", bat die Architekten darum, sie in "Nachahmung des sogenannten Tudor-Styles" zu erbauen. Das erste Pflanzenhaus ist so beschrieben:

"Das zuerst erbaute /.../ Treibhaus, wurde nach einem Entwurfe des Herrn Hofbaurathes Nobile ausgeführt, und enthält, neben dem Raume für die Gewächse, zu jeder Seite einen Pavillon, welcher sowohl mit dem letzteren, als mit dem Garten durch große Thüren in Verbindung steht, und durch die beiden Fenster zur Seite eine Aussicht auf die Blumengefilde des Gartens gestattet. Die Nischen in der Hinterwand sind ebenfalls wie Fenster dekorirt, enthalten jedoch statt der Glasscheiben Spiegeltafeln. Die Säulen zwischen den Fensterfeldern sind von Gußeisen." (1)

Betrachtet man die Zeichnungen zu diesem Treibhaus, so läßt sich ein Bauwerk entdecken, dessen langgestreckte Fassade zur Sonnenseite hin eine Bogenreihe aus fünfzehn Spitzbögen zeigt. An diesen Kernbau des Treibhauses schließen sich links und rechts Pavillons an, die als Vestibüle gebaut wurden. Sie erhielten als jeweilige Endbauten turmähnlichen Charakter, steigen aber nicht wirklich zur Höhe von Türmen auf. Mittig ist jeweils eine Toröffnung in Spitzbogenform eingelassen. Durch das riesige Türfenster gelangte man in das jeweilige Vestibül und konnte sich dann zur Seite wenden, um durch eine Türe das Gewächshaus zu betreten.

Den Zeichnungen und dem Text vom Jahre 1838 ist zu entnehmen, über ein Heizsystem konnte man erwärmte Luft über Luftkanäle in das Gewächshaus leiten. Der Grundriß des Kellers zeigt zwei Öfen und die Anordnung der Luftkanäle wird auch aus dem Schnitt durch das Gebäude ersichtlich. Der relativ schmale Gang hinter dem verglasten Gewächshaus birgt eine Kellertreppe in halber Breite des Ganges. Über sie gelangt man zu einem eingewölbten Keller unter dem Gewächshaus, der nicht sehr ausgedehnt ist. Hier konnten die Öfen beheizt werden. Möglicherweise diente der lange Gang im Erdgeschoß zur Lagerung des Brennmaterials. An dem rechten Ende dieses Ganges läßt sich im Grundriß eine gewendelte Treppe erkennen. Denkbar ist, daß über diese Treppe zu einer Plattform gestiegen werden konnte, die sich über dem Vestibül auf dem gedrungenen Turm befindet, was eine Aussicht über den Garten ermöglich hätte. Dies spricht dafür, weil es in der Biedermeierzeit beliebt war, sich einen Belvedere zu schaffen.

Die Decke über dem Pflanzenhaus zwischen den beiden flankierenden Türmen dürfte eingewölbt gewesen sein. Gebogene Hölzer der Pultdachkonstruktion scheinen der Formgeber für dieses Gewölbe zu sein. Die Raumüberdeckung über den Vestibülen war anders organisiert. Man hat unter der Holzkonstruktion des Daches eine bemalte Decke aufgebracht. Die Innenraumwirkung wurde durch sehr hohe neugotische Spitzbogentürfenster gesteigert, die als Dreiergruppe angeordnet wurden. Nur das mittlere Türfenster ist verglast und dient der Belichtung. Die seitlichen Türfenster sind als blinde Fenster gehalten und dienen als reine Schmuckformen. Auch im Gewächshaus befinden sich vielleicht blinde Fenster an der Rückseite des mit Pflanzen gefüllten Raumes:

"Die Nischen in der Hinterwand sind ebenfalls wie Fenster dekorirt, enthalten jedoch statt der Glasscheiben Spiegeltafeln. Die Säulen zwischen den Fensterfeldern sind von Gußeisen." (2)

War für das erste Gewächshaus der Architekt Nobile eingesetzt worden, so holte sich der Bankier für sein zweites Gewächshaus einen anderen Architekten:

"Das zweite /.../ Treibhaus ist einige Jahre später erbaut, und von dem Architekten Herrn Schedel konstruirt worden. Es war Bedingung, einen Salon für größere Gesellschaften in der Mitte des Gebäudes so anzubringen, daß derselbe mit den Räumen für die Gewächse in Verbindung stehe, und außerdem noch zwei kleinere Glashäuser, für niedere Gewächse, zu beiden Seiten anzubringen. Im Uebrigen sollte auch hier eine Imitazion des normannischen Styles vorwalten." (3)

Der Architekt Schedel bekam also die Vorgabe, einen Salon in die Mitte des Gewächshauses zu legen, damit hier größere Zusammenkünfte abgehalten werden konnten. Zugleich ist gesagt, daß der Tudorstil, also die Neugotik, von dem Bauherren als normannischer Baustil angesehen wurde, den er nach Österreich verpflanzt wissen wollte. Diese Neugotik, die mit diesem Bauwerk in Österreich zum Bau kam, hatte also in England ihren Ursprung bei diesem Gebäude. Der Text sagt nicht moderne Gotik oder Neugotik, sondern kennzeichnet ihn als Tudorstil oder normannischen Baustil.

Bei Betrachtung des Grundrißes von diesem Gebäude läßt sich erkennen, daß der Salon, der zwischen den verglasten Treibhäusern liegt, an der Rückseite abgerundet wurde. Es sollte ein erhabener Raumeindruck entstehen. Die abgerundete Nische wurde neugotisch eingewölbt. Die übrige Raumüberdeckung des Salons ist jedoch horizontal gehalten. Zu den Treibhäusern hin wurden die Seitenwände mit hohen spitzbogigen Portalen versehen. Durch sie konnten die Gäste des Bankiers bei Gesellschaften zu den wertvollen Pflanzen schreiten und sich in Gesprächen ergehen.

