Mittwoch, 2. Dezember 2009

Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert errichteten Bauwerken: ein Landhaus bei Starnberg über dem Ufer des Würmsees


Der "Local-Bauinspektor" F.X.Eichheim bekam in der Biedermeierzeit den Auftrag, für die Freifrau von Bayrstorf ein Landhaus zu errichten. Vorgesehen war ein Bauplatz auf einer Erhebung über dem Ufer des Würmsees. Dieser See ist uns heute geläufiger unter der Bezeichnung Starnberger See. Die Lage für das Haus war gut gewählt. Es kam in der Zeit vom Jahre 1831 bis 1832 zum Bau.

"Dieses Landhaus steht auf einem über den Wasserspiegel des Würm- oder Starnberger Sees gegen 150 Fuß erhöhten Punkte, der nach allen Richtungen eine herrliche Aussicht gewährt. Gegen Nord und Ost streift der Blick auf mehrere Stunden über die viel tiefer romantisch situirten Ortschaften Starnberg, Bercha, Leutstetten, Buchhof, Kämpfenhausen u.a.m. mit ihren umliegenden üppigen Gärten, Feldern und Wiesen, Buchen- und Eichenwaldungen, abwechselnd in Hügel und Thal, und durchzogen von dem buschumgrünten mäandrisch gekrümmten Würmflusse." (1)

Wohin man damals auch ging, es soll schöne Landschaft gewesen sein. Und der Blick vom Haus auf den See und sein Umland konnte berauschen:

"Noch herrlicher aber zeigt sich diese Landschaft vom Landhause selbst aus, wenn auch nicht in so großer Ausdehnung, dagegen aber bereichert durch den am Fuße der Landhausanhöhe gelegenen Starnberger See gegen Sonnenaufgang und Mittag." (2)

Da der Architekt selbst diese Zeilen schrieb, ist anzunehmen, daß er die Freifrau um die Lage ihres Landhauses beneidete. Er legte die wichtigste Fassade dieses Hauses in Richtung der schönsten Aussicht.

"Nach dieser schönsten Aussicht hin hat das Landhaus die Fasade /.../. Hier liegt der deutsche Lago maggiore, der reizende, über 6 Stunden lange, vom Starnberg bis in die Vorberge der bayerischen Alpen sich erstreckende Würm- oder Starnberger See, umgürtet mit Schlössern, Landhäusern, Dörfern, Gärten, Feldern und waldigen Bergen, bei günstigem Wetter in feenartigem Reichthum vor dem trunkenen Auge ausgebreitet." (3)

Die lange Schilderung der Ansiedler in der Landschaft verrät deutlich das Motiv der Freifrau von Bayrstorf, sich gerade hier ein Landhaus zu bauen. Der Ort galt "seiner spitzen Kegelform" wegen jedoch als ungünstig für ein Haus. Wer hier baute, hatte großen Aufwand zu treiben. Dieser verschreckte die Freifrau jedoch nicht. Sie ließ ganz im Gegenteil von der Bergspitze soviel abtragen, als nötig war, um ein stattliches Anwesen zu errichten. All dies geschah nur zu dem Zweck, damit hier eine Sommeresidenz entstehen konnte.

"Das durch die Abtragung der Bergspitze gewonnene Material (größtentheils Kies), wurde, um zugleich einen Vorplatz an der Fasade des Hauses zu gewinnen, vor demselben angelegt, und damit dieß neue Terrain sich früher oder später nicht zu viel und ungleich setzen könne, jede nur einen halben Fuß dicke Lage tüchtig eingestoßen und gewalzt." (4)

Für das Landhaus mußte ein Plateau von 125 Fuß Länge und 75 Fuß Breite hergerichtet werden, damit das Gebäude und die Terrasse vor dem Haus aufgebaut werden konnten. Andererseits legte der Architekt Wert darauf, daß über einen bestehenden grünen Erdwall als Ausläufer eines Hügels vom Landhaus aus hinweggesehen werden konnte, wenn es errichtet worden war. Es gab schließlich ein ausreichend großes Terrain für Blumenbeete, Springbrunnen und Wege. Eine Stützmauer in guter Entfernung vor dem Gebäude hinderte das aufgeschüttete Erdreich daran, den Hang hinunter zu gleiten. Wer auf den vorderen Terrassen stand, der hatte etwa 100 Fuß unter sich das Seeufer.

