Montag, 8. Dezember 2008

Der Beginn des Aufbaus moderner Verkehrsdrehscheiben im 19.Jahrhundert: Hydrotekten modernisieren die Hafenzufahrt von Danzig in der Biedermeierzeit



Der Beginn des Aufbaus moderner Verkehrsdrehscheiben im 19.Jahrhundert: Hydrotekten modernisieren die Hafenzufahrt von Danzig in der Biedermeierzeit

Die Weichsel, die sehr lange durch Bauernland fließt, teilt sich kurz vor der Mündung in die Ostsee etwa bei Marienwerder in zwei Flußarme. Der eine Flußarm erhielt den Namen Nogath und fließt, mehr östlich gerichtet, in das "Frische Haf", so die erwähnten Bezeichnungen in der Biedermeierzeit. Der andere Flußarm wird in dem Text aus dem Jahre 1837 "die eigentliche Weichsel" genannt. Diese Weichsel teilte sich dann nochmals bei dem Dorf Käsemark bei dem "Danziger Haupt" in zwei Arme. Der eine Flußarm, damals "Elbinger Weichsel" genannt, fließt wiederum östlicher und ergießt sich in das "Frische Haf". Der andere Flußarm ist es, der den Namen "Danziger Weichsel" erhalten hatte und an Danzig vorbeifließt, und der sich etwa eine Meile unterhalb der Stadt direkt in die weiträumige Ostsee ergießt. Dieser Flußarm fließt lange Zeit in etwa westlicher Richtung parallel zur Küste und hatte sich einen Zufluß zur Ostsee etwas nördlich von den Wasseradern gesucht, an denen Danzig mit seinem Hafen aufgebaut wurde. Damit es Danzig wirtschaftlich gut ging, mußte die Weichsel schiffbar gemacht und schiffbar gehalten werden. Die Fachleute, die sich mit diesen Wasserbauten zu beschäftigen hatten, werden im biedermeierzeitlichen Text "Hydrotekten" genannt. Sie trugen also durch ihre Baumaßnahmen zum Wohlstand der Stadt unmittelbar bei. Von ihnen ging die Idee aus, durch einen Kanal in westnordwestlicher Richtung die Einfahrt für Schiffe in die Weichsel abzusichern, da die Danziger Weichsel an ihrer Ostseemündung wegen des vorherrschenden Winddruckes aus Osten zu oft versandete und dadurch Wasserbaumaßnahmen erzwang, die nichts erbrachten, da die Einfahrt für Schiffe beim nächsten Sturm schon wieder durch Verlandungen bedroht war.




















Die Landschaft an der Einmündung der Danziger Weichsel wurde bereits seit dem Beginn des 18.Jahrhunderts sehr verändert. Durch Karten ist das im Aufsatz belegt, die den Zustand vom Jahre 1717, 1724 und 1745 und 1805 zeigen.Man sieht auf den Karten eine Flußeinmündung an einem Küstenstreifen, der sich links der Einmündung in die Ostsee vorschiebt, rechts aber stark nach Südosten zurückweicht.





Man hatte, da die Einmündung bei Sturm immerzu starke Veränderungen erlebte und neue Fahrwasser zu graben waren, schließlich eine Grundsatzentscheidung getroffen und damit begonnen, "das neue Fahrwasser" links vor der Mündung durch die Landschaft zu einer Schiffsein- und -ausfahrt an anderer Stelle der Ostsee auszugraben, die im Windschatten der vorherrschenden Windrichtung liegt. Damit erhoffte man sich, von dem "schädlichen Einfluß" der Naturereignisse befreit zu sein. Denn:

"Bei eintretenden starken Landwinden reinigt sich die Mündung der Weichsel zwar durch die verstärkte Ausströmung,aber der von jeher von Osten nach Westen wandernde Sand vor dem Hafen lehrt, daß diesem Spiel der Wellen wohl schwerlich ganz vorzubauen sein möchte." (1)















Der natürlichen Einmündung der Danziger Weichsel drohten also fortwährend Verlagerungen der Sandbänke, welche den Schiffsverkehr verunmöglichen konnten.















