Sonntag, 5. Oktober 2008

Die eiserne Kuppel der Mehlhalle von Paris
















Das Deutsche Gewölbemuseum recherchiert: die eiserne Kuppel der Mehlhalle von Paris

Die Mehlhalle von Paris wurde aus zwei Gründen weithin bewundert. Über dem kreisrunden Bauwerk, das im Jahre 1767 von Le Camus de Mézières begonnen wurde, hatte
Philibert Delorme im Jahre 1783 seine erste Holzbohlenkonstruktion errichtet, um den kreisrunden Innenhof zu überdecken. Diese berühmte Holzkuppel brannte leider im Jahre 1802 ab, und man sah sich erst im Jahre 1811 in der Lage, sie durch eine eiserne Kuppel zu ersetzen. Man übertrug diese Aufgabe dem Architekten Bellangé, der sie mit dem Ingenieurbüro Brunet und dem erfahrenen Unternehmer Roussel realisierte. Auch diese Kuppel, diesmal

aus Guß- und Schmiedeeisen gebaut, wurde weithin gerühmt, denn sie galt als ebenbürdiges Meisterwerk des
Ingenieurbaus. Es war eine Spannweite von "38 Met. 86
Centimet. innern Durchmesser" mit dieser Kuppel zu überbrücken gewesen. Die Kuppel ist außerdem sehr hoch:

"der höchste Punkt der Laterne im Innern steht 45 Met. vom Fußboden ab, und die ganze Kuppel ist aus 51 halben Stuhlbögen zusammengesetzt, die am Fuße 2 Met. von Mitte zu Mitte von einander abstehen, und oben strahlenförmig an einem Reif sich zusammenwölben, der 4 Met. unter dem Scheitel der Laterne liegt." (1)

Als Stuhlbögen werden die aus gußeisernen Fertigteilen zusammengeschraubten Kuppelbauteile bezeichnet, die vom Mauerwerksring bis zum Eisenring ganz oben aufsteigen. Über der ringförmigen Öffnung der Kuppel ist die eiserne Laterne aufgesetzt worden. Man hatte alle Stuhlbögen mit horizontalen Eisenringen verbunden, die in regelmäßigen Abständen übereinander liegen und gut mit den Stühlbögen verschraubt sind. Von diesen gibt es 14 an der Zahl. Jeweils wurde innen und aussen ein Ring verschraubt.

"Durch diese Zusammensetzung bildet sich eine Reihe von aufwärts sich verjüngenden Rahmen oder Kassetten, die eine vortreffliche Wirkung machen. Im Ganzen entfallen deren 765." (2)

Die halben Stuhlbögen sind über eiserne Schließen im Mauerwerksring verankert und stehen auf Lagerschuhen auf. Zur Erläuterung lassen sich Detailzeichnungen durchsehen. Die Einzelheiten wurden genau beschrieben.

http://www.fotos.web.de/spaceoffice/Paris_Mehlhalle
(Grundriß, Kuppelschnitt und -ansicht, Laterne, Details)

"Auf dem steinernen Sockel über dem Hauptgesimse ist eine Mauerschließe A (Fig. 4 und 5) eingelassen, die aus so vielen Theilen, als Stuhlbögen sind, besteht, welche Theile unter sich nach der in denselben Figuren ersichtlichen Weise verbunden werden, woraus ebenfalls die Befestigungsart der Schließe mit dem Sockel sich ergibt. An den Stellen, wo die Stuhlbögen aufstehen, wurde ein Kreuz als Lagerschuh für die Bögen angeordnet (Siehe Fig. 4), das mit der untersten Rippe jedes Bogens und dem Sockel, wie aus der Zeichnung erhellet, vereinigt ist. Zwischen den Bögen ist die Schließe G mit Klammern (wie in Fig. 6 bei F) an den Sockel gebunden; und damit die Ausdehnung des Schließeisens nicht gestört werde, ist bei F ein Schlitz angebracht, worin der Dorn, welcher durch die Klammer und Schließe geht und in den Sockel
versenkt ist, sich bewegen kann." (3)

Man kann sich die Eisenteile, die fast alle aus Gußeisen paßgenau hergestellt sind, auf den Detailzeichnungen sehr genau ansehen, um dem Erfindungsreichtum der Erbauer nachzuspüren. Genauso viel Sorgfalt wurde auf die Durcharbeitung der Details der Eisenelemente verwandt, welche die Laterne ergaben. Man hat dort oben außerdem eine Gallerie aufgebaut:

"Eine Galerie, welche um die Laterne läuft und mit einem Geländer versehen ist, erleichtert die Reparaturen an der Laterne und dekorirt zugleich die Kuppel. Eine gebogene Leiter führt auf der Kuppel zu dieser Galerie." (4)

Um den Kuppelsaal herum verlief ein Gebäudering, der auf Geschoßen übereinander Lagerraum enthielt. Diese Räume waren eindrucksvoll überwölbt worden, bestanden aber schon, bevor die eiserne Kuppel die durch Feuer zerstörte Kuppel ersetzen mußte.

Im Jahre 1854 war auch diese erneuerte Mehlhalle von einem Brand betroffen. Nach einer Übergangszeit entschloß man sich, diese Einrichtung zu schliessen. Die Handelskammer in Paris erwarb das Gebäude und ließ es zur Bourse de Commerce umbauen. Bei dieser Gelegenheit wurde die innere Kuppel im unteren Teil mit Backsteinen vermauert, um auf der gewölbten Wandfläche ein eindrucksvolles Kunstwerk aufmalen zu können. Der Architekt Blondel war mit dem Umbau der Mehlhalle in eine Handelsbörse beauftragt worden. Das Gebäude befand sich lange Zeit am Ende einer städtebaulichen Achse, die sich nach dem Bau der zentralen Markthallen von Paris ergeben hatte. Die ersten Entwürfe dieser Markthallen gehen auf das Jahr 1811 zurück. Aber erst im Jahre 1851 wurde der Grundstein zu diesem Gebäudeareal gelegt. Die Halle aux Blé, umgebaut in die Bourse de Commerce, bildete mit ihrer Kuppel einen Akzent am Ende der Hallengebäude des zentralen Marktes von Paris. Diese Markthallen wurden jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg niedergerissen.

Karl-Ludwig Diehl


Der Autor ist über folgende Emailadresse erreichbar:
baugeschichte (at) email.de

Anmerkungen:
(1)-(2) zitiert aus: o.A.: Die Mehlhalle in Paris. S.41-42 und Zeichnungen auf Blatt CLXXXVIII in: Allgemeine Bauzeitung. Wien, 1838. S.41
(3) zitiert aus: o.A., wie vor, S.41f.
(4) zitiert aus: o.A., wie vor, S.42
siehe auch:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/74/Halles_de_Paris%2C_1863.jpg
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/49/Halles1.jpg
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0d/Halleauble1885.jpg
aus:
http://fr.wikipedia.org/wiki/Bourse_de_commerce_de_Paris
Anbei ein Hinweis zu der Holzbaukonstruktion des Philibert Delorme, der die erste Halle au Blé mit einer Kuppel ausgestattet hat:
http://we239.lerelaisinternet.com/f/vallee_du_lot/charpentes/origines.htm
Aus Bohlenstücken wurden Holzbögen für ein Holzgewölbe zusammengesetzt.




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