Hinter dem Haus lag tief unter dem Hügel die Landstraße. Um von ihr zu dem Haus zu gelangen, mußte der Hügel angeschnitten werden. Der Architekt entschloß sich, zur Straße hin ein Nebengebäude zu errichten, sodaß zwischen dem Abhang vor dem untersten Geschoß des Landhauses und dem Nebengebäude, das mit dem Rücken zur Landstraße aufgebaut wurde, ein Hof entstand, der mit Kutscheneinfahrten an das Landhaus angebunden war. Wir erhalten im Text nähere Angaben zum Nebengebäude:

"Das im Hofe an der Landstraße gelegene Nebengebäude /.../ enthält eine Stallung, Remisen, Hausmeister- und Gärtnerwohnung, Bedienten- und Kutscherzimmer, Heulagen u." (5)

In den Abhang unterhalb des Landhauses wurden Kellerräume eingelassen, die somit direkt an den Hof mit der Zufahrt grenzten. Diese Keller und das Nebengebäude mit Remise und Stallungen lagen sich also am Hof gegenüber.

Um zum Landhause gelangen zu können, wurde von der Grundstückspitze aus ein Weg angelegt, der bis vor den Eingang im Erdgeschoß anstieg. Man konnte mit der Kutsche bis vor die Eingangstür gelangen. Der Kutscher konnte von dort aus zum Hof hinabfahren. Der Hof selbst bekam seitlich der Stallungen und der Remise Ein- und Ausfahrten auf die Landstraße.

Das langgestreckte Grundstück wurde "durch englische Anlagen" zu einem ansehnlichen Park gestaltet. Es wurden dort ein Gewächshaus, Lauben, aber auch Obst- und Gemüsebeete angelegt.

Das Landhaus selbst mußte sich dem Gelände anpassen. Das als Erdgeschoß bezeichnete Untergeschoß enthält den Eingang mit der Haupttreppe in das Geschoß darüber. Hier befinden sich auch die Küche mit Wasseranschluß, was damals noch keine Selbstverständlichkeit war. Verschiedene Keller, als Speisekeller und Weinkeller bezeichnet, sowie Bedientenzimmer machen große Teile dieses Untergeschoßes aus. Ein Abtritt war hier angelegt worden. Das zum Beheizen der Öfen notwendige Holz mußte hier in Räumlichkeiten gelagert werden. Es führten auch Personaltreppen von der Küche nach oben in den Wohnbereich der Herrschaft. Alle Räumlichkeiten wurden sehr symmetrisch verteilt. Im Schnitt durch das Gebäude sieht man, daß auch die Keller ansteigend angelegt sind. Ein Teil der Keller ist vom ersten Treppenabsatz, also auf etwas erhöhtem Niveau, zugänglich. Über einen weiteren Treppenabschnitt erreichte man ein nächstes Treppenpodest. Von dort aus waren es nur wenige Stufe bis zum Niveau des herrschaftlichen Wohngeschoßes, über dem sich ein weiteres Wohngeschoß erhob, das identischen Grundriß hat.

Vom untersten Geschoß mit der Küche und den Kellern wird gesagt:

"Diese sämmtlichen Lokalitäten sind gewölbt, und um das Eindringen der Feuchtigkeit von der auf drei Seiten um das Geschoß liegenden Erde zu verhindern, wurden längs den Wänden Luftkanalmauern in einer Entfernung von 4 Zoll für den Luftkanal /.../ um das Erdgeschoß angelegt, und damit sie dem Seitendrucke der Erde besser widerstehen können, mit den Wänden hie und da verbunden." (6)

Man sieht diesen Luftspalt zwischen den doppelt gemauerten Untergeschoßwänden sowohl im Schnitt wie in der Zeichnung des Grundrißplanes. Offensichtlich sah man in der Biedermeierzeit darin ein gutes Verfahren, das Eindringen der Feuchtigkeit zu verhindern. Im Grundriß des Untergeschoßes sind auch die Fundamentmauern der übrigen Gebäudeteile eingezeichnet, auf denen die Mauern der Obergeschoße stehen. Andererseits ist im Plan der Verlauf der Gewölbe in den eingewölbten Räumen durch Linien angedeutet. Man sieht auch, daß die Haupttreppe, mittig gelegen, sehr viel Raum einnimmt und sicherlich sehr repräsentativ gestaltet war.