An die hohen Gewächshäuser, links und rechts des Salons, waren niedrige Gewächshäuser als Erweiterung angefügt worden. Der Höhenversprung läßt sich in den Schnitten sehr gut ersehen. An der Rückseite von den Pflanzenhäusern und dem Salon ist der bei Gewächshäusern offensichtlich übliche schmale Gang angefügt. Treppen führen von ihm aus in die Unterkellerung zu den Öfen, welche durch heißen Rauch den Luftstrom aufwärmten, welcher durch Heizungkanäle strömte und das Gewächshaus warm hielt, wenn die Heizperiode begann. Tagsüber trug das warme Sonnenlicht zur Aufwärmung der Luft in den Innenräumen bei. Die Heizung ist im Text so beschrieben:

"Die Heizung geschieht durch Rauch, und die Leitungen bestehen aus viereckigen, aus Thon geformten und gebrannten Kästen. Anfänglich hatte man dieselben durchgängig hohl gelegt, doch hat man sich überzeugt, daß es besser sei, wenn sie mit der unteren Seite auf einem schlechten Wärmeleiter aufliegend, konstruirt würden. Auch möchte es anzurathen sein, dieselben von außen zu glasiren." (4)

Im Unterschied zur Beheizungsart im ersten Gewächshaus, wo die Luft in Bodenhöhe aus den Wänden austrat, ließ man die warme Luft von oben in das verglaste Gewächshaus eindringen, dadurch fiel diese aufgewärmte Luft langsam bei Abkühlung nach unten. Vermutlich imitierte man damit die Wirkung der Sonnenwärme.

Es bleiben, trotz Beschreibung und den beigegebenen Zeichnungen viele Unklarheiten, wie das Heizen bewerkstelligt wurde. Falls die beiden Treibhäuser noch bestehen, könnte man anhand der Gebäude selbst den Heizsystemen der Biedermeierzeit genauer nachgehen.

Gußeisen wurde für Gesimse und Fensterelemente verwendet, oder sollte später an die Stelle von Holzteilen treten:

"Sämmtliche Gesimse sind von Gußeisen, und nach Zeichnungen und unter Aufsicht des Herausgebers der allgemeinen Bauzeitung, auf den fürstlich Salm'schen Eisenwerken zu Blnasko in Mähren, welche unter der Leitung des verdienstvollen, und als Chemiker rühmlichst bekannten Herrn Dr.Reichenbach bedeutende Fortschritte machen, sehr sauber ausgeführt worden. Die langen Mittelständer und die Rahmen für die Verglasung sind zwar gegenwärtig noch von Holz, werden aber, da dasselbe durch die mannichfaltigen Einwirkungen des Klimas von außen her, und der Dünste von innen, bedeutend gelitten haben, in Kurzem auch durch eine passende Eisenkonstrukzion ersetzt werden." (5)

Auch die Schmuckteile, die als Kranzgesims den Pavillon bekrönen, bestehen aus Eisenelementen. Um diese eisernen Bauteile zu schützen, wurde Ölfarbe aufgebracht.

"Sämmtliche Eisentheile des Gesimses sind mit hellsteingrauer Oelfarbe dreimal angestrichen. Die beiden ersten Anstriche haben einen Zusatz von Sand erhalten; nur der letzte, ziemlich dünne, ist mit reiner Oelfarbe gegeben worden. Diese Art der Färbung hat sich sehr gut erhalten, und das Ganze gleicht dem Sandsteine vollkommen." (6)

Durch Farbgebung mit Sandbeigabe wurde also bewirkt, daß die Eisenteile der Gesimse wie Sandstein zur Geltung gebracht wurden. Offensichtlich war man sowohl mit dieser Vortäuschung, als auch mit der Haltbarkeit der aufgebrachten Farbe in der Biedermeierzeit sehr zufrieden.

Beide Bauwerke, im Tudorstil gehalten, dienten in Österreich damals sicherlich dazu, englische Gewächshauskultur von der Insel auf den Kontinent zu verpflanzen. Daß solche Gewächshäuser im Österreich der Biedermeierzeit dabei halfen, Gesellschaften einen prachtvollen Rahmen zu bieten, geht besonders aus der Anordnung des Salons in der Mitte des zweiten Gewächshauses hervor. Bei dem ersten Gewächshaus, das sich der Bankier in seinem Park in Penzing erbauen ließ, scheint man nur von der Villa aus Streifzüge zu dem Pflanzenhaus gemacht zu haben, um durch die prachtvollen Vestibüle zu den Pflanzen zu schreiten. Auch konnte man eventuell einen Belvedere auf einem der gedrungenen Ecktürme des Gewächshauses besteigen, um bei angenehmen Gesprächen die Umgebung zu betrachten. Das zweite Gewächshaus, sicherlich ganz repräsentativen Zwecken eines Geschäftsmannes gewidmet, ließ Gesellschaften inmitten des Pflanzenhauses zu. Wie diese arrangiert wurden, sagt uns der Text aus der Biedermeierzeit leider nicht. Man wird dazu Berichte von Gästen, Tagebücher, eventuell Zeitungsberichte oder auch ganz andere Dokumente heranziehen müssen, um solche Ereignisse, die einen hochwertigen kulturellen Rahmen bekamen, besser zu verstehen.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(2) zitiert aus: o.A.: Die Treibhäuser im Mayer'schen Garten in Penzing. S.395 und Zeichnungen auf den Blättern CCXL und CCXLI in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1838. S.395
(3) zitiert aus: o.A., wie vor, S.395f.
(4)-(6) zitiert aus: o.A., wie vor, S.396

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