Dienstag, 1. Dezember 2009

Auswertung der Aufsätze zu den im 19.Jahrhundert errichteten Bauwerken: Forschungen zu englischen Treibhäusern der Biedermeierzeit


In der Biedermeierzeit gab es ein großes Interesse am Thema Treibhäuser. Es wäre interessant zu wissen, wieviele damals gebaut wurden, und seit wann es sie gab. In einem Aufsatz vom Jahre 1837 wird beschrieben, daß die französische Regierung im Jahre 1833 den Beschluß gefaßt hatte, eine Delegation nach England zu schicken, um sich Wissen davon anzueignen, wie die zur Vollkommenheit gebrachten Treibhäuser erbaut sind und unterhalten werden. Aufgrund dieser Forschungsreise entstanden kurz darauf die Treibhäuser im naturhistorischen Museum in Paris. Über die Bauanlagen dieses Museums wurde im Jahre 1837 in der Allgemeinen Bauzeitung berichtet, die damals im 2.Jahrgang in Wien erscheinen konnte. Kurz darauf gab dieselbe Fachzeitung diesen Hinweis:

"Da die im naturhistorischen Museum von Hrn.C.Rohault errichteten, bereits von uns beschriebenen Treibhäuser ein Resultat seiner in England gemachten Erfahrungen sind, so dürfte es für unsere Leser interessant sein, wenn die Bemerkungen der Herren C.Rohault und Mirbel über die englischen Treibhausanlagen hier mitgetheilt werden, um so mehr, als sie von Beschreibungen des Vorzüglichsten in dieser Art, so wie der zweckmäßigsten Vorrichtungen zur Zucht der Pflanzen begleitet sind, und als diese Beschreibungen sich nur auf Gegenstände beziehen, welche die Reisenden selbst zu sehen Gelegenheit hatten." (1)

Gleich eingangs im Aufsatz werden wir darüber informiert, daß die modernen Gewächshäuser in England aus gebogenen Eisenteilen bestehen.

"Fast an allen, gegenwärtig in England erbauten Treibhäusern, findet man die Träger für die Fensterrahmen von gewalztem Eisen." (2)

Man hatte also in der Biedermeierzeit das Material Eisen für den Bau der Treibhäuser entdeckt. Der Vorteil dieses Materials lag auf der Hand.

"Diese eisernen Träger bieten der Einwirkung der Sonnenstrahlen wenig Hindernisse dar, und sind bei ihren geringen Querschnitts-Dimensionen leicht, und ohne besondere Kostenvermehrung herzustellen." (3)

Es konnte also sehr filigran gebaut werden, um Traggerüste für die Auflage von Glasplatten zu erhalten. Aber man konnte auch bei gewalztem Eisen leichte Formgebung betreiben und zu Verbesserungen gelangen.

"Man hat an der Form der Glaswand eine wesentliche Verbesserung angebracht; sie besteht darin, daß den eisernen Falzenrahmen eine gekrümmte Gestalt gegeben wurde." (4)

Wozu diese gekrümmte Gestalt diente, wurde erklärt:

"Auf diese Weise bietet die Glaswand der Sonne eine zylindrische Oberfläche dar, welche nach und nach, durch die Dauer der ganzen Tageszeit, ihre Strahlen fast normal auf jeden Theil der Krümmung empfängt. Die Temperatur im Glashause ist gleichförmiger, als bei gerader Gestalt der Glaswand, denn in diesem Falle wirkt nur dann die gesammte Wärme ein, wenn die Strahlen der Sonne senkrecht auf die Ebene der Glaswand fallen; jedoch zu jeder andern Zeit vor und nach dem Eintritte dieser Richtung geht ein großer Theil der Sonnenhitze für die Erwärmung des Glashauses durch die Reflexion der Strahlen verloren." (5)

Man hat also, in der Meinung, die Sonneneinstrahlung dadurch verbessern zu können, auf den wechselnden Sonnenstand Rücksicht genommen und der Glasfläche des Gewächshauses eine immer wechselnde Lage zur Sonne verliehen. Erzielt wurde dabei noch ein anderer Effekt:

"Die gekrümmte Gestalt der eisernen Falzträger vermehrt die Eleganz der Konstrukzion, und gestattet eine Verminderung ihrer Querschnitts-Dimensionen, ohne der Festigkeit Eintrag zu thun." (6)