Sieht man sich das Gebiet der Wester Plaate an, das durch den nach Westen gerichteten Durchstich des "neuen Fahrwassers" zur Insel wurde, so läßt sich rasch erkennen, daß diese Wasserbaumaßnahme eine ungeheure Arbeitsleistung darstellte. Man hatte auch einen Damm östlich der natürlichen Weichselmündung angelegt, damit die von Osten nach Westen wandernden Sandbänke ein Hindernis fanden und die natürliche Einmündung der Weichsel offener bleiben konnte. Auch diese Baumaßnahme band sehr viel Arbeitskraft. Die Idee wird sicherlich schon damit verbunden gewesen sein, daß ein guter Durchfluß der Weichsel dazu führt, daß sich weniger Sedimente des Flußes selbst ablagern können, sondern in die Ostsee gespült werden. Aber selbst dieser Aufwand erbrachte am Ende einer langen Zeit keinen Schutz vor Verschlammung und Versandung. Man mußte neue Maßnahmen treffen.

"Sachkundige sahen es wohl ein, daß dem Uebel nicht anders abgeholfen werden konnte, als wenn die Einfahrt durch die Sandbänke mit einem Kanal durchschnitten, und mit festen Hafendämmen auf beiden Seiten eingefaßt wurde. Dies wurde daher auch veranstaltet, und unter der preußischen Regierung bis jetzt daran gearbeitet, so daß bei der Spitze der östlichen Mole 15 bis 16 Fuß Wassertiefe vorhanden ist, was für die Schifffahrt von Danzig auch hinlänglich, und wobei zu wünschen ist, daß diese Tiefe erhalten werden möge." (2)

Man war aber um das Jahr 1837 sehr skeptisch, ob diese Dämme der Gewalt der See standhalten werden. Ihre Baukonstruktion ist beschrieben:

"Die Hafendämme sind nach einer alten Methode von Holz gezimmert, die darin ausgebundenen Kästen mit Steinen belastet und in den Grund des Meeres gesenkt." (3)

Eine solche Bauweise wurde jedoch damals schon kritisch gesehen, weil dadurch Nachteile unvermeidlich waren.

"Die ohne Verbindung in die Kästen hineingeworfenen grossen Feldsteine können in dem Hafendamme keine vollkommene Dichtigkeit hervorbringen. Die auf einander gekämmten Balken des Bollwerks sind zwar so gut wie möglich gezimmert, können aber nicht wasserdicht halten; außerdem sind die Fasern des Holzes, die abwechselnd der Luft und dem Wasser ausgesetzt sind, der Fäulniß unterworfen,und werden von den Wellen ausgewaschen. Der Wellenschlag treibt daher den feinen Sand unaufhörlich durch die Kastenwerke durch und versandet den Kanal. Dadurch ist denn auch in den letzten Jahren eine Versandung zwischen den Hafendämmen im Fahrwasser entstanden /.../ und sich desto weiter ausbreiten wird, je älter die Steinkasten werden." (4)

Das neue Fahrwasser, diese künstlich errichtete Wasserstraße, welche die Wester Plaate zur Insel machte, erhielt bereits als frühe Wasserbaumaßnahme ein Schleusenbauwerk, das jedoch mit der Zeit Schaden nahm und in der Biedermeierzeit erneuert werden mußte. Das alte Bauwerk war aus Holz:

"Durch viele und kostbare, während zwei Jahrhunderten fortgesetzte Bauten und durch fortwährend erfolgte Verlandungen und Ausbaggerungen, entstand endlich die im Plane /.../ ersichtliche, mit einer hölzernen Schleuse geschlossene Ausfahrt." (5)

Man findet die Lage dieser Schleuse an der Stelle, wo das neue Fahrwasser von der unteren Weichsel abzweigt. Diese alte Schleuse hatte immer offengestanden, Tag und Nacht. Nur wenn Eisgang war, verschloß man sie.















Ihr Sinn war offensichtlich nur, das neue Fahrwasser und seine Abzweigung von der Weichsel vor dem Eisgang zu schützen. Sie schützte jedoch das neue Fahrwasser nicht vor der Verschlammung, die durch die Ablagerung der Sedimente der Weichsel kontinuierlich entstand. Als man sich um das Jahr 1800 entschloß, eine neue Schleuse zu bauen, sah man vor, diese Schleuse auch dazu zu benutzen, damit Sedimente der Weichseln nicht mehr, so wie zuvor, in das "Neue Fahrwasser", also den Stichkanal in Richtung Westnordwesten hin zur Ostsee, hineinkommen, sondern in die Ostsee abfliessen. Deshalb wurde in der Biedermeierzeit formuliert:

"Die neue Schleuse ist dagegen so eingerichtet, daß bei jedem Windstrich durch Verschließung der Thore das Fahrwasser vor der Strömung sowohl aus der Weichsel als aus der See geschützt werden kann, und wenn darauf gehalten wird, daß die Thore jeden Abend, und bei Stürmen, wo nicht durchgeschifft werden kann, auch am Tage geschlossen werden, so ist leicht begreiflich, daß sich jährlich im Fahrwasser weit weniger Schlamm absetzen kann, als vormals geschehen ist, wodurch sich auch die Baggerkosten vermindern müssen." (6)

Nun wurde also darauf geachtet, daß durch die Weichsel weniger Flußsedimente in den Kanal eingespült werden. Die neue Schleuse war demnach aus wirtschaftlichen Gründen errichtet worden, um weniger laufende Unterhaltungskosten des Kanals "neues Fahrwasser" zu haben. Aber sie ersetzte auch ein veraltetes Bauwerk, weil diese Schleuse, die von 1717 bis 1724 errichtet worden war, zu starke Zerstörungen erlitten hatte. (7)

Der Bau der neuen Schleuse mußte damals sehr gut durchdacht werden, denn sie konnte Jahre in Anspruch nehmen:

"Dieser Arbeit wegen hätte /.../ die Schifffahrt während der ganzen Zeit des Baues gesperrt werden müssen. Sämmtliche Güter mußten in Neufahrwasser aus- und umgeladen werden, was sowohl die Schifffahrt ungemein gehindert, als auch den Landtransport außerordentlich kostbar gemacht haben würde." (8)

Wie ging man also vor? Dazu wird ausgesagt:

"so ward beschlossen, eine neue Schleuse zu erbauen, jedoch während des Baues die Schifffahrt durch die alte Schleuse so lange als möglich zu erhalten." (9)

Dazu mußten Untersuchungen angestellt werden. Einerseits mußte die Idee des Neubaus durch ein Gutachten untermauert werden, andererseits war der beste Weg zu finden, wie bei gleichzeitigem Betrieb der alten Schleuse der Bau der neuen Schleuse vonstatten gehen konnte. Als Gutachter war der "Geh.Ober-Baurath Gilly" eingesetzt worden, der einerseits glaubhaft machte, daß ein Neubau wirklich notwendig ist, und andererseits im Gutachten vorschlug, die neue Schleuse etwas unterhalb der alten anzulegen, nämlich "da wo das Fahrwasser bei der Kielbank eine ziemliche Breite hat". Gilly wollte, genauer betrachtet, deutlich unterhalb der alten Schleuse, da wo die Weichselmündung breiter ist, zwei Durchfahrten vorsehen, die Baustelle mit einem Fangdamm sichern, daneben aber die alte Schleuse in Betrieb halten. Dagegen erhoben sich kritische Stimmen. Besonders bei Eisgang könnte sehr viel Schlamm zur Ablagerung kommen, da der Fangdamm diesem vielleicht nicht standhielt. Auch sei dann der Einfahrtswinkel in die neue Schleusenanlage viel zu spitz geworden, wenn man so vorging, wie Gilly es wollte. Man nahm also Abstand von seinem Vorschlag und holte sich den Ober-Schleusen-Inspektor Pahlau aus Elbing, der einen besseren Vorschlag beibringen sollte. Es geschah dies alles um das Jahr 1801. Es ergab sich, daß man in unmittelbarer Nähe der alten Schleuse einen Durchstich in festes Erdwerk machen wollte, wozu aber ein dort stehendes Bauwerk abzureißen war, das südlich der alten
Schleuse stand. Der Fachwelt

"schien es am sichersten zu sein, diese Schleuse in dem diesseitigen (südlichen) Ufer neben der alten Schleuse zu erbauen, und daselbst im festen Boden einen Kanal auszugraben, weßhalb aber das gleich nach der Besitznahme erbaute, drei Etagen hohe, Direkzions- und Lizentgebäude, das ohnehin schon sehr geborsten war, weggebrochen werden mußte." (10)

Man dachte nun ebenfalls daran, die Schleuse nicht nur mit einem Schleusentor auszustatten, sondern in gewissem Abstand ein zweites Schleusentor anzulegen. In der Textstelle liest sich das so:

"Um den ganzen Kanal von Neufahrwasser sowohl von der Weichsel als von der Seeseite her vor Versandungen auf das Beste zu sichern, sollten der Schleuse zwei Paar Thore gegeben werden, um bei allen Windstrichen die Strömung durch den Kanal zu verhindern, und dem Schlamm die Gelegenheit zu nehmen, sich darin abzusetzen." (11)

Aus dem Lageplan läßt sich jedoch nur ein nebeneinander liegender doppelter Wasserweg mit Schleusentoren erkennen. Man wird sich also die Baupläne selbst genauer ansehen müssen. Sie sind auf den ersten Blick nicht einfach zu verstehen. Doch bleiben wir zunächst bei dem großräumigen Lageplan der Schleuse. Die eine Seite scheint der Einfahrt von der Weichsel in den Kanal, die andere Seite der Ausfahrt aus dem Stichkanal in die Weichsel gedient zu haben. Auch Schleusenkammern sind nicht erkennbar, sondern nur Schleusentorpaare nebeneinander, die vermutlich schnell zu öffnen und zu schließen waren. Auf dieser Grundlage, so erweckt es den Anschein, fiel die Entscheidung zum Bau dieser neu erarbeiteten Idee im Beisein von Gilly:

"Diese wichtige Angelegenheit wurde im Sommer 1801 nochmals in Gemeinschaft mit dem Geh.Ober-Baurath Gilly an Ort und Stelle untersucht, und nach der nochmaligen Erwägung aller Umstände wurden die Zeichnungen und Kostenanschläge angefertigt, welche letztere mit einer Summe von 146,226 Thaler abschlossen. Auf den Grund dieser Anschläge wurden auch sogleich die Kontrakte zur Lieferung des Holzes und anderer Materialien geschlossen, und mit dem Ausgraben der Baustelle den 20.Oktober 1801 der Anfang gemacht." (12)

Interessant ist die Erwähnung einer Dampfmaschine, die zum Einsatz kam:

"wobei zugleich die Veranstaltung getroffen wurde, die zu diesem Bau angekaufte Dampfmaschine zum Ausschöpfen des Wassers aufzurichten und in Gang zu setzen." (13)

Diese Dampfmaschine ist bei Gilly/Eytelwein in der praktischen Anweisung zur Wasserbaukunst (Berlin, 1803) genauer beschrieben. Man müßte das Werk durcharbeiten, da auch die Wirksamkeit dieser Maschine auf dieser Baustelle an dieser Schleuse behandelt sein soll. Es gibt aber auch in dem Aufsatz aus der Allgemeinen Bauzeitung genauere Schilderungen von der Baustelle, die den Einsatz dieser Dampfmaschine erhellen.

Was man bei diesen Bauarbeiten fand, dürfte heutige Archäologen sehr interessieren, denn es

"fanden sich 6 bis 8 Fuß unter der Oberfläche auch Steinkasten vor, was sich alles dergestalt durchkreuzte, daß selbst das Ausgraben der Erde dadurch kostbarer wurde, und endlich fand sich auch der Rumpf eines ganzen Seeschiffes nebst vielen Trümmern, welche in vorigen Jahrhunderten auf dieser Stelle, wo also früher offene See war, gescheitert waren, und wovon das erstere noch unter den Rostpfählen des in neuern Zeiten gebauten, drei Etagen hohen, Direkzionshauses lag. In demselben waren Werkstücke, Feldsteine, Fliesen und einige Platten zu Leichensteinen befindlich." (14)

Die Anmerkung zu dieser Textstelle in der Allgemeinen Bauzeitung sagt ergänzend:

"Ungeachtet aller angewandten Mühe war es nicht möglich, bei diesem Schiffe eine Jahrzahl aufzufinden. Der Sandstein ist jedoch von dem nämlichen Korn, wie derjenige, wovon das Hohe Thor in Danzig ausgeführt worden ist. Das Schiff selbst war von Eichenholz gebaut, das fast durchgängig schwarz geworden war. Der Merkwürdigkeit wegen wurden davon verschiedene Meublen verfertigt." (15)

Man fand also ein beladenes Schiff. Das aufgefundene Holz wurde in Teilen zu Möbeln verarbeitet, wodurch diese Möbeln große Raritäten wurden.