Das im Text als 1.Stockwerk gekennzeichnete Geschoß ist zum Garten hin ein Hochparterre. Man gelangt von den Wohnräumen auf eine ausgedehnte Terrasse, die nur wenige Stufen über der Gartenterrasse liegt. Eine breite Treppe führt in den Garten hinab. Dort befand sich unweit ein Springbrunnen, von dem aus mit wenigen Schritten zur Brüstung über der hohen Stützmauer für die aufgeschüttete gegangen werden konnte, wo ein weiter Blick über den See möglich war. Unterhalb lag das Seeufer vor dem Betrachter der Biedermeierzeit.

Das Bestreben des offensichtlich klassizistischen Architekten war es, auch hier die Räume spiegelsymmetrisch zu verteilen, was wirklich vollständig gelang. Von der repräsentativen Haupttreppe an der Rückseite des Landhauses gelangte man in einen großen mittig zum Garten hin gelegenen Saal, der als Speisesalon eine zentrale Rolle spielte. Zu beiden Seiten wurden große Räume gelegt. Der eine Saal war als Wohnzimmer, der andere als Arbeitszimmer gedacht. An sie schlossen sich links und rechts Blumenzimmer an. Schlafzimmer mit Toilettzimmer, zugehörige Zimmer für das Kammermädchen, Badezimmer und Garderobe, auch ein Abtritt, waren die Räume, die zur Straße hin angefügt wurden. Zum Garten hin wurden Sitzterrassen angeordnet, in der Mitte ließ man eine breite Freitreppe zum Garten ein.

Das Geschoß darüber ist durch Wände eingeteilt, die genau auf denen darunter stehen. Folglich ist die Raumeinteilung identisch, nur die Nutzung ist eine andere. Neben Arbeitszimmer und Schlafzimmer wurden aus den Räumlichkeiten Toilettzimmer, Dienerzimmer und eine Garderobe gemacht. Ein Abtritt ist auch im obersten Geschoß auffindbar. Über den Blumenzimmern der Etage darunter liegen jedoch oben große Dachterrassen. Der mittlere Salon zum Garten hin wird als Empfangssalon bezeichnet.

"Von den Arbeitszimmern gelangt man zu beiden Seiten auf die Terrassen oberhalb der Blumenzimmer. Diese Terrassen, so wie der Balkon vor dem Empfnagssalon sind, um sich daselbst vor Sonne und Regen schützen zu können, durch Leinendächer auf leichtem Eisenstangengerippe gedeckt, welche Deckung mittelst Rollen und Schnürzügen beseitigt werden kann; auch das Gerippe selbst ist ganz wegzunehmen." (7)

Über dem Landhaus liegen flache Walmdächer, die den Vor- und Rücksprüngen der Gebäudemassen angepaßt wurden. Zu den Baustoffen, mit denen das Landhaus und die Nebenanlagen errichtet wurden, ist angeführt:

"Das Haus ist aus Ziegel-(Back-)steinen aufgeführt und mit Schindeln gedeckt; die Freitreppe gegen den Garten, die Terrassenmauern, Säulen und Gesimsstücke sind von Tuffstein.
Die Wände der meisten Zimmer sind nach dem Wunsche der Besitzerin freundlich tapezirt, und nur einige architektonisch dekorirt. Die Plafonde sind mit leichten, mehr dem ländlichen Charakter angemessenen Verzierungen bemalt; die Fußböden theils Parket, theils mit Oelfarbe angestrichen." (8)

Auch zu den Nebenanlagen fanden sich Angaben zu den Baustoffen:

"Die (Stütz-)Futtermauern vor dem Blumengarten, dann zu beiden Seiten der Hinterwand des Landhauses, so wie in dem Hofe, der das Nebengebäude an der Landstraße umgibt, sind von Bruch- und Tuffsteinen erbaut, und erhielten alle, um dem Drucke der an ihnen liegenden Erde gehörig widerstehen zu können, eine angemessene Böschung." (9)

Man hat also mit Tuff- und Bruchsteinen rustikal gemauert und das feinere Mauerwerk aus Backsteinen aufgeführt. In repräsentativen Räumen wurde Parkett verlegt.

