Mittwoch, 15. Oktober 2008

Eisenroste für sehr tragfähige Geschoßdecken im Paris der Biedermeierzeit




Das Deutsche Gewölbemuseum recherchiert: eiserne gewölbte Tragroste als Grundelement sehr tragfähiger Geschoßdecken im Paris der Biedermeierzeit

Es gibt einen interessanten Exkurs zu Geschoßdecken aus der Biedermeierzeit, zu solchen, wie sie in Paris in den 1830er Jahren anzutreffen waren und gebaut wurden. Nach einer Darstellung, wie in Paris Balkendecken unterschiedlicher Qualität hergestellt werden, wird erklärt, daß man in der Nähe der Kamine Balkenlagen vermied, durch Einlage von Wechseln einen Zwischenraum in der sonst hölzernen Geschoßdecke schuf, der mit Hohlziegeln oder Keramiktöpfen ausgemauert wurde. Als Bindemittel nahm man dabei Gips. Dieses Verfahren, das dem Brandschutz diente, soll auf den Architekten Achille Leclerc zurückgehen.(1)

Neben Holzbalkendecken gab es solche, die ein Traggerüst aus Eisen erhielten, dessen eisernes Grundgerüst mit hohlen Ziegeln oder Keramiktöpfen ausgemauert wurde. Offensichtlich hatte man diese Deckensysteme in drei Formengruppen und außerdem in drei Tragfähigkeitsklassen eingeteilt. Es gab drei Formen der Decken:

1. "planchers droit", das sind ebene Decken, deren untere und obere Flächen horizontal und eben sind.
2. "planchers douellés", das sind Decken, deren obere Flächen eben sind, die unteren aber eine Wölbung haben, deren Wölbungslinie einen sehr flachen Bogen bildet.
3. "planchers cintrés", das sind Decken, deren obere Fläche eben, die untere Fläche größtenteils auch eben ist, aber am Rande eine Wölbung erhielt, sodaß ein Spiegelgewölbe in der Unteransicht sichtbar wurde.

Was nun die Tragfähigkeit von Geschoßdecken betraf, so hatte man sich auf diese drei Klassen festgelegt:
1. "planchers faible", also schwache Geschoßdecken.
2. "planchers ordinaire ou de force moyenne", also mittelstarke Geschoßdecken.
3. "planchers résistans", also äußerst starke Geschoßdecken.

Man hatte schließlich noch die außerordentlich starken Überdeckungen zur Verfügung, die "planchers de terrasse" oder Terrassendecken genannt wurden. Der Name sagt schon, daß sie eher außerhalb des Gebäudes zum Einsatz kamen. Sie wurden wegen ihrer ungewöhnlich hohen Belastbarkeit in Lagerhäusern verwendet. (2)
Es fällt bei Durcharbeitung des Berichtes über die Geschoßdecken im Paris der Biedermeierzeit auf, daß neben den Holzbalkendecken also "vielfältig ganze Decken von hohlen Ziegeln in Verbindung mit Eisen" (3) ausgeführt wurden. Leider wird nicht darauf hingewiesen, seit wann diese mit Eisen bewehrten Hohlziegeldecken gebaut wurden und wo diese Art zu bauen aufgekommen war. Hier bestehen also offene baugeschichtliche Fragen, auf die Antwort zu geben ist. Bei den Decken, die als "planchers faible" bezeichnet werden, konnte man also statt gering belastbarer Holzbalkendecken auch auf ein Bausystem zurückgreifen, bei dem ein Netz aus eisernen Stäben, das im Mauerwerk verankert war, mit hohlen Ziegeln oder Keramiktöpfen ausgemauert wurde. Zu den Eisenstäben und hohlen Ziegeln oder Keramiktöpfen ist ausformuliert:

"In Abständen von 3 zu 3 oder 4 zu 4 Schuhen werden sie mittelst eiserner Schließen in das Gemäuer befestigt und innerhalb ihrer Fläche mit dünnen eisernen Stäben, die sich rechtwinklig kreuzen, netzartig verbunden." (4)

Es wurde empfohlen, einer solchen schwachen Geschoßdecke eine leichte Wölbung zu geben:

"Auch ist es zweckmäßig, der ganzen Fläche eine leichte bogenförmige Krümmung zu geben, so daß die Wölbung, welche durch die Zusammenstellung der Ziegel gebildet wird, etwa 3 bis 4 1/2'' im Pfeile habe. Dieses einfache Mittel bringt den großen Vortheil, daß der äussere Druck nach den Hauptwänden geschoben wird, die durch ihre Kraft demselben leicht widerstehen." (5)