Die Bauarbeiten an dieser Schleuse sind sehr genau in ihrem Verlauf abgehandelt. Es gab viele Probleme mit Wassereinbrüchen. Diese Zustände wurden so schlimm, daß man es aufgeben mußte, das Wasser aus der tiefen Baustelle abzupumpen. Man ließ sie absaufen, um bessere Wege zu beraten, da sonst jeder Arbeitstag durch vergebliches Leerpumpen sehr viel Geld verschlungen hätte. Die Probleme fingen damit an, daß man das Schiffswrack bergen und die Schleusenbaustelle, wesentlich tiefer als vorgesehen, ausgegraben werden mußte.

"Nun machte es aber das alte Wrak des vorgefundenen Schiffsrumpfs nothwendig, daß die Baustelle um 3 bis 4 Fuß tiefer ausgegraben werden mußte, als der erste Anschlag besagte, denn um so viel tiefer lagen der Kiel und die Trümmer dieses Schiffs, durch welche kein Pfahl zum neuen Bau gerammt werden konnte. Bei diesem tiefern Ausgraben nahm das Durchdringen des Wassers von der Seite der alten Schleuse und der Weichsel her außerordentlich zu /.../." (16)

Es stellte sich bei dieser Gelegenheit heraus, daß die früheren Wasserbaumeister an der alten Schleuse keine Spundwände eingeschlagen hatten, genauso fehlten sie zum Ufer der Weichsel hin. Das Wasser drang sehr rasch in die Baugrube. Um den Vorgang einzudämmen, wurden nun in Eile Spundwände und Pfähle mit kostspieligen eisernen Schuhen eingeschlagen, was vorübergehend Wirkung zeigte. Es gab jedoch auch Grundquellen, die darüber nicht beherrschbar waren. Sie machten sich um zu mehr bemerkbar, als die Bemühungen Erfolge zeigten, ältere Baureste alter Wasserbaumaßnahmen zu beseitigen, da immer tiefer zu graben war. Meist waren es alte Steinkästen, also Holzbalkenkästen, die mit Steinen gefüllt worden waren, um das Eindringen von Wasser aus der Weichsel abzuhalten. An solchen Stellen versagte jeder Versuch, Rammpfähle einzuschlagen, also schnell abzudichten. Hier mußten auf irgendeinem Wege diese alten Konstruktionen beseitigt werden, bevor modernere Baumaßnahmen wirksam gemacht werden konnten. Aber die Pumpen reichten in ihrer Leistung zu guter Letzt nicht mehr aus und die Arbeiten wurden eingestellt, weil die Baustelle nur noch voll Wasser laufen konnte, Gegenwehr nicht mehr möglich war.

Bevor weitere Maßnahmen, die Geld verschlangen, getroffen werden konnten, mußte erst der Geh.Ober-Baurath Gilly eintreffen. Er kam am 24.Mai 1802 an die Schleusenbaustelle. Ihm wurde vorgeführt, daß nach Auspumpen sofort die Baustelle wieder voll lief, um anschließend Baumaßnahmen zu beraten. Aus den Diskussionen ergab sich ein Beschluß:

"Es wurde nunmehr beschlossen, eine Wand von Bohlen vorlängst dem Steinkastenbollwerk in der Weichsel /.../ zu rammen, so daß die Fuge immer zwischen jeden zwei Bohlen immer von einer dritten Bohle gedeckt wurde, und den Zwischenraum zwischen dieser Wand und dem Steinkasten mit Mist und Erde auszufüllen." (17)

Als dies erledigt war, wurde wieder Wasser ausgepumpt. Doch bald stellte sich das Vordringen des Wassers wieder ein. Man entschloß sich nun dazu, die Baustelle so gut es ging, leerzupumpen, räumte jedoch das alte Steinkastenbollwerk an der Seite zur Weichsel frei, um die Stellen aufzufinden, wo das Wasser leichter eindrang. Danach wurde die Baugrube wieder leergepumpt, und man konnte erkennen, wo Undichtigkeiten an der Weichselseite vorhanden waren. Diese Stellen wurden verstopft. Als wiederum ein Durchfluß eintrat, entdeckte man schließlich einen Fischotter, der sich in einem alten Steinkasten einen Aufenthalt eingerichtet hatte und bemüht war, dadurch zu überleben, indem er die Zuschüttung eines Durchflußes durch die Wasserbauarbeiter immer wieder öffnete, damit Wasser in seinen Hohlraum eindrang. Als das Tier in Panik nach einem Ausweg suchte, wurde es eines Tages durch den Wasserdurchfluß in die Baustelle gespült und von den Bauarbeitern entdeckt und totgeschlagen. Erst danach gelang die vorgesehene Abdichtung und die Pumpen reichten aus, um die Baustelle ab dem 28.Juni 1802 wasserfrei zu halten. Aller eingespülte Sand mußte dann herausgekarrt werden. (18)