Weil eine Ansicht der Gartenfassade dem Text der Biedermeierzeit beigegeben wurde, ist eine Architekturbetrachtung möglich. Schon aus den spiegelsymmetrisch angelegten Grundrissen wurde erkennbar, daß der Architekt darauf aus war, ein klassizistisches Gebäude zu errichten. Dies wird durch die Gartenansicht bestätigt. Es dürfte sich um einen Klassizismus handeln, der das biedermeierzeitliche Fühlen und Denken widerspiegelt.

Zwischen zwei Seitenrisaliten ist ein etwas zurückliegender Baukörper eingespannt. Links und rechts des zweigeschossigen Bauwerkes schließen sich eingeschossige Gebäudeflügel an, über denen eine Dachterrasse liegt. Zur Sitzterrasse vor dem zweigeschossigen zentralen Baukörper führt eine breit gelagerte Freitreppe vom Garten bis vor das Haus. Dort tragen Säulen, die zwischen den Seitenrisaliten stehen, den Balkon vor dem obersten Geschoß des etwas zurückliegenden Gebäudeabschnittes in der Mitte. Es ergibt sich durch diese Anordnung der Bauteile ein langgestreckter Sockel, der in der Mitte durch die Freitreppe und die Terrassenmauern unterbrochen wird. Über den Bogenfenstern des Hochparterre führt ein langgestreckter Architrav über die Säulen zwischen den Rundbogenfenstern der seitlichen Blumenzimmer weiter und wird zum Wandabschlußgesims über den Hochparterrefassaden der Seitenrisalite, um sich dann wieder in einen Architrav über den Säulen zu verwandeln, die den Balkon in der Mitte des Gebäudes tragen. Darüber wechseln Brüstungsmauern der Terrassen und des Balkons mit dem hohen Gesimsband ab, welches bis zur Höhe der Fensterbänke reicht, die Teil eines schmalen Gesimsbandes sind, das auf dieser Höhe die Obergeschoßfassade unter den Fenstern quert. Die Seitenrisalite wurden durch Lisenen aus Rustikamauerwerk gefaßt. Die Fenster im oberen Geschoß sind rechtwinklig umrahmt. Sowohl die Bogenfenster der niedrigen seitlichen Anbauten für die Blumenzimmer, als auch die der beiden Geschosse des Mittelteils des Gebäudes bilden Dreiergruppen. Mittig liegen die einzelnen Fenster in den Seitenrisalitgeschossen.

Die Fontäne des Springbrunnens auf der Gartenterrasse steigt mittig vor der Gebäudefassade auf. Die breitgelagerte Stützmauer zum See hin besteht aus Rustikamauerwerk und enthält Vor- und Rücksprünge in Anlehnung an die Gebäudegliederung des Landhauses. Folglich weicht das Stützmauerwerk zwischen den rustikalen Seitenrisaliten dieser Stützmauer in der Mitte zurück. Man hat hier drei Rundbogennischen in Anlehnung an die Rundbogenreihe des Hochparterre des Landhauses angeordnet. Aus dem Bogenfeld der Rundbögen stürzen Wasserfälle herab, deren Wasser in ein Bassin zu fallen scheint. Es könnte sich um eine skulpturale Gliederung dieses Stützmauerteiles handeln, aber auch um einen wirklichen Wasseraustritt. Da eine so hohe Fontäne im Garten betrieben werden konnte, liegt die Vermutung nahe, daß dieses aufsteigende Wasser später als Anordnung von Wasserfällen aus der Stützmauer heraustritt, bevor es wieder zur Bildung der Fontäne zurückgepumpt wird.

Die Gartenanlagen auf dem riesigen langgestreckten Grundstück, sind sehr ausgedehnt und ergaben einen so großen Landschaftspark, daß Besucher dieser Anlage reichlich zu gehen hatten, wenn sie alles erkunden wollten.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(3) zitiert aus: F.X.Eichheim: Beschreibung des Landhauses der Freifrau von Bayrstorf bei Starnberg. S.222-224 und Zeichnungen auf Blatt CXXXVI in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1837. S.222
(4) zitiert aus: F.X.Eichheim, wie vor, S.223
(5)-(6) zitiert aus: F.X.Eichheim, wie vor, S.224
(7) zitiert aus: F.X.Eichheim, wie vor, S.223
(8)-(9) zitiert aus: F.X.Eichheim, wie vor, S.224

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