Die Formgebung "der eisernen Falzträger" ergab die Möglichkeit, die Walzeisenteile sehr filigran werden zu lassen. Dadurch ließ sich die Glasfläche des Treibhauses vergrössern und die Verschattung durch die Tragstruktur erheblich mindern. Es stellt sich die Frage, wie man damals diese Walzeisen in die genaue gebogene Form dieser Tragstruktur brachte. Dieser Satz suggeriert, daß die Formgebung sehr leicht vonstatten ging:

"Man erreicht diese gekrümmte Form auf eine sehr einfache Weise, ohne Anwendung irgend einer Maschine." (7)

Die französischen Forschungsreisenden hatten Glück. Sie fanden jemanden, der ihnen zeigte, wie sich die Falzträger aus gewalztem Eisen sehr einfach in Form bringen liessen. Dieser Hinweis erleichterten ihnen das Verständnis vom Bau der Konstruktion der Treibhäuser erheblich.

"Alle diese eisernen Bestandstücke sind sehr weich; sie werden kalt bearbeitet und mit Hammerschlägen gekrümmt, worin die Arbeiter eine besondere Fertigkeit besitzen." (8)

Man darf annehmen, daß die Arbeiter an einem genauen Muster alle gefertigten Teile prüften. Um die Krümmung leichter zu erreichen, werden sie vielleicht eine Vorrichtung gehabt haben, auf der sich die Krümmung einfach einschlagen ließ.

Den Franzosen wurde auch bewußt gemacht, daß die Fälze dieser zusammensetzten Traggerüste sehr schmal sind. Sie berichteten:

"Hier fällt besonders die geringe Größe der Fälze in die Augen. Solche verursachen zwar einige Schwierigkeiten bei der Festlegung der Scheiben, allein sie gewähren den Vortheil, daß die eisernen Falzträger nicht unnützer Weise breite Schatten werfen." (9)

Man kann sich den Querschnitt solcher Falzträger anhand der Zeichnungen vor Augen führen.

Es wurden in England Treibhäuser entwickelt, die auf die Art der Pflanzen Rücksicht nehmen, die in ihnen gedeihen sollen. Da das so war, konnten die Forschungsreisenden aus Frankreich ganz unterschiedliche Treibhäuser aufsuchen und sich davon ein Bild machen. Sie fanden auch heraus, wie solche Treibhäuser beheizt wurden.

"Die in den englischen Treibhäusern gebräuchlichen Heizungsarten sind folgende:
1) Man benützt die Hitze, welche beim Durchgange des Rauches durch Kanäle oder Röhren von Ziegeln frei wird.
2) Man leitet Wasserdämpfe durch gußeiserne Kondensazionsröhren.
3) Man verursacht eine Zirkulazion des warmen Wassers in gußeisernen Röhren, welche zirkulirende Bewegung durch die Störung des Gleichgewichts, vermöge der verschiedenen Dichtigkeit des Wassers bei verschiedener Temperatur, bewirkt wird.
4) Man läßt über den Siedepunkt erhitztes Wasser in schmiedeeisernen Röhren von sehr geringem Durchmesser, jedoch von hinreichender Stärke, um diesem hohen Drucke zu widerstehen, zirkuliren." (10)

Diese vier Heizungsmethoden lassen sich in einer gewissen Verbreitung in unterschiedlichen Regionen auffinden. Sie haben auch ihre jeweilige Geschichte, der man genauer nachgehen müßte. Ein Hinweis findet sich im Text vom Jahre 1837:

"Die Heizung mittelst Rauch ist die älteste von diesen vier Methoden; man bediente sich derselben bis jetzt in dem Museum der Naturgeschichte zu Paris, sie wird in den Treibhäusern der Gärten zu Kew, und in denen einiger Privaten zu London angewendet." (11)

Zugleich ist diese Heizungsart uneffektiv und eigentlich nur billig herzustellen. Die Nachteile sind deutlich herausgearbeitet worden:

"Hierher gehören: der bedeutende Aufwand an Brennmaterial, die beständigen Reparaturen an Oefen und Rauchkanälen, ihre geringe Wirksamkeit, die Gefahr des Rauchens im Glashause, wodurch alle zarteren Pflanzen verderben; endlich die höchst ungleiche Verbreitung der Wärme, durch welche die Pflanzen in der Nähe des Ofens beinahe versengt werden, während in einiger Entfernung vom Ofen die zu ihrer Erhaltung nöthige Temperatur nicht zu erzielen ist." (12)

Man ist also genötigt, mehrere Öfen in Betrieb zu halten, wird im Text erläutert. Ist ein solches Heizsystem eingerichtet, so behalte man es in der Regel bei, weil der Betreiber des Gewächshauses die Unkosten des Umbaues scheue.