Wenn das eiserne Tragrost ausgelegt war, begann man die Keramiktöpfe oder leichten Hohlziegel von der Mitte der Flächen aus zwischen dem Eisengerüst zu verlegen und führte sie in der Diagonalen zunächst zu den Ecken der Geschoßdecke, bevor der Rest der Fläche ausgefüllt wurde. Wenn dann noch Restflächen blieben, füllte man diese mit Ziegelstücken oder Steinbrocken aus. Diese leichten Decken wurden damals bei einfachen Häusern wie bei öffentlichen Gebäuden und in Palästen verwendet. Sie wurden sehr häufig über Peristilen, über den Korridoren, gebaut, wo eine Materialübereinstimmung mit dem Backsteinmauerwerk durch Hohlziegel gewählt wurde. Erwähnt wird als Grund für die Verwendung dieser Deckenart der Brandschutz:
"Ein flüchtiger Rückblick auf das bisher über die Anwendung der hohlen Ziegel Gesagte, zeigt demnach, daß sie sowohl wegen der Gefahr eines Feuers, wegen ihrer Festigkeit, Dauerhaftigkeit und wegen ihrer Leichtigkeit den hölzernen Fußböden weit vorzuziehen sind." (6)

Solche leichten Decken waren auf eine Belastbarkeit von "80 Personen (jede zu 150 Pf. gerechnet) auf die Quadratklafter" ausgelegt. Da die Vorteile dieser Hohlziegeldecken auf der Hand lagen, hatte man dieses Bausystem für die "planchers ordinaire ou de force moyenne" ebenso weiterentwickelt wie für die "planchers résistans" und die "planchers terrasse", sodaß für alle Tragfähigkeitsklassen ausgemauerte Eisengerüstdecken zur Verfügung standen. Sie unterscheiden sich im Detail.

"Die Verfertigung ganz neuer Fußböden von mittlerer Stärke /.../ erheischt mehr Sorgfalt, als jene der ganz schwachen. Wie schon erwähnt, müssen Ziegel und Eisen dabei stärker genommen werden. Das Eisenwerk bei diesen mittelstarken Böden muß ebenfalls, wie bei den schwachen, eine Art Netz bilden; jedoch besteht dasselbe nun nicht mehr aus einfachen eisernen Schließen, sondern aus schwachen, in die Wände der zu bedeckenden Räume einzumauernden Rösten, die auf größeren Entfernungen von einander gesetzt sind, und zwischen denen Bänder in horizontaler Ebene vertikal und parallel liegen. In die dadurch entstehenden Vierecke werden dann, wie bei den schwachen Decken, die Töpfe versetzt und vergipset." (7)

Man konnte, durch Befestigung von Eisenbändern unter den Holzbalken, aus bestehenden Holzbalkengerüsten alter Geschoßdecken tragfähigere Geschoßdecken machen, indem man diese Balken dann mit flachen gewölbten Hohlziegellagen ausmauerte. Jedoch soll dieses Bauverfahren nicht zur Darstellung kommen, da hier nur die Deckenarten mit eisernen Gerüsten und Ausmauerungen mit Hohlziegeln oder Keramiktöpfen interessieren, also nicht der Umbau bestehender Holzbalkendecken.

Um die Tragfähigkeitsklassen der Decken mit eisernen Tragrösten besser zu verstehen, orientiert man sich am besten an den Zeichnungen, die es dazu gibt. Der Typus der "planchers faible" ist so zur Darstellung gebracht:




Man sieht sehr gut eines der eisernen Bogenelemente, die quer über den Raum gelegt wurden. Man verband diese Bogenelemente mit längs zu legenden eisernen Elementen, die zugleich einen regelmäßigen Abstand der Teile des Eisengerüstes erzwangen, sodaß dazwischen sehr geregelt die Ausmauerung mit Hohlziegeln oder Keramiktöpfen vorgenommen werden konnte.

Man konnte durch stärkere Eisen zwischen der Ausmauerung die Spannweiten solcher Decken leicht vergrößern. Um Decken des Typs "planchers ordinaire ou de force moyenne" zu bauen, waren Erweiterungen in der Ausführung des Eisengerüstes notwendig. Auch wurden höhere Hohlziegel oder größere Keramiktöpfe vermauert.

Da die Decken schwerer wurden und eine höhere Belastung aushalten sollten, waren im Mauerwerk unter den Auflagen der eisernen Bogenelemente in der Mitte des Mauerwerks langestreckte Auflagsplatten aus Eisen einzubauen, welche die Belastung über eine grössere Auflageflächen zu verteilen hatten.