Als die Spundwände um die Baustelle herum gesetzt waren, wurde wieder eingetieft. Nun begannen die inneren Wasserquellen ihre Wirkung zu entfalten. Der Erdboden hob sich, das Balkennetz, das darauf lag, bog sich krumm, da es an den Rammbalken gut befestigt war. Somit waren die Holzroste in Gefahr, auf denen das Grundmauerwerk der Schleusen aufgemauert werden sollte.

"Der Boden war in diesem eingeschränkten Raume der Baustelle sehr verschieden, so daß Pfähle von 18 bis 28 Fuß in denselben eingerammt werden mußten, wobei diejenigen, welche zum Rost unter den Seitenmauern dienten, mit den Spitzen nach unten, die Pfähle unter dem Schleusenboden aber mit dem Stammende nach unten eingeschlagen wurden, damit erstere mehr Tragekraft erhielten, letztere dagegen vor dem Herausdrängen des Quellwassers sicherten." (19)

Man hat also Holzstämme in den Boden gerammt. Man konnte sie mit dem dicken Stammanfang oder dem dünnen Stammende einrammen. Wurde der dicke Stammanfang eingerammt, bot das also den Vorteil, daß sich ein solcher Rammpfahl eigentlich nicht mehr herausdrücken ließ, wenn man an solchen Stammenden horizontale Hölzer als Boden des Wasserbeckens der Schleuse einbaute. Der Druck von unten geschah durch aufsteigendes Quellwasser, das in die Schleusenkammer drücken konnte.











Um das frühbiedermeierzeitliche Bauwerk der Schleusenkammer besser zu verstehen, lohnt sich eine intensive Beschäftigung mit den Angaben, die sich dazu auffinden lassen. Es heißt:

"In der Schleuse wurde unter den Grundbalken der Boden zwischen den Pfählen bis zu ihrer Brüstung mit Ziegelschutt, Gravier und Kreide ausgeschlagen, und festgestampft." (20)

Man hatte also eingerammte Holzpfähle, deren Köpfe am Schleusenboden endeten. An diesen Balkenende wurden horizontale Grundbalken eingelassen. Unter diesen waagerechten Balken wurde Ziegelschutt, Gravier und Kreide ausgebreitet und verfestigt. Zwischen den waagerechten Holzbalken wurde eine Ausmauerung vorgenommen, heißt es:

"Dann sind die Felder zwischen den Balken bis zur obern Kante derselben mit Klinkern und Zement ausgemauert worden." (21)

Da immer noch Wasser gegen die Ausmauerung drücken konnte, sah man sich gezwungen, einige überwölbte Kanäle unter dem Schleusenboden anzulegen und leitete darin das aufsteigende Quellwasser zur seitlichen Auslaßstelle, die mit der Dampfmaschine leergepumpt wurde. Da nun der Wasserdruck gegen den Boden der Schleuse ausblieb, konnte man an den weiteren Bodenaufbau der Schleusenkammer gehen.

"Ueber die Grundbalken wurde nunmehr der Rostbelag gelegt, und zwar unter den Schleusenmauern zum besseren Tragen von 9 Zoll starkem Holze, unter dem massiven Schleusenboden aber von vierzölligen Bohlen. Dieser Belag wurde in den Stößen mit eisernen, übrigens aber mit hölzernen auf den Keil gesetzten Nägeln an den Grundbalken befestigt." (22)

Man hatte also einerseits Bodenbalken als Unterlage der seitlichen Schleusenmauern anzubringen, andererseits den gesamten Boden der Schleuse mit vierzölligen Holzbohlen auszulegen. Mit eisernen Nägeln und hölzernen Dübeln wurden diese Holzteile an dem darunterliegenden Holzrost aus Rammpfählen und Grundbalken befestigt. Auch die Einfahrt in die Schleuse, das Vorgesenk, wurde so ausgebaut.












