Mittwoch, 2. Dezember 2009

Hinweise auf Aegypten in einem Text zur Geschichte des Mauerziegels aus der Biedermeierzeit

Nachdem deutlich gemacht wurde, daß im Zweistromland sowohl "Luftsteine", das sind an der Luft getrocknete Lehmziegel, als auch in Öfen gebrannte Lehmziegel als Mauerziegel hergestellt wurden, wendet sich der Autor dem Landschaftsraum Aegypten zu:

"In Aegypten konnten, namentlich in den Theilen, welche den Nilüberschwemmungen ausgesetzt waren, die Gebäude nicht anders als auf künstlichen Substrukzionen gegründet werden, welche in dem Niveau des höchsten Wasserstandes lagen" (1)

Die wechselnden Grundwasserstände, zugleich der zeitweise ansteigende Wasserspiegel des Nil, erforderten ein Bauwesen, das Vorsorge schuf. Eine Möglichkeit wurde darin gesehen, solche Fundamente für die Gebäude zu schaffen, die dem Einfluß des Wassers standhielten. Dazu schrieb offensichtlich Herodot:

"und Herodot erzählt, daß die Ethiopier, als sie Aegypten einnahmen, keinen der Besiegten tödteten, sondern daß dieselben Erdarbeiten zu diesen Substrukzionen vollbringen mußten, von welchen Sir Drummond bemerkt, daß dieselben aus Schutt bestanden hätten, welcher ringsum mit einer Einschließung von Backsteinmauerwerk versehen gewesen wäre." (2)

Herodot, ein Schriftsteller der Antike, bot also dem Sir Drummond in der Biedermeierzeit den anlaß, darauf zu achten, wie diese Fundamente im Aegypten in der Zeit des Herodot aussahen. Es sei Gesteinsschutt gewesen, daß mit gebrannten Mauerziegel ummauert worden sei, vermutlich um dem Schutt mehr Festigkeit zu geben. Wir erfahren außerdem:

"Plinius gibt uns das Zeugniß einiger alten Schriftsteller, daß man, bei Erbauung der Pyramiden, Kunststraßen von Steinen aus getrocknetem Schlamme gemacht habe, welche nach vollendetem Baue zu Privathäusern verwendet worden wären." (3)

Diese Erwähnung beschreibt Recycling. Aus den "Luftziegeln", wie man die Lehmziegel in der Biedermeierzeit auch nennen konnte, wurden, nach der Verwendung im Baustellenstraßenbau, Lehmziegel für den Bau von Wohngebäuden, also Baustoffe "von Steinen aus getrocknetem Schlamme", gemacht.

"Uebrigens scheint es, als wenn die Aegyptier jenes Material nicht bloß als Hilfsmaterial bei Errichtung ihrer enormen Bauwerke angewendet, sondern einige derselben ganz aus diesem Materiale erbaut hätten, und Pococke beschreibt eines davon mit folgenden Worten: >>Etwa zwei Meilen östlich von der letzten großen Pyramide (zu Saccarah), etwas unterhalb, nahe dem östlichen Ende des Berges, befindet sich eine Pyramide von Luftsteinen /.../<<." (4)

Es fällt auf, daß wir bei all diesen Angaben keinen Hinweis erhalten, wann diese Bauten errichtet wurden. Wir bekommen auch keine Information dazu, seit wann diese Substruktionen mit Backsteinen auftauchen, oder seit wann Lehmziegel zum Bau der Pyramiden genommen wurden. Man wird es nicht gewußt haben und war noch auf der Suche nach Anhaltspunkten. Wie heute auch, verglichen die damaligen Reisenden, die sich um ein Verständnis der Baugeschichte dieser Erdgebiete bemühten, die archäologischen Befunde mit den Praktiken in der damaligen Biedermeierzeit.

"Nach dem Urtheile der neuesten Reisenden hat die Fabrikazion der Ziegel in jenen Gegenden eben noch keine Verbesserung erfahren, indem, namentlich in den östlichen Theilen jenes Landes, dieselbe noch in ihrer ersten Unvollkommenheit bewerkstelligt wird, und die meisten Häuser mit Luftsteinen, welche aus Lehm und gehacktem Stroh geformt und an der Sonne getrocknet wurden, aufgeführt werden." (5)

Bis in die Biedermeierzeit hatte sich also die Herstellung der "Luftsteine", das sind die Lehmziegel, erhalten. Es werden Landstriche genannt, wo dies beobachtet wurde. Man müßte diesen Berichten, die damals zur Verfügung standen, nachgehen, da sie sicherlich mit Reiserouten versehen sind, was dann genauer auf die besichtigte Region verweist.

Der Backstein, also der gebrannte Lehmziegel, begegnet uns in Aegypten bislang nur bei den gemauerten Fundamenten. Mit ihnen wurde Gesteinsschutt ummauert, wodurch ein ausreichend festes Fundamentmauerwerk entstehen sollte, das problemlos im Wasser stehen bleiben konnte, wenn das Nilhochwasser und der ansteigende Grundwasserspiegel es durchfeuchteten. Es könnte sein, daß dieser ummauerte Schutt ein Aufsteigen der Feuchtigkeit behinderte und später, wenn der Wasserspiegel sank, schneller austrocknete als eine anders geartete "Substrukzion". Soviel zum Thema Ägypten im biedermeierzeitlichen Text. Man wird weiterhin verfolgen müssen, was noch zur Darstellung gelangt, um eine Baugeschichtsschreibung des Mauerziegels einzuleiten. Es fällt eine baugeschichtliche Ordnung der Aufeinanderfolge auf, die uns sagt, zunächst war die Sintflut, dann gab es eine Phase des Lebens in Zelten und Hütten, daraufhin entstanden im Zweistromland Städte aus Lehmziegel und ab und an mit Backsteinen. Im evolutionären Schritt der technologischen Entwicklung ist nun das antike Aegypten angeführt, in dem Pyramiden aus Lehmziegel aufgebaut wurden und Gebäudefundamente aus Gesteinsschutt mit Backsteinummauerung eine Rolle spielen, die sich offensichtlich bei ansteigendem Grundwasser und bei den Nilüberschwemmungen bewährt hatten. Als nächstes wird im biedermeierzeitlichen Text das antike Griechenland angeführt. Diese Aufeinanderfolge der Kulturentwicklung scheint zu dieser Zeit bereits sehr festgelegt zu sein. Nicht in die Betrachtung sind andere Kulturräume auf der Erdoberfläche einbezogen, z.B. nicht das antike China, dem eine sehr lange und hohe Kulturentwicklung nachgesagt wird. Zu vielen außereuropäischen Kulturen scheint noch wenig Wissen zu existieren.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(5) zitiert aus: o.A.: Ueber die Mauerziegel. Nach dem Englischen des Turner. S.243-252 und Zeichnungen auf S.247 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1839. S.244

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