Die zweite Heizungsart, also das Heizen mit Wasserdampf, sei zwar effektiv, besonders "für warme Häuser im Großen", aber "der Uebelstand" bestehe darin, daß sich im Treibhaus kein "beständiger Wärmebehälter" befinde. Gemeint sind die Treibhäuser des Herrn Loddiges. Sobald kein heißer Dampf in den Röhren zirkuliere, würden die Rohre sofort erkalten. Das erzwinge ein ständiges Befeuern der Heizkessel. Bei Lord Powis habe man diesen Mißstand dadurch beseitigt, indem man die Dampfröhren in einen Wasserbehälter geleitet habe, was zur Aufwärmung des Wassers führte, wodurch der Wasserbehälter Wärme in den Raum abgab, falls kein heißer Dampf zirkulierte.

Karl Ritter, der sich als ungarischer "Garten-Direktor" mit dem Beheizen von Treibhäusern zu beschäftigen hatte, sah sich ebenfalls in England um. Bald stieß er auf Treibhäuser, in denen mit einer Dampfheizung geheizt wurde.

"Weil die Pflanzen in feuchter, warmer Luft, mit Licht und Schatten abwechselnd, am besten gedeihen (dieses sieht man am deutlichsten in den Tropenländern, wie z.B. in Süd-Amerika), so kamen die Engländer auf den Einfall, einen Apparat zu verfertigen, der Wärme und Feuchtigkeit zugleich entwickelt, um sonach die Pflanzen in Treibhäusern im Wachsthum mehr zu fördern, was ihnen auch theilweise gelang. Sie wendeten nämlich die Dampfheizungen an." (13)

Die Beschreibungen von Ritter sind einigermaßen wertvoll, da er ziemlich genau beschreibt, wie diese Heizungsart in den Treibhäusern angewendet wird.

"Es wird /.../ in einem Kessel Wasser durch Feuer erhitzt und der hierdurch entstehende Dampf in gußeisernen Röhren durch alle Theile des Treibhauses geleitet. Diese Röhren gingen auch vorn an den Fenstern vorbei, wo sie am zweckmäßigsten angewendet wurden; bei Tropenpflanzen-Treibhäusern führte man sie zwischen den Pflanzenbretern durch. An diesen Röhren nun befinden sich Pippen (Hähne), die geöffnet werden oder geschlossen bleiben können. Sind sie geschlossen, so verbreitet sich eine, für Pflanzen sehr gedeihliche, Wärme; öffnet man aber eine der Pippen, so strömt der Dampf heraus und verursacht auf den Pflanzen einen solchen Thau, daß die Blätter bald nachher mit tausend glänzenden Thautropfen bedeckt sind. Die Engländer haben vielen Erfolg von dieser Methode gehabt, und wenden dieselbe auch noch an. Die großen königl. Wein- und Pfirsisch-Treibereien in Kinsington-Garden werden noch jetzt durch Dampf geheizt, und zwar mit einem Dampf-Apparate, welcher in einem abgesonderten Hause steht. Der Dampf wird von da durch Röhren, welche unter der Erde fortlaufen, in mehrere Treibhäuser zugleich geleitet." (14)

Man war also in der Biedermeierzeit in England bereits in der Lage, mehrere Treibhäuser gleichzeitig mit Dampf zu beheizen. Ritter schildert auch ein Treibhaus in Bruck an der Leitha, das bereits über eine Dampfheizung verfügte. Das Personal habe es jedoch nicht verstanden, mit diesem Heizsystem umzugehen. Die Folge war, daß die wertvollen Pflanzen in Bruck verfaulten.