"Ueber diesem Boden wurde nun das Mauerwerk angelegt,und zwar von lauter hart gebrannten Klinkern in Zement gemauert." (23)

Man hat also einen Boden aus hart gebrannten Klinkern ausgebreitet und vermörtelt. Zum Mörtel finden sich interessante Angaben:

"Der Mörtel zu diesem Mauerwerk besteht aus einem Theile getrockneten, zermahlnen und gesiebten Traß, welcher aus Holland bezogen wurde, und aus einem Theile gelöschtem Kalk, der mit Flußwasser, aus welchem die Kohlensäure vermittelst ungelöschten Kalkes möglichst abgezogen wurde, bereitet ist." (24)

Eine Ergänzung zur Mörtelbereitung findet sich auch noch:

"Zu dem übrigen Mörtel der Schleusen- und Bollwerksmauern ist noch ein Theil gestampftes Ziegelmehl von hart gebrannten Klinkern und ein Theil scharfer Grand gemischt worden." (25)

Der gemauerte Schleusenboden ist laut Bericht "3 Fuß stark", und:

"In der letzten und obersten Schichte des Schleusenbodens sind die Klinker auf den Kopf gestellt" (26)












Mit schwereren Natursteinblöcken wurden die Enden des Schleusenbodens abgesichert:

"Auf beiden Enden des Schleusenbodens liegen 3 Fuß starke Schwellen von Rothenburger Werkstücken, stark verklammert und mit dem übrigen Mauerwerke verbunden"
(27)

Auch die Anschlagschwellen für die Schleusentore wurden aus Natursteinen hergestellt:

"Die Anschlagschwellen zu den Thoren im Drempel sind von Pirnaer Steinen und die Kanten sind mit Kupfer armirt. Die Steine sind mit kupfernen Klammern verbunden. Diese Drempelsteine liegen 2 Fuß im Boden, und 9 Zoll über demselben ist der Anschlag ausgehauen" (28)

Auch das Seitenmauerwerk der Schleusenkammer ist erläutert worden:

"Die Seitenmauern sind in der Anlage 14 oben 12 Fuß stark, und vom Schleusenboden an 20 3/4 Fuß hoch, nach der Wasserseite von Rothenburger Quadern, übrigens dahinter von Klinkern aufgeführt worden /.../. Oben sind diese Mauern mit Pirnaer Steinen abgedeckt worden." (29)

Zum Schutz der Mauern gegen den Anprall von Schiffen, bzw. zum Schutz der Schiffe gegen Anprall an die Steinmauern, wurden Gierhölzer eingelassen:

"Damit kein Schiff unmittelbar an diese Mauern anstoßen könne, so sind sie mit sogenannten Gierhölzern /.../ versehen, welche 6 Zoll in die Mauer eingelassen und mit Schraubenankern befestigt sind." (30)

Für die Winden der Schleusentore hat man in das seitliche Schleusenmauerwerk überwölbte Kammern eingelassen.

"Zum Aufwinden der Thore sind in diesen Schleusenmauern 4 Kammern oder gewölbte Keller mit Eingängen /.../ angelegt, in welchen die eisernen Winden angebracht sind, wodurch das Oeffnen der schweren Thorflügel durch einen Mann bewirkt werden kann." (31)

Man kann sich die Winde auf einer der Zeichnungen ansehen. Die gewölbten Kammern für die Winden sind in einem Schnitt verdeutlicht worden.






















Zu den Schleusentoren gibt es erfreulicherweise genauere Angaben:

"Jeder Thorflügel dreht sich auf einer in den Drempelstein eingelassenen und mit Blei vergossenen metallnen Halbkugel. An der Thorsäule ist eine metallene Büchse befestigt, welche genau auf die Halbkugel und den darauf befindlichen Dorn paßt, wobei jedoch der erforderliche Spielraum gelassen ist." (32)

Wie das Tor an der "Wendesäule" oben befestigt ist, läßt sich einer Zeichnung entnehmen.






