Zu dem Typus "planchers resistans" wird ausgesagt:

"Die einfachsten dieser Fußböden bestehen aus folgenden Theilen:
a) aus den Hauptrösten von stärkerer, jedoch ähnlicher Konstrukzion, wie jene der mittelstarken Fußböden; man setzt diese Röste gewöhnlich in Abständen von 12 zu 12 Schuhen in paralleler Richtung auf die Mauern, und untertheilt jeden Abstand mit Dazwischenlegung eines kleinern Rostes;

b) aus den Hauptbändern (entretoises principales), die an einer Seite auf den Bogen der schwachen Röste, an der andern aber in die Rostschließe eingehängt werden, und dieselben unter einander verbinden;

c) aus den Querbändern (entretoises secondaires), welche die Hauptbänder über's Kreuz verbinden." (8)

Dazu gibt es eine aufschlußreiche Zeichnung, die uns diese Aufteilung in Hauptbänder und die untergeordeten Eisenbänder nahebringen kann.


Es wurden verschiedene Bogenelemente miteinander verknüpft, um einen zusammenhängenden Rost aus Eisenteilen zu ergeben. Bei den "planchers terrasse", die ungeheure Belastungen auszuhalten hatten, griff man zu weiteren Kniffen. So wurden die mit Bögen versehenen Haupteisentragwerke auch diagonal verlegt, um dazwischen kleinere Spannweiten für Eisenroste zu erhalten, sodaß ein zusammenhängender großer Eisenrost entstand, der ausgemauert werden konnte. Da diese Deckenart im Außenbereich von Gebäuden eingesetzt wurde, war außerdem noch dafür zu sorgen, daß sie durch Frost und Feuchtigkeitseinfluß keinen Schaden nehmen konnten. Als Beispiel sei der Eisenrost für einen Boden des "Palais der Deputirtenkammer" angeführt.


Man konnte mit einem solchen System also auch auf die unregelmäßige Form abgerundeter Räume, die zu überdecken waren, eingehen. Auf Höhe der Auflage der Eisenträger wurden sogenannte "Polstereisen" ausgelegt, welche den Druck auf das Mauerwerk zu verteilen hatten.

Es ist dringend notwendig, zu klären, wo die Ursprünge dieser Deckenarten aus vermauerten Eisentragwerken in Bogenform aufzufinden sind und wie sich diese Tragwerkssysteme weiterentwickelt haben. Da diese französischen Decken außerhalb Frankreichs publiziert wurden, dürfen wir Auswirkungen in andere Länder erwarten. Da nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen Gebieten eine solche oder ähnliche Tragwerksstruktur unabhängig voneinander entwickelt worden sein kann, ist zu klären, wo solche Vorgänge stattfanden, wenn es sie gab.

Die Bauwerke in Paris, bei denen solche eisernen Tragröste zur Ausmauerung mit hohlen Ziegeln oder Keramiktöpfen eingebaut wurden, sind genannt. Es sind zum großen Teil sehr renommierte Bauten. Man findet solche Decken im "Palais der Deputirtenkammer", dem "Salon des Königs", über einem "Konferenzsaal", "im oberen Stockwerk der Bibliothek der Deputirtenkammer zum Tragen eines großen Wasserbehälters", bei dem "Militär-Viktualien-Magazin (Manutention militaire) zu Paris am "Quai de Billy", über einem "Bäckereigebäude", in der "Gallerie des Königs in den Tuilerien" als Boden, usw. (9)

Diese Auswahl an Bauten, bei denen diese Deckensysteme angewandt wurden, zeigt uns die Bedeutung dieser Bauarten für Frankreich. Es würde mich sehr wundern, wenn diese Bautechnik außerhalb Frankreichs nicht aufzufinden wäre.


Karl-Ludwig Diehl


Der Autor ist über folgende Emailadresse erreichbar:
baugeschichte (at) email.de

Anmerkungen:
(1) siehe bei: o.A.: Eigenthümliche Konstrukzionen
an Gebäuden in Paris. S.311-313; S.321-322; S.334-336;
S.337-341; S.345-347; S.353-360; Abbild. CLXI, CXLXII,
CXLXIII in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1837. S.322
(2) siehe bei: o.A., wie vor, S.334f.
(3) siehe Zitat im Zusammenhang bei: o.A., wie vor,
S.334
(4)-(5) zitiert aus: o.A., wie vor, S.334
(6) zitiert aus: o.A., wie vor, S.335
(7) zitiert aus: o.A., wie vor, S.335f.
(8) zitiert aus: o.A., wie vor, S.338
(9) siehe im Text bei: o.A., wie vor, S.339ff.


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