Die dritte Beheizungsart, also die Beheizung durch zirkulierendes warmes Wasser, sei von den Engländern bei dem Franzosen Bonnemain kopiert worden. Man wende diese Art zu heizen in England "in allen, gegenwärtig von Privaten errichteten Treibhäusern an". Die Vorteile lägen auf der Hand. Das Schicksal des Erfinders war wohl schlimm, denn Rohault und Mirbel geben dazu Nachricht:

"Die Heizung mit warmen Wasser wurde von einem Franzosen, Namens Bonnemain, einem äußerst scharfsinnigen Manne, erfunden. Dieser erntete jedoch die Früchte seiner Entdeckung nicht, da er 1830 in einem Alter von 80 Jahren in Armuth starb." (15)

Wie die Engländer vorgingen, wird so geschildert:

"Die Engländer, mit mehr Ausdauer, und insbesondere mit mehr pekuniären Kräften begabt als die Franzosen, bemächtigten sich der Erfindung des Bonnemain, wendeten diese Heizmethode in allen, gegenwärtig von Privaten errichteten Treibhäusern an, und fanden dieselbe in jeder Gestaltung gleich vortheilhaft." (16)

Man war jedoch mit der Wirksamkeit der Heizung dort unzufrieden, wo für die Pflanzen eine höhere Raumtemperatur benötigt wurde. Dies führte zu Experimenten, mit sehr hoher Temperatur des Wassers in den Röhren zu arbeiten. Jedoch kam es zu Unfällen:

"Allein bei diesem Systeme ist man vielen Gefahren und Unfällen unterworfen, insbesondere aber dem Bersten der Leitungsröhren, wodurch das Verlöschen des Feuers, Beschädigung des Ofens und Zerstörung der Pflanzen herbeigeführt wird. Man hat demnach für jetzt der Anwendung dieser Heizart entsagt, fährt aber fort, darüber Versuche zu machen. So wurden den Reisenden Modelle hievon bei Herrn Loudon und im Hortikulturgarten vorgewiesen." (17)

Warmwasserheizungen reichten, so sagen uns Rohault und Mirbel, in den Treibhäusern nicht für alle Pflanzen aus. Fuhr man diese Heizungen mit zu hoher Wassertemperatur, konnten sich die Warmwasseranlagen selbst zerstören. Sie kamen zu dem Schluß, daß Dampfheizungen zu diesem Zeitpunkt, also in der Biedermeierzeit um das Jahr 1833, noch die effektivste und sicherste Heizungsart für Treibhäuser seien. Wenn man es verstand, sie richtig einzusetzen, seien sie derzeit optimal. Sie sagen aber auch, daß in England über Warmwasserheizungen geforscht wurde, die auch sicher bei hohen Temperaturen betrieben werden können. Prototypen davon sahen sie in England:

"So wurden den Reisenden Modelle hievon bei Herrn Loudon und im Hortikulturgarten vorgewiesen." (18)

Dadurch also, daß die Holzkonstruktionen der Treibhäuser durch Eisenkonstruktionen ersetzt wurden, kam es in England zum Bau filigraner Tragwerke für das Auflegen der Glasplatten. Außerdem wurde nach dem effektivsten Beheizungssystem für die Treibhäuser gesucht. Von den vier Beheizungsarten, die angewandt wurden, erwies sich, laut Rohault und Mirbel, die Dampfheizung bis dato am effektivsten. Die Entwicklung ging jedoch rasch weiter. Es empfiehlt sich, die gesamte Entwicklung der Treibhäuser genauer zu verfolgen. Neben den technischen Entwicklungen, die sich in den Treibhausbauten repräsentieren, ist der Baustilentwicklung beim Treibhausbau nachzugehen.

Karl-Ludwig Diehl

Anmerkungen:
(1)-(4) zitiert aus: C.Rohault, Mirbel: Ueber englische Treibhäuser. (Der Text wurde von der Redaktion der Allgemeinen Bauzeitung übersetzt und überarbeitet. Der Text enthält also Abänderungen und Erweiterungen durch die Redaktion.) S.395-400; S.403-408 und Zeichnungen auf den Blättern CLXXIII, CLXXIV und CLXXV in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1837. S.395
(5) zitiert aus: C.Rohault/Mirbel, wie vor, S.395f.
(6)-(7) zitiert aus: C.Rohault/Mirbel, wie vor, S.396
(8)-(9) zitiert aus: C.Rohault/Mirbel, wie vor, S.404
(10)-(12) zitiert aus: C.Rohault/Mirbel, wie vor, S.396
(13)-(14) zitiert aus: Karl Ritter: Ueber die Warmwasser-Heizungsmethode in Treibhäusern. S.99-100 in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1836. S.100
(15)-(16) zitiert aus: C.Rohault/Mirbel, wie vor, S.396
(17)-(18) zitiert aus: C.Rohault/Mirbel, wie vor, S.397

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