Aber es gibt weitere Angaben:

"Für jeden Thorflügel ist außerdem noch eine eiserne Bahn /.../ in den Schleusenboden eingelassen. Ueber derselben befindet sich an dem Thorflügel eine metallene Walze, damit, wenn sich der Thorflügel senken sollte, er hier einen Stützpunkt erhält, ohne die Bewegung beim Oeffnen bedeutend zu erschweren." (33)

Hier ist genau auf die Formulierung zu achten. Denn die Walze tritt erst dann in Funktion, falls sich der Torflügel einmal senken sollte. Deshalb ist angemerkt:

"Beim Einhängen der Flügel war die Walze 3 Zoll von der Schiene entfernt. Eine Senkung der Thore ist zwar bei ihrer soliden Konstrukzion nicht so leicht möglich, zumal da das Gewicht des Holzes im Wasser gegen das Gewicht in freier Luft sehr vermindert wird; diese Vorsicht wurde jedoch für nöthig erachtet." (34)

Die Tore selbst sind mit Eichenbohlen beidseitig bekleidet worden, "welche sämmtlich mit Vorsatzung in die Schwelle und den Rahm eingelassen sind". Man hat das Holzwerk außerdem mit Hängeeisen versehen, die "mit Schraubenbolzen" angebracht wurden.

Man mußte die Bollwerksmauern der Schleuseneinfahrt an der Weichsel sehr genau planen, um sie bei dem Eisgang auf der Weichsel sicherhalten zu können. Man hat hier auf den Pfahlrost, also auf den durch horizontale Holzbalken miteinander verbundenen Rammpfählen "solide Steinkästen" gesetzt, welche "mit Feldsteinen und Kieseln" aufgefüllt und mit Holzbohlen umgeben sind. Erst darüber wurde eine Klinkermauer aufgeführt, die dazwischen gelagerte Pfeiler aus Steinquadermauerwerk erhielt. Man hat das Mauerwerk abgerundet, weil man dachte, dadurch könne dem Eis eine geringere Angriffsfläche gegeben werden, wenn der Eisgang stattfand und an der Schleuseneinfahrt rieb. Man kann die Bogenlinie des Mauerwerks im Grundriß der Schleuse und Schleuseneinfahrt erkennen.

Es bereitete noch einige Probleme, die "Fangedämme" zur Weichsel hin herzustellen, um die Weichsel aus der Baustelle fernhalten zu können. Dann konnte man an das Ausräumen der alten Steinkästen früherer Wasserbaumaßnahmen herangehen, um schließlich die Einfahrt in die Schleusenkammer freizugeben.

"Zur Aushebung der Pfähle der Fangedämme war der Winter von 1804 bis 1805 so vortheilhaft, daß diese Arbeit sehr begünstigt wurde, und gleich nach dem Abgange des Eises in der Weichsel im April 1805 das erste Seeschiff durch die neue Schleuse gehen konnte." (35)

Man war also, witterungsbedingt, am Ende der Bauarbeiten an dem Schleusenbauwerk gut vorangekommen und schließlich in der Lage, die komplizierte Bauanlage dem Schiffsverkehr zu übergeben.

Der Text aus der Biedermeierzeit, d.h. aus dem Jahre 1837, beschreibt eine Baumaßnahme, die ganz zu Beginn des 19.Jahrhunderts durchgeführt wurde. Auch über 30 Jahre später war dieses Projekt für die deutschsprachige Fachwelt noch so interessant, daß darüber berichtet wurde.

Karl-Ludwig Diehl
Deutsches Gewölbemuseum

Der Autor ist über folgende Emailadresse erreichbar:
baugeschichte (at) email.de

Anmerkungen:
(1) zitiert aus: o.A.: Ueber die vorzüglichsten Veränderungen des Danziger Hafens vom Jahre 1594 bis 1805 und den Bau der neuen massiven Hafenschleuse bei Danzig.
S.106-108; S.113-117; S.121-124 und Zeichnungen auf den Blättern CXV, CXVI und CXVII, in: Allgemeine Bauzeitung.Wien, 1837. S.107
(2)-(4) zitiert aus: o.A., wie vor, S.108
(5) zitiert aus: o.A., wie vor, S.109
(6) zitiert aus: o.A., wie vor, S.108
(7) siehe im Kontext bei: o.A., wie vor, S.113
(8) zitiert aus: o.A., wie vor, S.113
(9)-(11) zitiert aus: o.A., wie vor, S.114
(12)-(16) zitiert aus: o.A., wie vor, S.115
(17) zitiert aus: o.A., wie vor, S.116
(18) siehe dazu: o.A., wie vor, S.116f.
(19) zitiert aus: o.A., wie vor, S.117
(20)-(21) zitiert aus: o.A., wie vor, S.121
(22)-(34) zitiert aus: o.A., wie vor, S.122
(35) zitiert aus: o.A., wie vor, S.124

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